Nächster Schritt für das geplante Pina Bausch Zentrum

Die erfolgreichen Architektenentwürfe des Wettbewerbs wurden gestern der Presse vorgestellt

Ab morgen sind die Entwürfe der Öffentlichkeit im Alten Schauspielhaus zugänglich: Die Ausstellung wird täglich Montag bis Samstag  von 11 bis 18 Uhr, Sonntag von 10 bis 16 Uhr geöffnet sein. Es werden spezielle Führungen angeboten. Nähere Informationen unter www.pinabauschzentrum.de.

Bericht zur Pressekonferenz von Klaus Dilger

ELF JAHRE…

Elf Jahre (!) nach dem Start der Umsetzung der Idee eines Pina Bausch Zentrums wurden gestern im Beisein von Ministerin Ina Brandes das Ergebnis des internationalen Planungswettbewerbs zur Entwurfsauswahl für das Pina Bausch Zentrum, genauer, die drei erstplatzierten Entwürfe hieraus, der Presse vorgestellt.

Die Stuttgarter Architektin Jórunn Ragnarsdóttir, Vorsitzende der Jury, stellte die Entwürfe vor und erläuterte aus Sicht der Architektinnen: „Für eine Kunst der Zukunft brauchen wir auch eine Architektur der Zukunft, die dieser Raum gibt. Für unsere Städte manifestiert sich darin die Zukunft des öffentlichen Lebens. Das Preisgericht war sehr angetan von der Vielfalt und Qualität der Entwürfe. Es hat sich bewährt, dass Stadt und Land gemeinsam mit den Nutzern – Tanztheater und Pina Bausch Foundation – die konkrete Utopie ebenso wie die Raumanforderungen in Workshops gut vorbereitet haben. Wir konnten wegweisende Entwürfe auswählen. Als Preisrichter*innen und Sachverständige haben wir die Qualität der architektonischen Entwürfe, die Umsetzung der kulturpolitischen Vorgaben, die Bedarfe der Nutzer, die Anforderungen an die Funktionalität und Machbarkeit wie auch der Verbindung zur Stadt beurteilt.“

Oberbürgermeister Uwe Schneidewind fügte hinzu: „… unsere Städte brauchen Zukunftsprojekte, die als Transformationsmotoren wirken. Ausgangspunkt sind der ungeheure künstlerische Mut und der tiefe Humanismus, die das Werk der herausragenden Künstlerin Pina Bausch prägen…“

Darin stimmte auch Kulturdezernent Matthias Nocke ein: „ … In Wuppertal wird damit ein internationales Produktions- und Aufführungszentrum entstehen, dass der Wahrung und Weiterentwicklung des Erbes der Ausnahmekünstlerin Pina Bausch verpflichtet ist und der Ort sein wird an dem die Fragen der Gegenwart künstlerisch und diskursiv verhandelt werden…“

Und auch Stefan Hilterhaus, der für das zu Grunde liegende inhaltliche Modell verantwortlich zeichnete, betont die Bedeutung der herausragenden Künstlerin, und die Verantwortung, nicht allein deren Namen zu nutzen, sondern wollte sich darauf besinnen, dass „… der Grundgedanke eigentlich auf dem Extrakt dessen beruht, wofür Pina Bausch steht, ihre Ehrlichkeit, ihre Einbindung und Wertschätzung jedes Einzelnen ihres Ensembles, ihre Fragen die sie mutig stellte und gemeinsam mit dem Ensemble behandelte… Fragen stellte, die damals noch tabu waren, aber die Gesellschaft beweg­ten.…“

Pina Bausch Zentrum Architekten PKTANZweb.org_Klaus Dilger

Pina Bausch Zentrum Architekten PKTANZweb.org_Klaus Dilger

Pina Bausch Zentrum Architekten PKTANZweb.org_Klaus Dilger

Pina Bausch Zentrum Architekten PKTANZweb.org_Klaus Dilger

Zentrales Anliegen aller Redebeiträge war die Einbindung der Menschen der Stadt in und für dieses grosse kulturelle Projekt, wissend, dass dies kein „Selbstläufer“ sein wird. Gerade aus diesem Grund schien das Kriterium, die Architektur müsse sich zur Stadt hin öffnen und ihre Menschen geradezu hineinziehen in das entstehende Gebäude-Ensemble, von entscheidender Bedeutung bei der Preisvergabe zu sein. Die Begründungen hierzu lesen sich äusserst spannend, weshalb wir sie im Anschluss veröffentlichen wollen.

