schrit_tmacher justdance!

Ornamentale Ästhetik

B.Dance zeigt: „Before we say goodbye“ im Theater Kerkrade

Von Thomas Linden 

Für Rick Takvorian mag jede Vorstellung des diesjährigen schrit_tmacher Festivals eine Gelegenheit sein, sich an die Anfänge zu erinnern. Immerhin ist es die 30. und letzte Auflage unter seiner Leitung. So rekapitulierte er in Kerkrade noch einmal vor vollem Haus seine erste Reise Mitte der 1990er Jahre nach Taiwan. „Sie hat mein Leben verändert“, bekennt er beim Gedanken an die beeindruckenden Leistungen der zahlreichen Tanzkompanien in Taipeh, die auf besondere Weise klassisches Ballett mit Modern Dance zu verbinden wussten. Welch grandiose Produktionen die Brückenbauer aus Taiwan zwischen westlichen und östlichen Traditionen zu kreieren vermögen, zeigte das Festival vor drei Jahren in Aachen mit der Choreographie „Floating Flowers“. Der noch junge Choreograph Po-Cheng Tsai führte damals Regie und präsentierte nun mit „Before we say goodbye“ seine aktuelle Produktion.

Eine unbekleidet anmutende weibliche Gestalt liegt mit angewinkeltem Bein an der Bühnenrampe im Licht eines Scheinwerfers. Der Bühnenraum ist ansonsten nachtschwarz. Wie serviert liegt sie das, die junge Frau, um die sich in den folgenden 75 Minuten alles drehen wird. In ihrem Look ist das Ensemble mit zweiteiligen hellen Anzügen und breitkrempigen Hüten auf eine unbestimmte Vergangenheit hin ausstaffiert. Ein nostalgischer Schmelz ist angerichtet, der an die Gangsterfilme der 1950er Jahre erinnert, die in der Populärkultur Taiwans und Japans eine prägende Rolle spielen.

BDance_Goodbye@TANZweb.org_Klaus-Dilger

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In diesem Reich der Fantasie lässt sich bittersüß in schmachtenden Emotionen baden. Der Titel kündigt es an, hier wird ausgiebig Abschied genommen. Um die melodramatische Gestik möglichst wirkungsvoll zu zelebrieren, verschmäht Po-Cheng Tsai die Tiefe des Raums und organisiert sein Ensemble auf einer Diagonalen von vorne links nach hinten rechts. Gleich einem Strahl entsteht ein Lichtkorridor, auf dem sich das Geschehen wie auf dieser Schiene vor und zurück bewegt. Der Schmerz der Trennung – und vor allem das, was sich zuvor in seiner Erwartung ereignet – wird im Pas de deux und in Soli getanzt. Schnell und präzise geht es dabei zu, wobei immer wieder die Standfestigkeit der Tänzerinnen und Tänzer erstaunt. Wie kraftraubend diese Aktionen sind, wird einem angesichts der Klasse dieses Ensembles gar nicht bewusst. B.Dance verfügt zweifellos über Eleganz, wenn diese Produktion auch nicht jene Brillanz zeigt, die „Floating Flowers“ besaß. Das mag auch daran liegen, dass die jüngere Arbeit längst nicht so komplex entworfen ist. In unzähligen Wiederholungen findet sich die Konstellation des Einzelnen gegenüber der Gruppe. Letztere wird immer durch eine kollektive Wellenbewegung charakterisiert. Dabei halten sich alle an den Unterarmen, so dass eine elastische Linie entsteht, die gleich einer Schlange in einem geschmeidigen Auf-und-Ab dahingleitet.

BDance_Goodbye@TANZweb.org_Klaus-Dilger

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Tänzerische Experimente darf man hier nicht erwarten. Dazu ist auch das Rollenspiel der Geschlechter nicht angelegt. Der drapierte weibliche Körper bleibt in dieser melodramatischen Ballade stets das Objekt der Begierde. Es ist dabei nicht ausgeschlossen, dass die Protagonistin auch einmal mit dezent sadistischem Unterton von der Bande mit den schnieken Anzügen verprügelt wird. Der Schritt von der Hure zur Verehrung der Heiligen ist daher auch nicht weit. Gleich im nächsten Moment wird sie auf Händen getragen als Heroin ausgestellt. Man bedient sich halt aus den Beziehungsmustern der Pulp Fiction Welt. Verklärt werden diese Versatzstücke des Genres mit einem klimatischen Farbenspiel, das zwischen dem kalten Weiß des Schnees bis zum sacharinsüßen Rosa reicht. Derweil schwingen sich die Violinen zu ungeahnten Höhen auf und die Harfe lässt – unglaublich aber wahr – ein Pling, Pling vernehmen. Dieses Jonglieren mit den Bestandteilen des Melodramas mag reizvoll sein, wenn es nicht allein im fotogenen Kitsch serviert wird. Po-Cheng Tsais Vorbild für diese Choreographie ist offenbar Wong Kar-wai Filmklassiker „In the mood for Love“, nur vermittelt er nicht dessen Gefühlstiefe. Eine Aneinanderreihung großer Gesten stellt noch nicht die Kraft einer herzzerreißenden Liebe her. So verharrt B-Dance diesmal bei einer eher ornamentalen Ästhetik, die eine flüssig getanzte Version des Modern Dance präsentiert, in der die Verbindung zum zeitgenössischen Tanz aber verloren gegangen ist

BDance_Goodbye@TANZweb.org_Klaus-Dilger

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