schrit_tmacher justDANCE! – OFF Festival

„No fat, no fem, no asian“?

Yang Zhen zeigt im Rahmen des schrit_tmacher-Festivals in Heerlen, das auch schwule Identität komplexer ist als man vermuten mag und das Konzept von Männlichkeit sowieso.

von Rico Stehfest

HIER geht es zu unseren Videoimpressionen

Es dürfte wohl kaum jemand davon ausgehen, die Welt schwuler Männer wäre eine als homogen zu betrachtende Gruppe. Wie komplex sich die Sache allerdings wirklich gestalten kann, lässt sich trotzdem mit einem Blick von außen kaum erahnen. Die Frage nach geschlechtlicher Identität im Kontext eines permanent hinterfragten weil instabilen Konzeptes von Männlichkeit fördert eine Diversität zutage, auf deren Basis eine so oft beschworene „Community“ gar nicht existieren kann und Illusion bleiben muss. Dabei wird es wenig überraschen, dass auch von schwulen Männern nicht selten pauschale Positionen bezogen werden, die in ihren holzschnittartigen Ausprägungen sehr schnell und gänzlich offen diskriminierenden Charakter erfahren. Ein solches Pseudo-Credo ist beispielsweise die Trias „No fem, not fat, no asian“, die weiterverbreiteter ist als einem lieb sein kann, natürlich geprägt durch ein Konzept von Maskulinität, wie es ein Ideal der westlichen Welt bildet.

Genau hier grätscht der Choreograph Yang Zhen mittenrein und lässt zwei asiatische Männer auf zwei Vertreter eben dieser westlichen Vorstellungswelt treffen. Da stehen sie nebeneinander, breitschultrig, behaart und mit dichtem Vollbart der Eine, eher schmal, unbehaart, fast androgyn wirkend der Andere. Und? Wann ist ein Mann ein schwuler Mann? Zwar ließe sich diese Reflexion durchaus mit dem Begriff des inneren Kampfes belegen, Yang Zhen setzt das aber gerade nicht in eine vordergründig expressive Formensprache um.

DESTINATION_YANG-ZHEN©TANZweb.org_Klaus-Dilger

DESTINATION_YANG-ZHEN©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Neben vier Mülleimer sind die vier Performer zunächst gruppiert. Regenbogenfarben prägen das Bild. Alles so schön bunt hier? Der Eindruck täuscht. Die Farben allein machen es eben nicht. So gesehen ließe sich formulieren, die entsprechende farbige Ausleuchtung eines Fußballstadions wäre da nicht mehr als eine Geste und als solche eigentlich weniger politisch entscheidend, als man in den letzten Wochen hätte annehmen können.

Auch für die vier Performer ist das Leben also nicht rosarot. Da wird ganz zu anfangs der Text zu Edith Piafs „La vie en rose“ von einer weiblichen Stimme aus dem Off zitiert, als handle es sich um eine Durchsage für die nächsten Anschlüsse am Bahnhof Fulda. Kalt, emotionslos. Die Performer stecken in einfarbigen Kostümen, gelb, blau, rot … In ihrem Design schwingen sie sich irgendwo zwischen Aerobic der 80er und dem Outfit eines Ringers oder Wrestlers ein. Gerade hier darf man sagen: Das ist camp. Genau so camp kommt auch die Performance daher. Es ist ein Austesten der Körper: Da wird in schönster feministischer Manier über den Tanzboden gestöckelt. Dann wieder gibt es kaum etwas zu sehen, zu erfahren, weil so gut wie nichts geschieht. Ein wenig erinnert das an das (mitunter für westliche Rezipienten etwas langatmige) Erzählverhalten asiatischer Filme. Darauf muss man sich einlassen können. Hier ist dem Publikum zwangsläufig einiges fremd. Genau darum geht es. Denn: Wie soll man Männlichkeit performen, ganz konkret noch schwule? Tuckig? Butch? Eine solche Identität ist heute mehr denn je auch eine Frage der Wahl. Genau deshalb erscheint es ja eben gerade so herausfordernd, eine Quelle zu finden, aus der sich Selbstvergewisserung schöpfen lässt.

DESTINATION_YANG-ZHEN©TANZweb.org_Klaus-Dilger.

DESTINATION_YANG-ZHEN©TANZweb.org_Klaus-Dilger.

DESTINATION_YANG-ZHEN©TANZweb.org_Klaus-Dilger.

DESTINATION_YANG-ZHEN©TANZweb.org_Klaus-Dilger.

In dieser Performance finden sich trotzdem keine „Puppen“, werden keine Klischees präsentiert. Vielmehr gelingt die Sichtbarmachung der inneren Reflexion, ohne die Ergebnisse dessen zu stark auszustellen. Ja, ein bisschen Voguing ist dabei, ein bisschen Rumgepose. Das sind alles nur Exerzitien. Gehört ja schließlich trotzdem alles dazu. Wer oder was aber sind die Performer in den Augen des Publikums? Einfach „nur“ Männer? In einem längeren Monolog heißt es dann „Art is political!“, wird allerdings mit einem sarkastischen Lachen kommentiert. Hier ist wohl der Körper politisch. Es geht auch immer um Macht und Einfluss, wie das Publikum erfährt.

Die Kamera begleitet die Performance eher, als dass sie Eigenständigkeit transportieren würde. Da sind einige Momente für die Kamera nicht ausreichend ausgeleuchtet, da wird Gesprochenes zu weit von einem Mikro realisiert, ein paar Zooms fallen hektisch aus. Wenn plötzlich nur ein paar Füße gezeigt werden, bleibt unklar, wozu. Aber gerade hier geht das auf, denn damit wird einer Art rauem, ungestümem, unfertigen Charakter des inneren Reflexionsprozesses Rechnung getragen. Die Qualität der Rezeption per Stream leidet darunter zumindest nicht. Damit wird das Lebhafte, das am Leben sein auch ins heimische Wohnzimmer transportiert. Das alles lässt abschließende Erkenntnisse außen vor. Der Prozess erhoffter Identitätsfindung lässt sich nicht abschließen. Deshalb bleibt nur eins zu sagen: Prance, my Queen!

DESTINATION_YANG-ZHEN©TANZweb.org_Klaus-Dilger.

DESTINATION_YANG-ZHEN©TANZweb.org_Klaus-Dilger.