Dass es nun zwar in den kommenden fünf Monaten zunächst um die inhaltlichen Detailplanungen, ebenso wie die Feinheiten der baulichen Ausgestaltung der Entwürfe geht, ist nur die eine Seite der Medaille einer sehr komplexen Reihenfolge von Entwicklungsschritten. Auf der anderen und leider wohl auch wichtigeren Seite bis zur endgültigen Entscheidung zur Durchführung, dürften stets die Finanzen und die Finanzierung des Projekts stehen: baulich und im laufenden Betrieb. Diese Entscheidung wird kaum vor September 2025 zu erwarten sein. Ob diese noch gelingt und ob dies so gewollt ist, bevor ein neuer Bundestag und in Wuppertal ein neuer Gemeinderat gewählt sein wird, ist fraglich.

Zwar hat sich Ministerin Ina Brandes in der Pressekonferenz stark hinter das Projekt gestellt, doch ob sich dies auch an den Finanzen ablesen lassen wird, ist noch offen.

Bisher ist von einer Baukostenbeteiligung des Landes in Höhe von 12,5 Millionen die Rede und der Bund will sich mit 29,2 Millionen, plus maximal 8 Millionen um Preissteigerungen zu den ursprünglich kalkulierten Kosten in Höhe von 58,4 Millionen auszugleichen. Diese Schätzungen wurden bereits in 2018 auf 83,5 Millionen korrigiert und liegen Heute bereits bei 104 Millionen, von denen die Stadt Wuppertal nach jetzigen Schätzungen rund 54 Millionen alleine stemmen müsste.

Hinzu kommen die laufenden Kosten, an denen sich der Bund zur Zeit nicht beteiligen will. Hier errechnete die beauftragte Firma actori in 2020 einen Zuschussbedarf für die ersten 4 Jahre (damals noch 2024-28) von geschätzt weiteren 52 Millionen, bei 532 Veranstaltungen. Die Grundlage für die Veranstaltungen bilden 174 Produktionen und Projekte bei einer Auslastung von 95% für das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch und zwischen 60- 80% für die anderen Veranstaltungen. Wir berichteten und kommentierten dies bereits zum damaligen Zeitpunkt als „Schönrechnerei“ und „Wunschdenken“. 

Inzwischen hat CORONA  die Welt der Darstellenden Künste zusätzlich belastet, insbesondere in Bereichen, in denen experimenteller gearbeitet werden soll und muss, tun sich die Veranstalter schwer, zu „alten“ Publikumszahlen zurück zu finden.

Ob Boris Charmatz, der neue künstlerische Leiter des Tanztheaters mit seinen eigenen Produktionen das Wuppertaler und das überregionale Publikum erreichen und auch nur annähernd 95% Auslastung erreichen wird, muss die nahe Zukunft zeigen.

KEINE ENTMUTIGUNG SONDERN ERMUTIGUNG

All diese Zahlen sollen keine Entmutigung darstellen, im Gegenteil: Das Pina Bausch Zentrum wird nur dann seine Wirkkraft entfalten können, wenn es nicht von Beginn an unter wirtschaftlichen Zwängen betrieben werden muss. Dafür wird es aber wohl den Bund brauchen und viel Phantasie, Arbeit und gute Kontakte, um dies noch zu erreichen. Ein „next Hauptstadt“ – Slogan wird dafür nicht reichen…

„arm aber sexy“

Im November werden es zwanzig Jahre, dass Klaus Wowereit mit seinem Slogan „arm aber sexy“ für Aufsehen gesorgt hatte. Gemeint war natürlich Berlin, aber da „Wuppertal das neue Berlin“ sein oder werden soll, (so zumindest ein Wuppertaler-Werbeslogan aus diesem Jahr), könnte das ja auch passen. Vielleicht lohnt sich sogar ein rückblickender Vergleich und die Frage wohin Wuppertal will?

Pina Bausch wollte in WUPPERTAL arbeiten, weil dies keine „Sonntagsstadt“ ist, Charmatz aber fragte (sich) unlängst öffentlich, könnte es das denn nicht werden? …. QUO VADIS WUPPERTAL? …aber auch das hatten wir schon mal gefragt.

