Urban Arts Ensemble eröffnet MOVE! in Krefeld
Dunkle Nacht
“CRACKS” von Rauf Yasit und den sieben Tänzerinnen und Tänzer des in 2023 gegründeten Ensembles in der Krefelder Fabrik Heeder und HIER geht es zu unseren Videoimpressionen des Stücks
von Klaus Dilger
Es beginnt mit einem rhythmischen Stampfen im Dunkel der Bühne, Es müssen mehrere sein, die sich da zu einem gemeinsamen Herzschlag versammelt haben. Erst ganz sachte streicht das spärliche Licht über eine Gruppe schwarz Gekleideter, ihre Kapuzen über den Köpfen machen sie unkenntlich. Sie bilden einen pochenden Organismus, ein Herz, das kreisend, pulsierend sichtbar wird, ehe es sich langsam in einer Linie auflöst. Die Linie wird zu einer Welle, zu Menschen, die sich einem Sturm entgegenstemmen, als würden sie dem weiten tosenden Meer trotzen wollen, auf das sie hinausblicken. Doch hier ist kein Wasser, nirgends, nur weisser Staub, wie eine Schicht abgebröckelter Kalk, der sich über die Sieben gelegt haben muss und nun nach und nach aus Kleidung und aus Haaren, die die Kapuzen freigegeben haben, heraus staubt und den schwarzen Boden bedeckt, der beinahe nahtlos in eine schwarz schimmernde Metallwand übergeht, auf der vage schwarze Graffiti-Zeichnungen auszumachen sind.
Es ist ein dunkler Kosmos, in den die sieben Tänzerinnen und Tänzer den Staub aus den Rissen, den Cracks, ihrer Lebensereignisse getragen haben und von dem sie sich nun tanzend zu befreien suchen.
Dies geschieht zumeist als Soli oder in Duetten, selten als ganze Gruppe gemeinsam, die Rauf Yasit für das und mit dem Urban Arts Ensemble choreografiert hat. Doch wie auch immer die Konstellationen auf der Bühne agieren, Jede und Jeder scheint doch immer allein oder auf sein Spiegelbild zurückgeworfen zu sein. Und selbst wenn es einmal eine gefühlvollere Annäherung gegen Ende des sechzig Minuten langen Stückes gibt, dann erinnert der Soundtrack von Kilian Unger irgendwie an Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ und der Stuhl, der aus dem Duett ein Trio werden lässt, wird zum Hindernis oder zeigt, hier gibt es nur diesen einen Platz, den Jeder irgendwann für sich alleine behauptet. Die Rosen, die lange zuvor von der Tänzerin auf die Bühne geworfen wurden, schmecken wie bitteres Rot, als wäre alles ein Kreislauf ohne jede Hoffnung.
So endet das Stück mit einem Blick in den Spiegel, nachdem die Gruppe die stampfenden Kreisbewegungen wieder aufgenommen hat. Diesmal sind es Individuen, ihr Stampfen ist kein Herzschlag mehr, kein Organismus, das Gemeinsame ist die pulsierende Wut des Einzelnen geworden.
Das Licht auf der Bühne erlischt langsam und man wundert sich über diese Wahrnehmung, erschien doch gefühlt das ganze Stück ohne den kleinsten Lichtstrahl ausgekommen zu sein.
Das Publikum applaudiert und beklatscht frenetisch diese dunkle Hoffnungslosigkeit, mit der es in eine ebenso dunkle Nacht entlassen wird, die die Weltgemeinschaft in dieser Zeit umgibt.
Choreographie: Rauf Yasit · Choreographische Assistenz: Christian Zacharas · Tanz: Jari Harder, Jonas Krämer, Maksim Kuznetsov, Tonia Kyriakou, Maryline Ogboko, Melena Tortoh, Leo Vara · Dramaturgie: Sebastian Bös · Bühne: Aaron Stratmann · Kostüm: Frederike Coors · Sounddesign: Kilian Unger · Lichtdesign: Birk-André Hildebrandt · Licht: Moritz Bütow · Künstlerische Leitung Zekai Fenerci · Assistenz der Künstlerischen Leitung: Uta Graßhoff · Produktionsleitung: Maryline Ogboko · Produktionsassistenz: Eva Pageix