Hanna Koller im Gespräch mit unserer Redaktion
Anlässlich der Vergabe des Kulturpreises Köln an die Kölner Tanzkuratorin Hanna Koller führten wir mit ihr ein Gespräch über Gegenwart und Visionen für den Tanz in Köln
Red.: Hanna Koller, ganz herzliche Gratulation zum Kölner Kulturpreis 2018! Überrascht Dich diese Auszeichnung und Anerkennung zum jetzigen Zeitpunkt?
Hanna Koller: Ja, das hat mich total überrascht. Also das hat nichts mit dem Zeitpunkt zu tun, sondern eher damit, dass der Tanz in Köln, abgesehen von den Preisen die die SK-Stiftung alljährlich vergibt, eher nicht beachtet wird. – Und ich bin ja auch keine Intendantin. Und gerade beim Kulturrat. Ich weiss, dass Karin Beyer (die ehemalige Intendantin des Schauspiel Köln) mal den Preis bekommen hat und ich glaube Louwrens Langevoort (Intendant der Philharmonie Köln), da bin ich mir jetzt nicht so ganz sicher, also eher die „grösseren Fische“ im Kulturbereich.
Red.: Ja, aber Du bist natürlich das Gesicht des Tanzes in Köln für den Kulturrat.
Hanna Koller: (lächelt bescheiden und nickt)
Red.: Muss man sich da auch ein wenig Sorgen machen, dass, neben der Anerkennung Deiner Leistungen, die Sparte TANZ in Köln vielleicht auch das Gefühl vermittelt, dringend Unterstützung zu benötigen?
Hanna Koller: Nein. Unterstützung brauchen wir natürlich schon, da wir gerne die Zusammenarbeit mit Richard Siegal und seiner Compagnie fortsetzen würden, und da ist natürlich auch die Stadt und Land gefragt. Das wäre schön, wenn sie uns da unterstützen würden. Also ich denke schon, dass der Tanz ja immer auf wackligen Beinen steht und durch eine solche Residenzcompagnie wie Richard Siegal würde er natürlich auf andere Beine gestellt…
Red.: … Er würde stärker, auf jeden Fall…
Hanna Koller: Ja.
Red.: Es ist ja noch nicht allzu lange her, da mussten wir (Anmerkung der Red.: 2012-14) gemeinsam um den Erhalt der Tanzgastspiele an den Bühnen kämpfen, was glücklicher Weise auch gelungen ist, wenngleich der Etat für die Gastspiele damals nahezu halbiert wurde und seither auf diesem Stand geblieben ist. Lassen sich auf dieser Basis denn Utopien für den Tanz in Köln entwickeln und in Realität verwandeln?
Hanna Koller: Erst einmal muss ich korrigieren: der Tanz bekommt ab dieser Spielzeit einhunderttausend Euro mehr…
Red.: Das ist schön…
Hanna Koller: … Ja, und das war schon auch mal Zeit, finde ich, das war etwas, wo ich persönlich jetzt nicht darum gekämpft habe, sondern das hat die Politik eingestellt. Und ja, ich finde schon man kann mit dem was da ist, und es wurden ja auch jetzt gerade mit Richard Siegal, mit dem wir eine eigene Produktion gemacht haben, durchaus auch Dinge verwirklicht.
Red.: Aber das setzt ja doch wahrscheinlich zusätzliche Partner voraus?
Hanna Koller: Ja, genau.
Red.: Die jetzt begonnene Spielzeit stellt ja gleichzeitig auch das letzte Jahr in der Co-Operation mit Richard Siegal’s „Ballet of Difference“ dar, die auf vorläufig drei Jahre beschlossenen wurde. Welches Resümee lässt sich bisher ziehen und wie wird es weiter gehen?