Foto-Diller-Scofidio-Renfro-LLC-New-York

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Basis der Ausschreibung

Die neue Kultureinrichtung Pina Bausch Zentrum (Schauspielhaus, ergänzender Neubau und Sopp‘scher Pavillon) sollte ein exponierter, zeitgenössischer, zur breiten Teilhabe einladender, offener Ort für Wuppertal und die Kulturlandschaft in Nordrhein-Westfalen mit einem hohen Anspruch an Ökologie und Nachhaltigkeit werden. Die zentrale Herausforderung für die Ästhetik des Neubaus lag in dieser Öffnung und den Verbindungsachsen, sowohl innerhalb desBauwerks sowie in die Stadt. Es sollte in seiner zukünftigen Nutzung und Neuausrichtung ein nachhaltiges Zeichen des Selbstverständnisses der Stadtgesellschaft und ihrer Perspektiven setzen und zugleich nationale und internationale Strahlkraft entwickeln.

Das Pina Bausch Zentrum sollte nicht nur Zentrum für Exzellenz sein, sondern auf experimentelle Kooperation der vier Handlungsfelder untereinander setzen und als Haus mit anderen Zielen und als ein für möglichst alle gesellschaftlichen Gruppen »rund um die Uhr« offener Ort gestaltet werden. Hierfür war eine Transformation des bestehenden Theaterbaus notwendig.

Zur Umsetzung des Konzepts soll zum einen das bestehende Schauspielhaus im Wesentlichen erhalten, funktional ertüchtigt und modernisiert werden. Zum anderen soll ein Neubau mit einer Bruttogrundfläche von ca. 5.000 m2 entstehen, um den vier Handlungsfeldern ausreichend Platz zu bieten. Die Grundrisskonzeption, die Gestalt des denkmalgeschützten Schauspielhauses und des geplanten Neubaus sowie die Integration des sogenannten Sopp‘schen Pavillons am nordöstlichen Grundstücksrand in das Raumkonzept sollten im Rahmen des vorliegenden Wettbewerbs geklärt werden. Ebenso sollten Aussagen zur Freiraumgestaltung getroffen werden.

Die Stadt Wuppertal und die Nutzer erwarteten eine in städtebaulicher, gestalterischer, wirtschaftlicher und funktionaler Hinsicht zukunftsweisende und nachhaltige Lösung der Wettbewerbsaufgabe. Nachhaltigkeit, Strahlkraft und ästhetische Innovation, Transparenz und Offenheit waren nur einige Aspekte, die damit verbunden sind.

Den ersten Preis für die bedeutsame Bauaufgabe erhielt das Büro Diller Scofidio + Renfro LLC, aus New York (US). Der zweite Preis ging an das Büro Hascher Jehle Design GmbH aus Berlin. Den dritten Preis vergab die Jury an das Büro Auer Weber Assoziierte GmbH aus München.

Dies hat das Preisgericht in seiner Sitzung am Donnerstag, 1. Juni 2023 nach intensiver Prüfung und Diskussion entschieden. Den Vorsitz der Preisgerichtssitzung übernahm Frau Prof. Jórunn Ragnarsdóttir, Architektin aus Stuttgart.

Foto-Diller-Scofidio-Renfro-LLC-New-York

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Beurteilungstexte aus dem Preisgerichtsprotokoll

1. PREIS 

Das städtebauliche Konzept beruht auf zwei sich kreuzenden und stadträumlich prägenden Achsen. In Nord-Süd-Ausrichtung werden über ein auskragendes Volumen und das darin integrierte neue Eingangsfoyer, der bestehende Vorplatz mit einem neuen, zur Wupper hin ausgerichteten öffentlichen Platz verbunden. In Ost-West-Ausrichtung werden die bestehenden Gartenhöfe räumlich aufgenommen und in einem neuen, zentralen Performance-Hof, im Zentrum des kreuzförmigen Neubaus überführt.

