Laudatio Kölner Tanztheaterpreis 2015 an:

 

CARNIVAL OF THE BODY

Overhead Project

 

alias Tim Behren und Florian Patschovsky

von Melanie Suchy

Es gibt diesen naiven Spruch, „der Körper lügt nicht“. Aber natürlich kann sich der Körper einen Spaß draus machen und flunkern, dass sich die Balken biegen, welche auch immer, er kann sich verstellen, sich viel größer machen, als er ist oder viel kleiner oder blöder. „Karneval“ heißt es hier, und die beiden Tänzer-Performer machen entsprechend einen drauf, wörtlich: Sie stellen sich einer auf den anderen, werden so ganz groß gemeinsam. Die Supersiegerpose im gleißenden Licht –  „Carnival of the Body“.

Dabei sind sie eigentlich ganz anders: Florian Patschovsky und Tim Behren. Die beiden sind Overhead Project, eine Art Kopfübertruppe zu zweit. Sie sind ausgebildet als Hand-an-Hand-Akrobaten und als Tänzer. Seit 2008 leben sie in Köln, 2011 sorgten sie bei einem kleinen Festival im Theater in der Orangerie für Aufsehen mit ihrem melancholisch verwehten Zehnminüter aus dem abendfüllenden Stück „How to be almost there“. Vielerorts räumten sie damit Preise ab. Bislang arbeiteten sie mit Choreografen und Choreografinnen zusammen, erst in Freiburg, dann auch in Köln, etwa mit Reut Shemesh und Stephanie Thiersch, aber erst vor einem Jahr nahmen sie erstmals selbst die Regie in die Hand. Daraus wurde dieser „Carnival of the Body“, der im Februar 2015 in der Studiobühne Premiere feierte.

In dem Stück nehmen sie eine der seltsamsten Sportarten aufs Korn und biegen deren Balken, dass  es gar nicht mehr kracht, sondern ein langer leerer Hall im Raum sich verkriecht: das Wrestling. Alles daran in Show. Die Muskeln, die Mienen, die Kostüme, das Gebrüll. Also gehen auch Behren und Patschovsky aufeinander los, nur sind all die üblichen Phrasen des breitbeinigen Belauerns, Rennens, Bespringens und Fallens irgendwie schief zusammengesetzt. Oder sie dehnen die eh schon langen Minuten vorbereitenden Tuns zur Überlänge: das röhrende Tigern im Kreis, das Zurechtschlackern eines Mikrophonkabels. Oder beide machen Pause. Die brav geschälte, steil gehaltene Banane erinnert daran, dass dieser Carnival vor allem auch von Männlichkeitsposen handelt und deshalb so aktuell ist.

Das Schöne an der Performance ist, dass sie sich nicht auf billige Weise einfach nur darüber amüsiert. Sondern sie beglückt mit einem trockenen Humor, mit Intelligenz, einem Anti-Entertainment-Timing und mit dem Mut der Tänzerakrobaten, nicht gerade elegant oder cool rüberzukommen und auch nicht irgendwelchen langweiligen Authentizitätsgeboten zu folgen. Im Gegenteil. Unter- oder sogar obergründig geht es in Carnival of the Body ja auch ums Theater, um Tanz, um die Performing arts. Immer nämlich folgen die Körper dort bestimmten Geboten und Verboten, verkleiden sich also in gewisser Weise, auch wenn sie sich noch so enthüllt geben. Das irrwitzige Wrestling dafür zur Metapher zu erklären, macht Spass. Dessen extrabullige Kämpfer simulieren im Ring Gewalt, Kampf, Sieger, Verlierer, sie improvisieren nach heimlichen Absprachen und müssen körperlich ungemein präzise agieren, damit es nicht wirklich zu Verletzungen kommt. Ein Können, das sie mit Akrobaten und Tänzern verbindet und das dann doch auch nicht gelogen ist.

Echt und ungelogen ist jetzt auch der Applaus, den wir Florian Patschovsky und Tim Behren heute abend geben zum Gewinn des Kölner Tanztheaterpreises 2015!