Einmal auf der Bühne sterben…

Zur bodytalk Premiere von „Alte Bekannte | bekannte Alte“ im Theater im Pumpenhaus Münster

Yoshiko Waki und Rolf Baumgart sind bodytalk und immer für eine Überraschung gut, selbst mit „alten Bekannten“, was hier durchaus nicht nur die beteiligten Künstler_innen meint.

Nachtbesprechung von Klaus Dilger

Niemand recycled die eigenen Stückideen so gut und überwältigend wie bodytalk, die sich stets getrauen das pralle Leben auf die Bühne zu wuchten, das ja bekanntlich auch nicht frei ist von Stereotypen und Geschmacklosigkeiten. Wie sie das machen, ist einfach gut, frech und punkig und ihre neun Protagonist_innen plus exzellentem Live-Musiker folgen ihnen mit Authentizität und sichtbarer Freude, seien sie nun fünfundzwanzig oder achtzig.

Timo von der Horst sorgt mit seiner Lichtführung dafür, dass die Architektur des Stückes in spannenden Bildern sichtbar wird und Rafael Weisz einmal mehr für das Erstaunen bei bodytalks perfekter Musikdramaturgie, welch breites Spektrum an Soundgebäuden und Inhalten ein einzelner Musiker in den Bühnenraum zaubern kann.

Alte-Bekannte-Bekannte-Alte@TANZweb.org_Klaus-Dilger

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Wo andere Millionen an Fördergeldern dafür bekommen, dass die Tänzer_innen „weiter tanzen“, wenn sie die sechziger Marke überschritten haben, scheint dies für bodytalk, „exzellenzgefördertes“ Aushängeschild des Tanzes aus NRW, selbstverständlicher Teil ihres Anliegens zu sein: „Einmal Tänzer_in – immer Tänzer_in“ untertiteln sie ihr neues Werk, das in der kommenden Woche in Berlin zu sehen sein wird, ehe es auf Tournee gehen wird.

bodytalk spannen den Bogen von klamaukhaften Szenen, denen oft eine Tragik innewohnt, bis hin zur letzten Waschung ihrer ältesten Protagonistin durch das gesamte Ensemble in wunderbar sanften Bildern, ehe sie als Schamanin wiederkehrt. Doch die Welt ist nicht schöner geworden. Der Tod ist nicht immer ein sanfter Bruder und oft erinnern die letzten Bilder des Stückes an Dantes „Fegefeuer“.

Alte-Bekannte-Bekannte-Alte@TANZweb.org_Klaus-Dilger

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Verwundert stellt man angesichts diesen Endes in triebhaftem Taumel fest, dass dieses neue Werk keineswegs das Gemüt belastet. Ist es die Grausamkeit einer kriegerischen Wirklichkeit, die kaum noch jemand in Europa für möglich gehalten hatte, die uns hat abstumpfen lassen? Oder ist die Unerschrockenheit, mit der Waki, Baumgart und ihre Protagonist_innen auf das Leben blicken, die Mut und Zuversicht und bisweilen sogar Heiterkeit hinterlassen haben?

Ein absolut sehenswerter Abend – hoffentlich bald wieder in unserer Region zu sehen.

Unsere Video-Impressionen folgen.

Es tanzten: Anna Katalin Nemeth, Antje Rose, Christa Reissmann, Krzysztof Raczkowski, Marion Amschwand, Osvaldo Ventriglia, Pawel Malicki, René Haustein, Ziv Frenkel.