Hanna Koller: Also wir denken und haben das auch so empfunden, das hat unheimlich gut funktioniert. Wir hatten ja auch Workshops, die sehr gut angenommen wurden, mit Richard Siegal selbst, der einen Trendworkshop gemacht hat mit Hochschule für Zeitgenössischen Tanz zusammen, mit Laien, mit freien Tänzern. Die Vorstellungen von Richard Siegal waren alle super gut besucht. Er ist ja auch sehr offen und lässt sich auf Einiges ein. Der Höhepunkt ist jetzt eben diese eigene Produktion. Also wir denken schon, dass er nach Köln sehr gut passt, dass es Sinn macht, jetzt mit ihm nochmals weiter zu arbeiten. Was halt einfach problematisch ist, ist dass wir bisher nicht in der Lage sind die Tänzer fest anzustellen oder auch nicht für einen gewissen Zeitraum. Das ist die Crux mit Richard Siegal und seiner Compagnie, dass eben immer nur Stückverträge geschlossen werden können, und dann ist ein Stück erfolgreich und kann trotzdem nicht mehr touren, weil die Tänzer schon anderweitig verpflichtet sind. Deswegen wäre eigentlich unser Bemühen oder unser Wunsch, die einfach für einen gewissen Zeitraum fest anzustellen, damit man die Tänzer dann auch für Gastspiele verpflichten kann.
Red.: Wie wichtig sind denn Uraufführungen angezeigter Choreografen im Rahmen von tanz.koeln, zumal die Stadt seit nunmehr einigen Jahren nicht mehr unbedingt auf der Agenda der nationalen und internationalen Feuilletons steht?
Hanna Koller: Also natürlich ist es immer gut und wir hatten das auch gemerkt, als wir die Uraufführung von Richard Siegal hatten, dann waren eben alle da, die SÜDDEUTSCHE, die FAZ, … es ist natürlich schon nochmals anders, die Journalisten aus aller Welt anziehen zu können. Wir hatte eine wahnsinnige Presse, die wir sonst natürlich nicht haben, wenn ich Gastspiele einlade, die natürlich schon an diversen Orten gezeigt wurden. Das ist ein Ding. Ich finde aber auch, dass eine Stadt wie Köln, indem sie, indem die Bühne, in eine Uraufführung investiert und den Boden dafür hergibt, den Raum und die Kapazitäten, dass das auch unsere Pflicht ist. Also man kann nicht immer nur das Sahnehäubchen der internationalen Tanzszene abnehmen, was ich ja tue und was auch sehr gut funktioniert, aber mir ist es wichtig auch Risiko einzugehen und eine Uraufführung möglich zu machen, oder auch die Co-Produktionen mit Anderen und damit etwas zurückgeben, damit solche Produktionen überhaupt möglich sind.
Red.: Ich erinnere mich, als ich in Venedig sah, dass Wim Vandekeybus und ultima vez mit der Kölner Co-Produktion „Booty Looting“ zur Biennale eingeladen waren, …das hat schon etwas mit Einem gemacht…
Hanna Koller: Ja genau… das ist auch schön, wenn der Name einfach rausgetragen wird. Ganz klar.
Red.: In der Spielzeit 2018/19 wird als dritte Stufe der Kooperation eine Koproduktion zwischen Richard Siegal / Ballet of Difference und dem Schauspiel Köln entstehen. In diesem Crossover-Projekt werden Schauspieler des Schauspiel Köln und Tänzer der Kompanie gemeinsam auf der Bühne stehen. Diese Arbeit soll ebenfalls in München zu sehen sein. Kann man sich so einen Teil der Zukunft des Tanzes in Köln vorstellen? Ist dies denn auf Dauer mit Kölner Mitteln allein zu stemmen?
Hanna Koller: Also das ist auf Dauer so nicht zu realisieren. Dazu brauchen wir noch andere Gelder, um einfach die Tänzer fest zu engagieren. Er kommt jetzt für diese Produktion mit vier oder fünf Tänzern, aber die sind ja dann auch länger da. Das Schauspiel hat gesagt, „also für diese Produktion da investieren wir dann auch“ . Quasi an Stelle einer Schauspielproduktion kommt jetzt diese Produktion, aber grundsätzlich brauchen wir da noch andere Partner, um das zu stemmen.
