„Sweet Mambo“ wieder aufgeführt

Bitte, nicht vergessen….

„Sweet Mambo“ ist ganz grosses Kino, zart, humorvoll, melancholisch, zuweilen brachial und dramatisch,… ein Abschied – HIER geht es zu unseren Videoimpressionen

Nachtbesprechung von Klaus Dilger

Während der Proben für sein Stück, das später „Bon Voyage, Bob“ heissen sollte, hatte Alan Lucien Øyen in einem Interview gesagt, es sei wunderbar mit den Künstlerinnen und Künstlern des Tanztheater Wuppertal zu arbeiten, weil man hier nichts mehr beweisen müsse, denn Pina Bausch habe bereits alles schon ausprobiert.

In diese Einschätzung gehören sicherlich Bauschs Ideen für „Sweet Mambo“, das der sympathische Norweger nun gemeinsam mit Azusa Seyama und Robert Sturm als Probeleitung zur Wiederaufführung begleitete: Bis auf die Projektionen und das Lichtdesign übernahm die Tanztheaterikone eins zu eins das Bühnenbild von Peter Pabst aus dem, ein Jahr zuvor entstandenen, Stück „Bamboo Blues“ ebenso wie die Materialsammlung und Fragen, die für Pina Bauschs „Indien-Stück“ auf der Reise entstanden sind, an der die Tänzerinnen und Tänzer dieser aktuellen Wiederaufnahme, bei der Naomi Brito Regina Advento ersetzte, nicht teilhaben konnten.

Sweet-Mambo_Pina-Bausch©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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Es sollte Pina Bauschs letzte Arbeit überhaupt sein für „ihre Perlen“, wie sie einmal sagte und deren Namen man nicht vergessen sollte, dafür hat sie selbst in „Sweet Mambo“ gesorgt: „nicht vergessen, mein Name ist…“: Julie Shanahan, Julie-Anne Stanzak, Nazareth Panadero, Aida Vainieri, Helena Pikon und Regina Advento, wie Naomi Brito stellvertretend buchstabiert und deren Namen sich die Zuschauer nun bitte auch merken sollten.
Eine Ehre, die den Männern nicht zuteil werden soll, die im Übrigen ohnedies den gesamten ersten Teil des Abends damit beschäftigt sein werden, den Diven, und diese Bezeichnung ist hier einmal erlaubt und mehr als berechtigt, zu Diensten zu sein. Erst im zweiten Teil werden auch sie ihre Soli haben: Michael Strecker, Andrey Berezin und Daphnis Kokkinos. Dass sie nicht minder Anteil hatten am Erfolg dieses Stückes versteht sich von selbst
Wer dies nun zum Anlass nehmen möchte, hierin und hiermit einmal mehr der Choreografin überkommene Rollen-Klischees zu unterstellen, der übersieht, dass sie schon „Genderfluidity“ buchstabieren konnte, ehe dies zum gesellschaftlich guten Ton gehören sollte.

Sweet-Mambo_Pina-Bausch©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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„Sweet Mambo“ ist ein starkes und gleichzeitig fragiles Stück, weil Menschen um die es stets geht bei Pina Bausch, eben genauso sind. Dies macht die Choreografin bereits im ersten Bild deutlich, als Naomi Brito mit einer Klangschale auf die Bühne kommt, diese in Schwingung versetzt bis sie klingt und Andrey Berezin diesen zarten Klang einfach wegpusten kann. Dann betritt ein weiterer Star die Bühne, der diese schon lange verlassen hat: Marion Cito, verkörpert durch ihre Arbeiten, die dem Publikum einmal mehr den Atem raubt mit ihren grandiosen Roben, die die Tänzerinnen beflügeln und gleiten lassen.

„Sweet Mambo“ ist auch kein Familientreffen. Hier werden durchaus Risse, Gräben, Verletzungen und Verletzlichkeiten sichtbar, die mit einem Prösterchen und „brush“ oder „blush“, die elegantere Fassung von „cheese“ beim fotografieren, nicht übertüncht werden können.
Nazareth Panadero lacht schon mal in die Tüte, solange es noch was zu lachen gibt: „ist für später“ krächzt sie in ihrem unverwechselbaren Timbre.

Sweet-Mambo_Pina-Bausch©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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„Sweet Mambo“ ist ganz grosses Kino, zart, humorvoll, melancholisch, zuweilen brachial und dramatisch, nicht nur als Stummfilm-Projektion auf den weissen, im Wind flirrenden oder sich wogenden Stoffbahnen, aus denen das Bühnenbild von Peter Pabst besteht.
Wer die grössten Namen im Film nimmt, die ihm einfallen und damit einen fiktiven Film besetzt, der oder die kommt dem Bühnengeschehen schon sehr nahe.

Sie alle wurden schon namentlich erwähnt, ihr Können, ihr Humor, ihre Eleganz und Schönheit, ihre Präzision auch bei absoluter Authentizität macht sie zu dem was sie sind: Idole und Ikonen des Tanztheaters von Pina Bausch und damit unvergesslich und unverwechselbar.

„Sweet Mambo“ wird auch zur Abschiedsvorstellung dieses „Starensembles“, das hier zum letzten Mal in dieser Konstellation auf der Bühne gestanden hat. Es ist ein Abschied der traurig machen könnte. Wer aber das Glück hatte zu erleben, wie in der Generalprobe die Absolventinnen und Absolventen der Folkwang Hochschule, des Instituts für Zeitgenössischen Tanz, ihren Idolen mit standing ovations für ihr Lebenswerk dankten und der Eine oder die Andere vielleicht das Zeug dazu haben wird, in ihre Fußstapfen zu treten, dem wird zumindest in dieser Hinsicht nicht bange werden um die Zukunft. Ob diese dann in Wuppertal stattfinden wird oder anderswo, werden die kommenden Jahre zeigen müssen.

Sweet-Mambo_Pina-Bausch©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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