Killer & Killer: „Einer tanzt aus der Reihe“ beim Festival first & further Steps in der Fabrik Heeder in Krefeld

Kurze Nachtkritik von Bettina Trouwborst

Lebensgroße, gesichtslose Puppen hängen im Halbrund über der Bühne. In düsteres Grau sind sie gekleidet. Düster ist auch das Licht, düster wummern monotone Sounds. Ein etwas gespenstisches, lebloses Szenario. Nicht ganz – eine „Puppe“, die über dem Hemd ein Jackett  und eine Fliege trägt, steht auf einem Podest. Mit dem Einsetzen des Lichts erkennt man ein menschliches Gesicht. Die irritierte Figur nutzt das Podest als Startblock und springt wie ein Schwimmer ins Leben hinein.

Die Darstellerin kommt einem bekannt vor. Ein Déja-vu? Sophie Killer agierte schon bei der jüngsten Vorstellung „living happily ever after“ der Kompanie KimchiBrot Connection aus Köln in der Reihe first & further Steps in der Fabrik Heeder. Diesmal interpretiert sie bei dem Festival ihr eigenes Solo. „Einer tanzt aus der Reihe“ inszenierte das vielseitige Talent gemeinsam mit Schwester Thalia, die die Ausstattung verantwortet, als Abschlussarbeit für die Folkwang Universität der Künste – und entwickelte sie weiter. Das originelle Stück, anzusiedeln im Physical Theatre, erhielt den Folkwang Preis für Darstellende Künste 2015.

Halb Mensch, halb Marionette – so entdeckt Sophie Killer, was es bedeutet, lebendig zu sein. Sie knickt ihre Füße um, tastet den Körper ab, imitiert Nahrungsaufnahme und erkundet neugierig ihre Umgebung. Zupft vielleicht ein bisschen zu oft an ihrer Hose. Als eine mannsgroße Puppe plötzlich auf die Bühne knallt, glaubt sie, einen Partner gefunden zu haben. Beglückend und berührend, was die Schauspielerin,Tänzerin und Choreografin mit ihm alles anstellt: Nach erfolgloser Herzmassage legt sie sich neben ihn, nimmt seine Hand, kuschelt sich an ihn, tanzt mit ihm ein hochpoetisches Duett, knallt ihn auf den Boden. Denn seine Passivität macht sie wütend. Hin- und hergerissen zwischen Sehnsucht nach Nähe und Empörung zieht sie alle Register, um den Stoff-Kameraden zum Leben zu erwecken.

Bedauerlich, dass nur knapp die Hälfte der Sitzplätze in der Fabrik Heeder besetzt waren. Denn die Arbeit von Killer & Killer präsentiert ein großes darstellerisches Talent: Sophie Killer ist ein Energiebündel mit fesselnder Bühnenpräsenz, ihre Choreografie voller überraschender Ideen und Rätsel, die sie nicht alle preisgibt. „Einer tanzt aus der Reihe“ beeindruckt als Studie über das Menschsein, über die Einsamkeit in der Menge, aber auch über den Mut des Andersdenkenden – und seine Ernüchterung im Scheitern. Diese Parabel mit gesellschaftspolitischer Dimension ist absolut sehenswert.