Aktualisierung vom 16.Mai 2025
Kürzungen in der Spitzen- und Exzellenzförderung NRW: Freie Szene bleibt unter Druck
Nach lautem Protest aus der Szene und breiter Presseresonanz hat Ministerin Ina Brandes die vergangene Woche bekanntgewordenen, dramatischen Einschnitte bei der Exzellenz- und Spitzenförderung für die Freien Darstellenden Künste an einigen Stellen abgemildert. Das sind Schritte in die richtige Richtung – die Gesamtförderstruktur ist jedoch deshalb noch lange nicht abgesichert.
16.05.2025 Seitdem am vergangenen Freitag drastische Kürzungen bei wichtigen mehrjährigen Förderlinien bekannt wurden, stand die Szene unter Schock. In einer von SPD und FDP beantragten „aktuellen Viertelstunde“ im Ausschuss für Kultur- und Medien im nordrhein-westfälischen Landtag verkündete Kulturministerin Ina Brandes am 15.05.2025 nun einige Veränderungen gegenüber den ursprünglichen Plänen.
Im Kulturausschuss bekanntgegebene Anpassungen:
Ausschreibung der nächsten Förderphase:
- Geplanter Start der neuen Förderphase der Spitzen- und Exzellenzförderung: 1.11.2025
- Übergangsphase angekündigt: Die aktuell in der Spitzen- und Exzellenzförderung geförderten Gruppen, deren Förderphase zum 30.6. ausläuft, sollen vom 1.7. bis zum 31.10.2025 eine Übergangsfinanzierung erhalten.
Veränderungen bei der Spitzenförderung Kinder- und Jugendtheater:
- Anpassung der Fördersumme: Die ursprünglich für die Zukunft ins Auge gefasste reduzierte Fördersumme von 30.000 soll auf 60.000 Euro angepasst werden (in der aktuellen Förderphase sind es 80.000 Euro jährlich).
- Auswahl: Das Auswahlverfahren (offenes Juryverfahren oder automatische Weiterförderung von vier bislang geförderten Gruppen) soll in Absprache mit Vertreter*innen der Szene entschieden werden.
In der Spitzenförderung Kinder- und Jugendtheater sollen demnach in Zukunft vier Gruppen 60.000 Euro erhalten, statt wie zunächst angekündigt 30.000 Euro. Außerdem wird nun doch ein offenes Juryverfahren in Aussicht gestellt statt einer automatischen Dauerförderung für einzelne Ensembles. Daran, dass 120.000 Euro aus der Ursprungssumme an institutionell geförderte Theaterhäuser umgeleitet werden sollen, ändert sich nichts. Von den ursprünglichen 480.000 Euro blieben also 360.000 Euro bestehen – jedoch fließen nur 240.000 Euro davon in die Förderung der freien Gruppen.
Somit entsteht hier nun auch eine Halbierung, genauso wie sie für die Exzellenz- und Spitzenförderung Theater für erwachsenes Publikum angekündigt wurde.
Die Gesamtersparnis in beiden Programmen für das Ministerium für Kultur- und Wissenschaft läge nach den aktuellen Planungen also bei 540.000 Euro im Jahr. Eine vergleichsweise kleine Summe, die jedoch für große Verunsicherung sorgt.
Einer der Hauptforderungen der Akteur*innen und auch des NRW LFDK, in der für die Künstler*innen existenzbedrohlichen Lage zumindest eine Übergangsfinanzierung zu schaffen, wurde nachgekommen. Die neue Förderperiode solle nach einer Übergangsphase bis Ende Oktober nun am 01.11.2025 beginnen.
Diese Überbrückungsfinanzierung ist ein sinnvoller Schritt, um eine sofortige Abbruchkante zu vermeiden und überhaupt wieder eine Gesprächsbasis mit Akteur*innen und Fachverbänden zu schaffen. Was der nun bekannt gegebene Termin und die anderen Rahmenbedingungen für ein Ausschreibungs- und Juryverfahren bedeuten, muss in den kommenden Wochen besprochen werden.
