Schrit_tmacher justDANCE!

Gehoben und gehebelt

Guy Nader und Maria Campos‘ „Set of Sets“ kommt beim schrit_tmacher-Festival in Kerkrade dem Publikum mit Gefälligkeit entgegen

Nachtkritik von Rico Stehfest

Das sanfte Licht, die farblich reduzierten, wirklich schlichten Kostüme in schwarz, grau und einem gebrochenen blau-grün, dazu die ruhige Bühne mit einem weißen Halbrund im Hintergrund als Abschluss, das alles ist schon ordentliche Kuschelatmosphäre, recht gemütlich. In dieser Entspanntheit läuft‘s, ließe sich formulieren: In einer kreisförmigen Bewegung vermisst ein Performer den Raum, immer weitere kommen hinzu, bis alle simultan ihrer eigenen Wege gehen. Dabei entstehen so reizvolle Muster und wiederholte Begegnungen, dass man fast vergessen könnte, dass alle nur im Kreis laufen. Dazu braucht es auch keine klangliche Untermalung. Das Geräusch der Füße auf dem Boden schafft einen eigenen Rhythmus. Dieser silent walk erfährt bald Variation, bei der sich die Kreise in ihren Dimensionen verändern. Das hat etwas Physikalisches, ein Demonstrativum der Inbezugsetzung.

NaderCampos-Set-of-Sets©TANZweb.org_Klaus-Dilger

NaderCampos-Set-of-Sets©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Miguel Marín agiert im Hintergrund an einem Set aus elektronischen Klangwerkzeugen und leibhaftigem Schlagzeug. Ist seins das „Set of Sets“? Er lässt erst die Atmosphäre knistern, in der die Zentrifugalkräfte auf der Bühne die Performerinnen und Performer wie elementare Teilchen immer schneller und immer enger umeinander kreisen lassen. Und alles im betont aufrechten Modus. Bis es zu Komplexität aus der Starre der Vertikalen heraus kommt, lässt sich die Arbeit des libanesisch-spanischen Choreografen-Duos Zeit.

NaderCampos-Set-of-Sets©TANZweb.org_Klaus-Dilger

NaderCampos-Set-of-Sets©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Schnell werden dann Elemente aus dem Breaking deutlich, die immer wieder auftauchen. Die sieben Performerinnen und Performer werden wiederholt mit nachdrücklicher Kreativität in kleinere Einheiten zerlegt; da hat es sensible Duos, in denen auch Frauen ganz zeitgemäß Hebefiguren stemmen dürfen. Die allerdings fallen aus, als wären sie aus dem Eiskunstlauf kopiert. Damit liegt besonderes Gewicht auf dem Effekt und dem Ausstellen der Bilder. An Kreativität mangelt es dabei nicht, wohl aber an künstlerischer Aussage. Von Komplexität keine Spur. Gefälligkeit ist zwar nicht verboten, nur ist es wenig erfreulich, wenn die nötige Körperspannung fehlt. Bei Rotationen um die eigene Achse gelangen die ausgestreckten Arme nicht mal bis auf Schulterhöhe. Hände scheint in solchen Momenten niemand zu haben. Nach einzelnen Sequenzen fallen die Performer immer wieder aus dem Charakter. Das wirkt unprofessionell und für Tänzer untypisch. Das Einfrieren in Körper-Assemblagen bietet nicht mehr als optische Unterhaltung, bloßer Effekt ohne erkennbaren Zweck. Konzeptionell scheint hinter der Arbeit etwas zu liegen, das die Choreografie selbst nicht einlösen kann. Die Kreativität bleibt beliebig und macht die Arbeit zu reiner Fahrstuhlchoreografie, da mögen die Ansätze noch so akrobatisch ausfallen. 

Das Publikum in Kerkrade hielt es zum Schlussapplaus vor Begeisterung nicht auf den Stühlen. Zielgruppe erreicht, Job done?