Das weit auskragende und in den bestehenden Vorplatz hineinragende Volumen, das einen markanten, neuen stadträumlichen Auftakt erzeugt, ermöglicht durch das Anheben des Volumens die Eingliederung des Sopp‘schen Pavillons in das städtebauliche Ensemble und bildet zusammen mit dem Bestandsensemble eine bauliche Einheit, die eine unverwechselbare Identität für das neue Pina-Bausch-Zentrum stiftet. Die großzügige Überdachung markiert den neuen Haupteingang und heißt jeden willkommen. Sie bietet gleichzeitig Schutz vor der Witterung und Raum für informelle Aktivitäten, welche die Aktivitäten des Pina-Bausch-Zentrums (PBZ) sichtbar in die Stadt hineintragen.

Die industrielle Ästhetik, die den Verfassern für den Neubau vorschwebt, erinnert nicht nur an das industrielle Erbe Wuppertals, sondern suggeriert auch eine lockere Ausdrucksform, die der experimentellen Nutzung, die das PBZ beabsichtigt, entsprechen will. Auch wenn dieser Vorschlag überzeugt, wurde er kontrovers diskutiert, da er die Gefahr eines architektonischen Klischees birgt. Durch die diagrammatische Darstellung der Fassadendetails war es schwierig zu verstehen, welche architektonische und atmosphärische Qualitäten sich schlussendlich entfalten werden.

Die Klarheit der kreuzförmigen Geste führt zu einer mühelosen Orientierung und Verteilung der Funktionen – mit einem neuen Eingangsfoyer im Norden, dem großen polyvalenten Aufführungsraum im Süden, der »Küche« im Westen, die als soziales Bindeglied zwischen Neubau und Bestand fungiert, und einem Archiv- und Verwaltungstrakt im Osten. Der als öffentlich zugänglicher und im Freien liegende Performance-Hof, der das Herzstück des Projekts bildet, wird als zusätzlicher und willkommener Raum für informelle Aktivitäten gelobt. Gleichzeitig wurde der Perfomance-Hof aber auch kontrovers diskutiert, da er für die Belebung des Neubaus einer dauerhaften Programmierung und Kuratierung bedarf.

Die Idee des nach Süden ausgerichteten großen polyvalenten Aufführungsraums, der sich zur Wupper hin über ein klappbares Fenster zum neuen Landschaftsplatz öffnen kann, wurde trotz seiner technischen Herausforderungen, ebenfalls als eine starke Idee angesehen. Auch der Vorschlag, die bestehenden Terrassen des Schauspielhauses mit den Galerien des Performance-Hofs zu verbinden, wurde trotz ihrer schwachen architektonischen Form und Großzügigkeit, für die Belebung des PNZs sehr begrüßt.

Die vertikale Erschließung im östlichen Archiv- und Bürotrakt funktioniert nicht überzeugend und wird als optimierungsfähig. Ebenso sind die optischen und akustischen Trennungen der Funktionen im Neubau noch nicht überzeugend und funktionieren aus Sicht der Nutzer nicht gänzlich.

Denkmalfpflegerisch bestehen Bedenken hinsichtlich der Beeinträchtigung der Blickbeziehungen durch die starke Auskragung aus nordöstlicher Richtung. Gleichzeitig wird die zweigeschossige Aufständerung im Hinblick auf die Fußgängerperspektive demgegenüber auch positiv gesehen, da sie Blickbeziehungen auf den Bestand ermöglicht..

Das vorgeschlagene Konzept bedingt eine erhöhte Hüllfläche. Außerdem weisen die vorgeschlagene Baukonstruktion und Auswahl der Materialien auf einen erhöhten Kostenaufwand sowohl in der Herstellung als auch im Betrieb hin.

Foto-Diller-Scofidio-Renfro-LLC-New-York

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Freiraum

Der Neubau wird von zwei Freiraumachsen ergänzt, die die Innen- und Außennutzungen intensiv verbinden. Der neue Performance-Hof als Kreuzungspunkt der Achsen ergänzt in selbstverständlicher Weise die vorhandenen Höfe. Die teilweise überdachten Außenräume schaffen besondere Angebotsräume.

Der Vorplatz wird durch Pflanzflächen teilweise entsiegelt, ohne dabei seinen urbanen Charakter zu verlieren. Der Übergang zwischen dem historischen Platz und dem neuen nördlichen Platzband gilt es zu konkretisieren.

Die Verknüpfung des neuen Ensembles mit dem Wupperband und den seitlich liegenden Außenräumen überzeugt noch nicht.

Foto-Diller-Scofidio-Renfro-LLC-New-York

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