Red.: Dieses Modell war ja mit Vandekeybus auch schon erfolgreich angewandt worden…
Hanna Koller: Ja, genau.
Red.: Ist das vielleicht auch auf die Zukunft betrachtet das richtige Modell?
Hanna Koller: Wir schauen jetzt einfach mal. Auch für Richard Siegal ist das die erste Arbeit mit Schauspielern. Also deswegen muss man einfach mal sehen ob das klappt.
Red.: Die Stadt hat im Mai 2017 auf eine Anfrage der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Köln und Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Rat der Stadt Köln (im Betriebsausschuss Bühnen) zur Weiterentwicklung der Sparte Tanz sehr ausführlich geantwortet. Dort wird eine Co-Operation wie mit Richard Siegal als „Kölner Weg“ bezeichnet und gleichzeitig aber auch über die Schaffung einer eigenen Compagnie mit 15 oder 20 Tänzern nachgedacht. Wie ist Deine Position hierzu?
Hanna Koller: Das ist ein Papier, wo wir angefragt wurden, ich glaube, das war (zeitlich) nahe an dem Kulturentwicklungsplan, was gibt es für eine Vision, was gibt es für Möglichkeiten? Und da haben wir verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt.
Das ist letztendlich dann auch Sache, ich weiss nicht, wer so etwas entscheidet, ob man gerne eine feste Compagnie hat, das geht meiner Meinung nach sowieso nur, wenn wir zurück sind am Offenbachplatz, weil wir einfach beim Interim keinen Ballettsaal haben, wir platzen räumlich aus allen Nähten. Also da ist es eben schon ein Kraftakt, eine solche Produktion mit Richard zu machen. Die Tänzer haben andere Bedürfnisse. Sie brauchen tägliches Training. Sie brauchen ihr Studio, was wir einfach nicht haben. Wir haben Probebühnen aber die sind nicht ausgerüstet wie ein Studio. Aber ich denke schon, dass es Ziel sein sollte, wenn wir irgendwann in das schöne, renovierte Haus umziehen, dass man dann darüber nachdenken sollte, eine Compagnie wieder zu installieren. Aber in welcher Form? Das sind eben Gedanken dazu, welche Grösse, ob mit einem festen künstlerischen Leiter, etc. … da gibt es ja alle möglichen Gedanken. Ich finde es schon schön, wenn man eine Compagnie hat und die Tänzer einfach vor Ort sind.
Red.: …die in die Stadt wirken…
Hanna Koller: Ja, die in die Stadt wirken. Ich bin immer ein wenig traurig, wenn die Compagnien da sind und da hat man zwei, drei schöne Abende und dann sind sie wieder weg.
Red.: Irgendwann wird ja auch in Köln das Haus am Offenbachplatz wieder eröffnen, was wird dies für den Tanz in Köln bedeuten, zumal dort ja keine Produktionsräume für den Tanz eingeplant wurden? Was bedeutet das auch für die Freie Szene, wenn irgendwann die Räumlichkeiten des Interims im Schanzenviertel frei werden?
Hanna Koller: Also das Depot ist natürlich ein supertoller Ort für den Tanz. Mein Wunsch wäre natürlich, dass Depot zu erhalten. Sowohl als Aussenspielstätte für das Schauspiel, als auch für den Tanz. Ich denke, das darf die Stadt nicht aufgeben. Auf der anderen Seite ist das eine Immobilie, die nicht der Stadt gehört und das ist letztendlich eine Entscheidung der Stadt. Aber ich denke, wenn sie sich für die Erhaltung des Depots entscheiden sollte, dann wäre es bestimmt auch ein Ort für die Freie Szene und natürlich auch für tanz.koeln. Die Gastspiele sind natürlich im Schauspielhaus und in der Oper wunderbar, aber zum produzieren und wenn man tatsächlich wieder über eine eigene Compagnie nachdenkt, über Residenzen, dann finde ich schon, dass es spätestens dann an der Zeit wäre etwas zu tun. Es gäbe bestimmt Möglichkeiten, dort eine Proben-Zentrum zu haben.
