Schrit_tmacher justDANCE! – Summer Edition
mit Akram Khan’s – Outwitting the Devil
Schlimmer als Teufel
Nachtkritik von Melanie Suchy
Der Titel hat diesen Twist ins Positive. Den Teufel zu überlisten, das klingt nach einem Märchen mit einem cleveren Sieg des Guten über das Böse. Das Tanzstück „Outwitting the Devil“ von Akram Khan und seiner Company aus London feierte Anfang Juli 2019 Premiere beim Tanzfestival namens Colours im Theaterhaus Stuttgart. Das Publikum war begeistert und erschüttert. Denn dieser Twist wird nicht greifbar, er wird verweigert. Momente von Friedfertigkeit, Gemeinsinn, auch Schönheit blinken im Geschehen zwar immer mal auf, aber dauern nicht an. Als verklebe Öl die Gefieder der Hoffnung.
Die Power und Bitterkeit der Inszenierung erinnern an frühe Stücke von Pina Bausch. Im Nachgespräch nach der Unerbittlichkeit gefragt, sprach der Choreograf, dessen Eltern einst aus Bangladesh nach London einwanderten, von der riesigen Wut, die er habe angesichts der Zustände auf der Welt und in Großbritannien, Stichwort Brexit. Etwas später beim Festival in Avignon sprach er in eine Kamera auf die Frage, wer oder was für ihn der Teufel sei, die Erklärung: Zunächst habe er die Zeit dafür gehalten, als älter werdender Mann und Tänzer. Dann aber sei ihm beim Nachdenken mit seinem Team klar geworden, dass es, angesichts der Klimaveränderung, die Menschheit sei. „Die Natur also“, sagt er, „muss den Menschen austricksen“. Und, „sie rächt sich an uns. Sie wird sich rächen an uns.“
Akram Khan stellt seine sechs charaktervollen Tänzerinnen und Tänzer in eine Landschaft aus schwarzen Steinen wie in einen verkohlten Wald oder ein Gräberfeld. Manchmal wird so ein Stein zur Erinnerung wie eine Schrifttafel: Schwer. Sie wird angefasst, gehoben, auf gebeugten Schultern getragen. Die Frauen und Männer, jung und alt, Vogel und Fisch, eine halbreale Vaterfigur, der ihr Wissen nichts nutzt, und eine sonnenhelle Mutter der Erde, sie alle begegnen sich, verfangen sich in Nähe, probieren Gemeinschaft, separieren sich, suchen Schutz, verzweifeln. Wie einmal zwei Männer ein fröhlich-fischig herumpurzelndes Wesen angreifen, erst spielerisch, dann brutal, ist so furchtbar, wie man es selten sieht im Tanz: weil die Gewalt grundlos ist. Jemand zerstört etwas, nur weil er es kann.
Das ist der Mensch. Akram Khan, einer der wichtigen Erneuerer und Bekanntmacher des zeitgenössischen Tanzes auf der Basis von Tanztheater und einer speziellen Fusion mit indischem Kathak, bezieht sich auf den uralten Gilgamesch-Epos. Auf in Stein – auf Ton – geschriebene Mythen. In einer Episode vernichten Enkidu und sein Chef, der kraftprotzige König von Uruk, einen Zedernwald und töten dessen Hüter. Beim Betrachten der langsam sich entfaltenden düsteren Szenen, dieser Fantasiewelt, in der nicht viel Platz zum Tanzen ist und die so erschreckend wahr wirkt, wird die Wut spürbar, aber noch mehr: gigantische Schuld.