Ein Kommentar zur Vorstellung des Programms zur TANZplattform 2018

von Klaus Dilger

Am vergangenen Freitag wurde das lange und mit Spannung erwartete Programm der Deutschen Tanzplattform 2018 bei PACT Zollverein in Essen angenehm unprätentiös vorgestellt.

Die Berliner Journalistin und Autorin Dr.Elisabeth Nehring, die ebenfalls in Berlin lebende Künstlerin Scarlet Yu und der künstlerische Leiter des PACT Zollvereins Stefan Hilterhaus gaben hierbei stellvertretend für die übrigen Jurymitglieder Bruno Heynderickx, Kurator und stellvertretender Ballett­direktor am Hessischen Staats­ballett Darmstadt / Wiesbaden, Dr. des. Leonie Otto, Dramaturgin und Tanzwissenschaftlerin, Frankfurt / M., sowie Matthias Mohr, Marlies Pillhofer und André Schallenberg, alle PACT Zollverein (geteilte Stimme), einen begründeten Einblick zur Auswahl der insgesamt dreizehn Arbeiten und choreographischen Positionen, die die Besucher vom 14. bis 18.März des kommenden Jahres erwarten dürfen.

Stefan Hilterhaus, Elisabeth Nehring, Scarlet Yu (von Li. nach Re.)

Nicht unwesentlich dürfte für Teile der Auswahl gewesen sein, dass neben PACT Zollverein als Veranstalter und Festivalzentrum weitere Räume auf dem Gelände des UNESCO-Welterbe Zollverein, sowie das Essener Aalto-Theater und das Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen zählen, also auch Häuser mit erheblich grösseren Zuschauervolumina als  die, in denen die Produktionen der sogenannten Freien Szene für gewöhnlich präsentiert werden und die häufig für solch grosse Auditorien auch nicht geschaffen wurden. 

So wird Sasha Waltz | Berlin am 15.März mit ihrer Produktion „Kreatur“ für einen Abend im Aalto Theater zu sehen sein. Zum letzten Mal war Sasha Waltz in 2012 bei einer Tanzplattform Deutschland eingeladen. Damals zeigte sie in der Dresdener Semper Oper ihre „Metamorphoses“ mit nur mäßigem Erfolg bei den Zuschauern, umso gespannter dürften die Erwartungen der Festival Besucher in 2018 sein.

Richard Siegal | München | Köln wird an zwei Abenden mit der Doppel-Produktion „BoD“ und „Ballet 2.018“ im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier zu sehen sein (15. und 16.März), ebenso wie Boris Chamatz | Musée de la Danse, in Berlin an Dercons’ Volksbühne residierend, der am 17. und 18.März seine „10.000 Gesten“ zelebrieren lässt.

Scarlet Yu, (Jurymitglied und artistic collaborator Xavier Le Roy)

Eine weitere Grossproduktion ist ›Temporary Title, 2015‹ von Xavier Le Roy | Montpellier, eine als Ausstellung konzipierte Arbeit, die die Besucher*innen des SANAA Gebäudes während der 5 Stunden dauernden Präsentation nach Belieben betreten und verlassen können.

Streng genommen hat diese Produktion keinen unmittelbaren Bezug zur Tanzplattform Deutschland, sie ist in 2015 als Coproduktion von Kaldor Public Art Projects (Sydney), Carriageworks (Sydney), Les Spectacles vivants – Centre Pompidou (Paris) und Festival d’Automne à Paris entstanden, doch wollten die Veranstalter diese Produktion wohl so unbedingt im Rahmen des Festivals haben, dass es einer herkömmlichen Berechtigung nicht bedarf und die derzeitige Residenz des Choreographen auf PACT Begründung genug zu sein scheint.

Mit Ausnahme von Claudia Bosse | theatercombinat, die zwischen Wien und Düsseldorf | FFT produziert und deren „the last IDEAL PARADISE“ im Salzlager der Kokerei Zollverein drei mal zu sehen sein wird, sind die weiteren Beiträge allesamt Soli, Duos oder Trios.

Schwerpunktmäßig stammen die Produktion aus Berlin (6), Düsseldorf mit TanzHaus NRW und FFT (4), Essen (3), München (2), Frankfurt und Bonn (Doppelungen möglich) oder haben den Bezug einer Koproduktion zu diesen Städten.

Elisabeth Nehring (Jurymitglied Berlin)

Ein insgesamt durchaus spannendes Programm an vier Festivaltagen, das sich thematisch voll umfänglich wohl erst in seiner Einbettung mit vier weiteren Feldern erschliesst, die sich programmatisch unter dem Überbegriff „Austausch“ erfassen lassen:

Assembly

Die ASSEMBLY ist jeden Morgen Treffpunkt für Publikum, Künstler*innen, Kurator*innen und Kulturschaffende. Ob in kurzen thematischen Impulsreferaten, in der Arena oder in individuellen Begegnungen — alle Beteiligten sind eingeladen, die lichtdurchflutete Architektur des SANAA-Gebäudes auf dem Zollverein-Gelände zu einem entspannten Austausch zu nutzen.

Festivalzentrum

Im Zentrum des UNESCO-Welterbes Zollverein gelegen, bietet das PACT-Foyer während der Tanzplattform Raum und Zeit für Gespräche, Begegnungen und Entspannung. Zusätzlich finden hier flankierende Angebote Platz, von Yoga-Stunden bis hin zu Einblicken in die vielfältige Tanzszene im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Late Night Studio Talk

Abends im Anschluss an die Vorstellungen trifft der Frankfurter Theaterwissenschaftler Philipp Schulte Künstler*innen, Jurymitglieder des Festivals und Gäste. Gemeinsam befragen sie den Tag, berichten, sortieren und analysieren das Gesehene und Erlebte bei Snacks und Getränken von der Bar.

Künstlersummit

Der Künstlersummit widmet sich den erweiterten Potentialen der Tanzplattform 2018. Die Künstlergruppe HOOD – aktuell haben sie das Fellowship Stipendium von PACT Zollverein inne – lädt 30 Teilnehmer*innen aus der künstlerischen Tanzpraxis zu einem neuntägigen Austausch auf Zollverein ein. Der inhaltliche Schwerpunkt des Summit liegt auf dem Austausch zwischen den eingeladenen Künstler*innen – ein Austausch über die drängenden Fragen des Tanzes in Deutschland und international.

Begleitet wird das Festival zusätzlich von einem Studierendenformat und einem Blogformat

All dies wird entlang einer „einzigen Strassenbahnverbindung erreichbar“ sein, wie Hilterhaus betont, wenn die 500 erwarteten Fachbesucher aus aller Welt von dieser Möglichkeit hoffentlich Gebrauch machen werden.