ZEITREISENDE

 

SILENCE VON IPtanz IN DER KÖLNER INNENSTADT

eine kurze Nachbesprechung und Videoausschnitte des zweiten Aufführungstages
von
Klaus Dilger

VIDEO AUF VIMEO

An drei Tagen inszenierte Ilona Pászthy in der Kölner Innenstadt einen zwölfstündigen Parcour mit sechs Tänzern, die sich in extrem verlangsamter Geschwindigkeit ihren Weg über alle natürlichen und gebauten Hindernisse hinweg und durch Menschenmassen hindurch bahnten. Sie wirkten hierbei wie Zeitreisende aus einer fernen Welt, die das was sie sahen und aufnahmen durch kein Minenspiel einer Bewertung Preis gaben.

Die Begegnungen mit Einkaufenden, in hektischer Eile einem unbekannten Ort zustrebenden, anonymen Menschen und Menschen, die kein Ziel mehr zu haben schienen, ausser zu warten, bis aus Tag Nacht geworden ist und wieder Tag, verliefen in freier Wahl der jeweilig gewünschten Intensität.

Zumeist waren es wohl Sekunden im Vorübergehen, manchmal Minuten und für Wenige länger als dies. Wer sich auf diesen „Zeitwurm“ einliess, der sich in unserem Fall von der Breiten Gasse kommend in knapp eineinhalb Stunden auf den Eingang Schildergasse beim Neumarkt zu bewegte, der konnte sich dieser neuen Wahrnehmung von Bildern kaum entziehen. Selbst die Geräusche der Strasse veränderten sich, gerade so als würde man selbst Teil dieser utopistisch anmutenden Reisegruppe.

Sehr viele, vor allem ältere Menschen, wollten wissen, was es denn mit dieser Aktion auf sich habe. Sie zeigten sich bewegt von den sechs Performern, die scheinbar ohne jede Regung und Anstrengung diesen ungeheuren Kraftakt bewältigten, der dieser Zwölfstunden Marathon ja zweifelsohne auch ist!

Nach ihrem grossartigen Erfolg in Krefeld, wo wenige Tage zuvor Ilona Paszthy  mit ihrer neuen Produktion „Stille“ eine Choreographie präsentierte, deren eindrucksvollste Momente den Landschaftsraum am Niederrhein als faszinierendes Konglomerat der Gegensätze erlebbar machte (siehe hierzu auch die Nachtkritik auf TANZwebKrefeld), hier also erneut der Tanz im öffentlichen Raum, der dieser Kunstform (zumindest an diesen drei Tagen der Parcours) Momente des Innehaltens und der Begegnung mit tausenden Zuschauern bescherte. „Art for those who didn’t ask for“ lautet das Motto eines grossen internationalen Filmwettbewerbs, das hier im besten Sinne umgesetzt wurde.

Die Choreografin Ilona Pászthy und ihre Crew  setzen sich eigenen Angaben zu Folge in ihrem künstlerischen Prozess mit Fragen auseinander, wie: Wird Gewalt/Aggression nicht mehr mittelbar spürbar wenn sie nur langsam genug in das Leben eingedrungen ist?
Wie nutzen politische Systeme die Gewöhnung an Gewalt und Aggressionen. Ist sie für den Menschen noch spürbar wenn sie nur langsam genug eingeführt wurde? Heilt die Zeit die Wunden oder gewöhnen wir uns im Laufe der Zeit nur an diese? Was macht die Performance mit den Menschen auf der Straße, die zufällige Beobachter werden?

Performer: Jelena Pietjou, Hannah Platzer, Silvia Ehnis, Anders Jensen, Katharina Sim, Sebastian Krekow, Ilona Pászthy
Choreographie: Ilona Pászthy Dramaturgie: Judith Ouwens Musik: Zsolt Várga Bühne: miegL Kostüme: IPtanz
gefördert durch das NRW Landesbüro freie Kultur Dortmund, Kulturamt der Stadt Köln.