Kein leichter Stand für Liat Waysborts „TITANIC“ beim schrit_tmacher Festival in Heerlen

Kurze Nachtkritik von Klaus Dilger

 

Es ist noch keine vier Wochen her, da brachte das schrit_tmacher justDANCE! Festival just auf derselben Bühne des Parkstad Limburg Theaters, durch eine überraschende Co-Produktion mit dem NDT, seine Zuschauer in den Genuss, eines der grossartigsten (Spät)Werke des israelischen Ausnahmechoreografen Ohad Naharin live erleben zu dürfen.

Fulminanter Tanz als Erinnerungslast

Naharins „THE HOLE“, entstanden 2013 für die Batsheva Dance Company, konnte durch diese Co-Produktion mit dem schrit_tmacher Festival  in einer Neueinstudierung mit den nahezu perfekten Tänzerinnen und Tänzern des Nederlands Dans Theaters in deren Repertoire übernommen werden. – Gerade auch solche Co-Produktionen machen und zeichnen ein grosses Tanzfestival aus, wie es das schrit_tmacher in dreiundzwanzig Jahren geworden ist!

Mit unglaublicher tänzerischer Wucht und Präzision und filigranster Sensibilität rissen die NDT-Tänzer vor vier Wochen die Zuschauer im Parkstad Limburg Theaters, in neun restlos ausverkauften Aufführungen, in der brillianten und stets überraschenden Choreografie Naharins, förmlich von den Sitzen.

 

Tonnenschweres Erbe

So war es wenig verwunderlich, dass diese Energie und der Name Ohad Naharins zunächst wie eine freudige Erwartung über der Bühnenproduktion Liat Waysborts und ihres jungen „Bitter Sweet Dance“ Ensembles lag, die sich jedoch zunehmend in eine tonnenschwere Last für die noch sehr jungen Tänzerinnen und Tänzer und das Stück selbst verwandelte.

Waysborts TITANIC“ liess sich von einem Frühwerk des israelischen Choreographen, „The Sinking of the Titanic“ (1989) inspirieren, eine der ersten Choreographien von Naharin, die er als neuer Direktor 1990 mit in die Batsheva Dance Company gebracht hatte, der Wasbort danach für viele Jahre als Tänzerin und später als Assistentin Naharins angehört hatte

Auch war „The Sinking of the Titanic“ zwar ein Talentbeweis aber noch weit entfernt von der Qualität seiner späteren Werke, eine Arbeit, die sich von dem unbeirrbaren Orchester inspirieren liess, das während der dramatischen Ereignisses des Untergangs weiter spielte, als gäbe es kein morgen.

Tanzen, als hinge das  eigene Leben davon ab! – so würde wohl die Übertragung lauten.

Auch Waysborts „Titanic“ greift dieses Thema auf ohne die Vorlage verbessern zu können oder gar eine neue überzeugende Struktur und Dramaturgie zu erschaffen oder zu entwickeln – das Stück zerfällt des Öfteren und wirkt ein wenig unfertig auf der riesig wirkenden, fast leeren Bühne. Vielleicht setzt Liat Waysbort zu sehr auf die Wirkung der (viel zu lauten) Soundcollage und der angenommenen Erinnerungen bei den Zuschauern an die realen dramatischen Ereignisse des Untergangs oder die Kinobilder davon. Das mag bei dem einen oder anderen Zuschauer aufgehen, wie der Applaus des Publikums zeigte, aber sie begibt sich damit auf dünnes Eis. Ihre „TITANIC“ wird allein im Tanz der noch unfertig wirkenden Performer nicht sicht- noch greifbar.

Fazit: Das Drama fand nicht statt

Auch die jungen Tänzer hätten schon um ihr Leben tanzen müssen, um die Erinnerungen an das Titanic-Orchester aufleben zu lassen.

Ein Drama fand nicht statt (glücklicher Weise) und für das junge Ensemble war die Teilnahme im Rahmen dieses grossen Festivals mit Sicherheit ein Gewinn auf seinem weiteren Weg.