Red.: Soweit man hört, will Herr Bachmann das Depot ja auch behalten und die Freie Szene allein würde das Publikum sicherlich nicht in das Schanzenviertel locken können…
Wo steht denn die Freie Tanz Szene in Köln, der noch immer adäquate Produktions- und Aufführungsorte fehlen, um in relevantem Maße lokal, regional und überregional in Erscheinung zu treten?
Hanna Koller: Ich habe schon das Gefühl, dass das Thema „Tanzhaus für Köln“ noch nicht ganz vom Tisch ist. Aber es gibt auch ganz verschiedene Player. Da gibt es die TanzFaktur, die da ihr Konzept verfolgt und pusht. Dann gibt es den Gedanken, einen Teil des Depots bereit zu halten, das ist auch toll, aber da muss die Stadt natürlich auch wirklich Geld reinstecken, aber das muss sie überall, wenn man für den Tanz, für die grösseren Compagnien einen Spielort schaffen will, dann muss man Geld in die Hand nehmen, das ist nicht aus der Portokasse zu bezahlen.
Red.: Das wird die Stadt allein aber nicht stemmen können oder wollen. Wenn sich das Land jetzt für das geplante „Pina Bausch Zentrum“ in Wuppertal engagiert, dann ist die Wahrscheinlichkeit, sich zusätzlich in Köln für ein Tanzhaus zu engagieren doch sehr gering.
Hanna Koller: Ja? … (überlegt, zweifelt) Ja, aber da gibt es auch noch eine abgespeckte Version. Man könnte schon einen geeigneten Spielort für die grösseren Compagnien finden oder herstellen.
Red.: Es gibt ja auch ein Förderprogramm das sich „Doppelpass“ nennt und Freie Szene mit Stadt- und Staatstheater zusammenbringen will für einen begrenzten Zeitraum und dies finanziell unterstützt. Im Kleinen habt Ihr ja in der letzten Spielzeit etwas ähnliches versucht, indem Ihr zwei Kölner Compagnien eingeladen habt in der Oper Aufführungen zu zeigen. Diese haben wir in dieser Spielzeit vermisst…
Hanna Koller: Ja, aber die soll es in 2019 wieder geben. Das hat sich bewährt und die Intendantin, Frau Dr. Meyer, möchte das auch wieder machen. Da gibt es Gespräche mit dem Kulturamt und das wird auch kommen.
Red.: Lässt sich dieses Programm erweitern?
Hanna Koller: So lange wir noch nicht am Offenbachplatz sind, sicher nicht…. Wir kommen selbst mit Richard Siegal, der ja auch zur Freien Szene gehört, an die Grenzen, sowohl finanziell, als auch mit der Infrastruktur.
Red.: Wird von Richard Siegal ein Push für die Freie Kölner Szene ausgehen, oder gibt es hierfür zu wenige Berührungspunkte?
Hanna Koller: Er ist immer sehr offen was die Freie Szene angeht und auch in den Workshops, die er angeboten hatte, waren welche von der Freien Szene. Ich denke schon.
Es ist natürlich immer auch die Frage, wieweit die Szene mit seiner Arbeit etwas anfangen kann oder auch davon profitieren will. Er wird Workshops geben an der Hochschule, ist eigentlich offen für alle Projekte…. es gibt auch Berührungspunkte mit der Hochschule für Medien und mit den anderen Künsten.
Red.: Was für Wünsche hast Du für den Tanz der nächsten zehn Jahre in Köln?
Hanna Koller: Ich würde mir natürlich wünschen, dass es weiter so stabil bleibt, dass das Publikum weiter so mitgeht, dass es nicht immer nur an den Zuschauerzahlen bemessen wird, das ist für mich natürlich auch ein Druck unter dem ich stehe, und ich würde mir mehr Residenzen wünschen, also dass ich das machen kann. Für die Compagnie, und natürlich würde ich es mir auch für die Freie Szene wünschen, dass die Freie Szene einen Ort findet für grössere Produktionen und bessere Produktionsbedingungen.