Mehr als eine kurze Atempause verschafft dieses Entgegenkommen jedoch nicht. Eine Kürzung um die Hälfte bleibt ein drastischer Einschnitt, der sich zudem empfindlich auf alle Förderprogramme auswirken wird.
Bemerkenswert ist aber, dass in der Ausschusssitzung mehrfach darauf verwiesen wurde, dass nun zwar unbestritten gekürzt werden müsse – das Budget für die Freie Szene aber insgesamt seit 2017 massiv erhöht worden sei.
Das ist faktisch richtig, jedoch verbirgt sich dahinter kein kontinuierlicher Aufwuchs, sondern im Wesentlichen der einmalige Sprung, den die Vorgängerregierung 2018/2019 initiiert hat; eben um genau das System zu etablieren, das nun bedroht ist.
Während der Legislatur der jetzigen schwarz-grünen Regierung sind bislang keine nennenswerten Summen dazu gekommen. Und das, man mag es kaum noch erwähnen, obwohl der Koalitionsvertrag einen Aufwuchs des Kulturetats von 50 Prozent vorsieht.
Auch der Freien Szene ist klar, wie sich die welt- und finanzpolitische Lage entwickelt hat. Aber ein Plus von 50 Prozent anzukündigen und dann bei zentralen Förderprogrammen mit 50 Prozent im Minus zu landen – das bleibt inakzeptabel! Wir appellieren hier erneut an die regierungstragenden Fraktionen, diese Härte mit dem Haushalt 2026 zu korrigieren.
Ein kleines bisschen Hoffnung macht die Aussage von Ina Brandes, es handle sich bei der Exzellenz- und Spitzenförderung um das Budget, das man „jetzt“ sicher zusagen könne. Im Umkehrschluss ließe sich daraus lesen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Der Ministerin war es zudem sehr wichtig zu betonen, dass jenseits der Finanzen die Struktur der Förderprogramme als solche für sie nicht infrage stünde.
Ob es eine Strukturveränderung ist oder „nur“ eine Kürzung, wenn aus einem Förderprogramm für Freie Gruppen nun ein Teil an Theaterhäuser gehen soll und die Fördersumme für eine Gruppe der Antragstellenden verändert wird, darüber ließe sich sicherlich vortrefflich streiten. Aber das ist nicht zielführend.
Viel wichtiger ist es, jetzt nicht aus dem Auge zu verlieren, dass die Spitzenförderung nur ein Baustein der Gesamtförderarchitektur ist. Und dieser wurde nur deshalb singulär verhandelt, weil der Zeitdruck hier am unmittelbarsten war. Solange es aber keine verbindlichen Aussagen zur Zukunft des gesamten Systems gibt, kann von stabilem Strukturerhalt noch lange nicht gesprochen werden.
Auch die nicht minder wichtige Konzeptionsförderung müsste normalerweise mittlerweile bereits ausgeschrieben sein. Und neben den Förderprogrammen speziell für die Darstellenden Künste wächst gerade auch die Sorge um ergänzende Programme wie die Internationale Kulturförderung: Nach langen Zeitverzögerungen bereits in den vergangenen Förderrunden lassen sich nun gerade – entgegen der jahrelangen Praxis – zumindest keine Antragsfristen mehr auf den Seiten des MKW finden.
Die Ministerin betonte auch gestern wieder mehrfach, die Haushaltslage verlange es „auf Sicht zu fahren“. Wünschenswert wäre es, dass sich dabei der Blick nicht nur auf die “Spitze des Eisbergs“ richtet, sondern auf alle jetzt schon absehbaren Folgeprobleme, die unter der Wasseroberfläche bereits klar erkennbar sind.
Wir hoffen, dass hierüber zeitnah konstruktive Gespräche geführt werden können und stehen gerne nach wie vor dafür bereit.
NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste