#meToo bei schrit_tmacher: Am Weltfrauentag bringt die mexikanische Tänzerin und Choreografin Tania Pérez-Salas zwei ihrer Werke in die Euregio zum schrit_tmacher. Eine dramaturgisch gute Entscheidung „3. Fourteen Sixteen“ gemeinsam mit „Macho Man XXI“ zu zeigen. Es wird ein großer Bogen vom Barock bis ins Heute gespannt und gesellschaftliche Themen verhandelt, die aktueller wohl nicht sein könnten.

Nachtkritik von Natalie Broschat

Die beiden großen Barock-Ludwigs ließen es sich gutgehen. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde am französischen Hofe ausgiebig getanzt, gefeiert und getrunken. Ein prunkvolles Fest folgte dem nächsten. Warum auch nicht. Vor allem Sonnenkönig Ludwig XIV wusste, wie man gebührend den guten Seiten des Lebens frönt, liebte den Tanz und schlug dauernd über die Stränge. Den letzten König Frankreichs, Ludwig XVI, interessierten hingegen ganz andere Dinge. Kaum bestieg er den Thron, war er nicht nur König von Frankreich, sondern seiner Meinung nach auch der ganzen Welt.

Tania Pérez-Salas, die 1994 mit Anfang 20 ihre eigene Kompanie gründete, nimmt sich in ihrem Stück „3. Fourteen Sixteen“ (2002) dieser Zeit an. Das wurde damals für die mexikanische Compañia Nacional de Danza konzipiert und beim schrit_tmacher in der Fabrik Stahlbau Strang in Aachen von ihrer eigenen getanzt. Zu Klängen von Marin Marias, Girolamo Frescobaldi, Antonio Vivaldi, Francois Couperin und Giovanni Battista Pergolesi – allesamt große Vertreter der Barockmusik – nehmen uns die elf TänzerInnen mit zurück in diese Zeit.

Dabei spiegeln die dezenten Kostüme diese prächtige und pompöse Zeit in ihrer Klarheit wunderbar wieder. Sie reichen von weißem Stoff über schwarze Bodies bis hin zu ausladenden Kleidern. Entworfen wurden sie von der mexikanischen Kostümbildnerin Eloise Kazan. Sie hat auch die Stoffwelten für „Cuando Los Disfraces Se Cuelgan (When The Disguises Are Hung Up)“ der Delfos Danza Contemporanea geschaffen, die am Vortag in Heerlen, ebenfalls im Rahmen des Festivals zu sehen waren. In „3. Fourteen Sixteen“ harmonieren Tanz und Kostüm am schönsten, wenn die Tänzerinnen in roten Roben während einer komplexen Choreografie über die Bühne fließen.

Für das kurze, 20-minütige Stück nahm sich Tania Pérez-Salas alle Freiheiten; und das geht gut auf. Die Zirkulation, die Unendlichkeit und die ständige Wiederholung von Geschichte – darauf spielt die Zahl Pi (3,14159…) im Titel auch an – kann direkt ins Heute übertragen werden. Nämlich auf den Größenwahn aktuell Regierender weltweit, die wohl gerne einen Hofstaat hätten und ihre ganz eigene Realität leben. Und natürlich spielt es somit auch auf die Dekadenz an, in dem sich aktuell das eine reiche Prozent der Weltbevölkerung labt. Gruppen also, die von Hierarchien, Macht und Missbrauch gezeichnet sind und diese zelebrieren.

Daran knüpft der zweite Teil des Abends ebenso gut an. Hieß das 2014 konzipierte Stück zu Beginn noch „Made in Mexiko“, verweist es nun als „Macho Man XXI“ auf weltweit Offensichtliches. Es geht um die Frau inmitten der ganzen Trumps, Weinsteins, Chefs und generell getriebenen Männer.

Der Anfang von „Macho Man XXI“ ist unglaublich stark. Eine homogene Formation marschiert, stapft auf den Boden und ändert minutiös ihre Position, dem Turnen gleich. In weißem Hemd und schwarzer Stoffhose sind die TänzerInnen eine androgyne Gruppe. Eine Gemeinschaft im Gleichschritt mit Gleichstand. Wäre da nicht der kleine Unterschied, der sich irgendwann tänzerisch und körperlich sichtbar macht. Gender. Der biologisch-soziologische Trieb lässt die Männer bald zu Ungeheuern werden und den Frauen die Kleider vom Leib reißen. Sie machen sie sich gefügig, benutzen sie. Diese Diskrepanz in der Dominanz, Stärke und Macht wird nun an etlichen Bildern durchexerziert. Am mexikanischen Folkloretanz, der zwar sexy scheint, aber im Kern die Unterwerfung der Frau in die Arme des Mannes beinhaltet. Oder durch die Darstellung des typischen Chefs in seinem Bürostuhl, der sich die Frauen ebenfalls gefügig macht. Doch stellt Tania Pérez-Salas mit „Macho Man XXI“ keinesfalls allein die Männer als Täter und Grund weiblichen Leids und Leidens dar. Stereotype wie Popsternchen sind genauso triebgeladene Übeltäter wie Cowboys.

Das tolle, heterogene Ensemble stellt diese Bilder wunderbar dar und entfaltet in Kontrast zur starken Anfangsszene ihre individuellen Unterschiede. Man will die insgesamt zwölf TänzerInnen – Jose Ramon Corral, Edisel Cruz Gonzalez, Ana Elisa Estrada, Nicole Erickson, Renato Gonzalez, Alicia Hauffray, Allie Mae Gee, Eduard Martinez, Sarah Matry-Guerre, Jose Roberto Solis, Diego Vazquez und Myrthe Weehuizen – immerzu und gleichzeitig ansehen. Tania Pérez-Salas sagt selbst über ihre Truppe: “I like having different personalities, bringing a mix of faces onto the stage so that each character stands out. I don’t like it when the faces all blend in together.” Und das tun sie keinesfalls.

Und nicht nur viele tolle Körper befinden sich auf der Bühne. Wie auch schon bei der Delfos Danza Contemporanea ist der mexikanische Tanzabend mit Szenen, Symbolen und Themen aufgeladen. Dabei stechen immer wieder starke Momente heraus. Beispielsweise wenn die Männer breitbeinig über den liegenden Frauen stehen, sie mit Blicken fixieren und einfach hin und her trippeln. Den Hashtag #MeToo gab es zur damaligen Premiere noch nicht, obwohl er einwandfrei auf Teile von „Macho Man XXI“ gepasst hätte.

Im Laufe des Stücks entfaltet sich eine Verdeutlichung von Klischees und Stereotypen in Genderfragen. Und auch wenn eine klare Haltung zu diesem komplexen Thema fehlt, ist der Abend ein wichtiger Beitrag zu einer Debatte, die unsere heutige Zeit und Gesellschaft nachhaltig beeinflussen wird. Genau am Weltfrauentag gastiert die Tania Pérez-Salas Company aus Mexiko mit einen Abend, in dem deutlich auf den kleinen Unterschied eingegangen wird, der heutzutage größer denn je ist.