Das neue Stück des  Wuppertaler Tanztheaters vergisst den Tanz

Kurze Nachtkritik von Melanie Suchy

Es ist vollbracht. Aber wie mühsam, wie schwerfällig und unlustig ist dieses Stück geworden. Und dazu noch so karg beleuchtet, dass es, kühl und bleich, etwas Untotes hat: „Seit sie“. Nur ein Nebensatzanfang dient als Titel, der auf Vergangenes verweist und auf Zeit, die ab da verstrichen ist. Vielleicht einen Tod, vielleicht einen Aufbruch, und „sie“ ist eine Frau oder eine Gruppe.

Der griechische Regisseur und Choreograf Dimitris Papaioannou, Jahrgang 1964, hat also nun das erste abendfüllende Werk geschaffen für das Wuppertaler Tanztheater, das nicht von Pina Bausch stammt und das, anders als die Versuche jenes Dreierabends im Herbst 2015, ins Repertoire genommen werden soll. Er lässt die Tänzer mit schwarzen Holzstühlen auf der Bühne erscheinen, insofern ist sofort klar, dass er sich nicht krampfhaft gegen die örtlichen Tanztheatergewohnheiten absetzen wird. Es ist eine langsame Parade, die aus einem Türchen links herausquillt, indem die Tänzer auf den Stühlen gehen, die sie mit sich tragen müssen. So bauen sie im Vorwärtsstreben den Weg, den Steg quer über die Bühne, werden immer mehr, helfen einander, reichen Stühle weiter, von draußen über Köpfe hinweg. Sie platzieren vorsichtig ihre Schritte, um Halt bemüht, gebückt, sich mit Händen abstützend, dann kurz mal Ausschau haltend. Die Frauen in den dunklen langen Kleidern lüpfen die Säume, einige tragen ihre Pumps an den Händen, andere balancieren auf ihnen. Sie nehmen sich die Zeit, die das Prozedere dauert, sind ohne Hast und ganz stumm. Das ist ein schöner Anfang, der die Mühsal des Weg-Machens aufzeigt und entfernt sogar an Flüchtlinge erinnert. Doch je länger er dauert, desto mehr fällt einem beim Zuschauen auf, wie häufig die Frauen sich die langen offenen Haare hinters Ohr streichen und so die Symbolik zerbröseln. Es bleibt: eine Art Bewegungstheateraufgabe.

Daran kränkeln diese achtzig Minuten „Seit sie“ durchgängig: dass Papaioannous Szenen nie abheben oder mal durchdrehen oder tanzen atmosphärisch, sondern wirken, wie mit angehaltenem Atem hingestellt, –gelegt, -geschoben. Überhaupt sind Schieben und Ziehen neben dem Balancieren die hauptsächlichen Bewegungsarten in dem Stück. Das trägt eben auch zu dem Eindruck der Schwere und Unfreiheit bei. Der zieht einen nicht mal mit. Sondern zieht nur vorbei…

Den Berg hinab (Hier geht es zur ausführlichen Nachtkritik)