©TANZweb_bodytalk_Frauenbewegung
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DER TANZ IN KÖLN BRAUCHT DRINGEND KREATIVITÄT!

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NICHT NUR AUF DER BÜHNE
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MEHR GELD FÜR DIE FREIE SZENE – GESTERN WURDE DIE VERTEILUNG BESCHLOSSEN
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ein Kommentar von Klaus Dilger
ein Kommentar.
Gestern verabschiedete der Ausschuss Kunst und Kultur die Vorlage der Verwaltung bezüglich der Verteilung der sogenannten „Verstärkungsmittel für die Freie Szene im Haushaltsjahr 2017“ in Höhe von 1.175.000 Euro (ab 2018ff 1.000.000€) und stimmte damit einer Leitidee zu, die die Verwaltung in und mit den jeweiligen Förderkonzepten der einzelnen Sparten vorgegeben hat.
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Bei den Geldern handelt es sich sowohl um freie Projektmittel, als auch um zusätzliche Mittel der mehrjährigen Förderungen.
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In der Begründung für die Erhöhung von Projektmitteln heisst es unter anderem: „…In der Projektförderung werden die Ziele verfolgt einerseits höhere Projektkosten-Zuschüsse auszuzahlen, um die Honorarstruktur unter Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen verbessern zu können, sowie neue Förderinstrumente gemäß den entsprechenden Förderkonzepten einzuführen.“
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Dieser Vorgang ist deshalb insbesondere für den Tanz so bedeutend, weil sich die Politik damit vermutlich für die kommenden Jahre erst einmal in dem Bewusstsein „zurücklehnen“ wird, entscheidende Verbesserungen für die Freie Szene verabschiedet zu haben – oder einfacher ausgedrückt: das war’s dann erstmal!
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Hinzu kommt, dass das Tanzförderkonzept der Verwaltung aus dem Jahr 2011 dringend auf seine Reformierung wartet, was in dem Papier auch so vorgesehen ist. – Die Frage lautet nur wann und wie?


©TANZweb_Stephanie Thiersch_City Dances

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Zur Erinnerung: Noch immer wartet die Freie Szene auf ein „TANZHAUS“ in vergleichbarer Grössenordnung wie das „TANZHAUS NRW“ in Düsseldorf oder PACT Zollverein in Essen, – ein Tanzensemble an den Städtischen Bühnen, das die Tanzszene in Köln qualitativ prägen und beeinflussen könnte, wurde schon vor Jahren gestrichen, – ebenso wie zu weiten Teilen der Etat für die Tanzgastspiele an den Bühnen, die diesen Verlust übergangsweise kompensieren sollten, – es gibt kaum adäquate Spielstätten und Produktionsstätten für die Freie Tanzszene und die, in den letzten Jahren mit hohem Eigenrisiko entstandenen Strukturen, stehen auf (noch) schwachen Beinen.
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Im städtischen Tanzförderkonzept wird hierzu erkannt: „…Ohne die Schaffung eines eigenen Kölner Tanzhauses in der Größenordnung der beiden anderen NRW Tanzzentren ist das angestrebte Niveau indes nicht zu erreichen, da die Kölner Szene im NRW Vergleich und auch darüber hinaus nicht konkurrenzfähig sein wird…“ Die Produktionsbedingungen für den Tanz in Köln scheinen also dringend verbesserungsbedürftig zu sein!


©TANZweb_Overhead Project_Carnival of the Bodies

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WAS BEDEUTET DIE AUFSTOCKUNG DER MITTEL FÜR DEN TANZ?
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Im Vorfeld war häufig zu hören, dass insbesondere der Tanz von diesen Verstärkungsmitteln profitieren solle, zumal in dieser Sparte der Darstellenden Künste in Köln bekanntlich die strukturellen Defizite ausserordentlich hoch sind. De Facto aber hat die Politik gestern die Gelder mit der „Sparten-Giesskanne“ verteilt, anstatt Schwerpunkte zu setzen, getreu dem Motto: Alle erfreuen und keinen Unmut fördern – Natürlich, wer wollte denn auch bestreiten, dass die Freie Szene in allen Sparten untergefördert ist?


©TANZweb_bodytalk_Jewrope_Kölner Tanzpreis 2015

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Rein prozentual betrachtet  bedeutet die Erhöhung des jährlichen Budgets für den Tanz um 200.000 Euro tatsächlich stolze 33 Prozent an Zuwachs, doch veranschaulicht dieser in Wirklichkeit nur die drastischen Versäumnisse der Politik in den vergangenen Jahren. Und wenn sich manche auch wegen der Not im Tanz über den kurzen warmen Geldregen freuen mögen, so verkündet dieser vermutlich nichts anderes als die noch länger währende Trockenzeit bezüglich der wirklich entscheidenden Meilensteine, auf die der Tanz in Köln so dringend wie lange wartet: den Bau und die Bereitstellung von Infrastrukturen und Produktionsmitteln und ein finanziertes und finanzierbares Konzept, das die Hamsterräder entsorgt, in denen sich die Tanzschaffenden derzeit abstrampeln müssen. Vor diesem Hintergrund wird sich eine positive Wirkkraft dieser längst überfälligen Erhöhung, die über den Augenblick hinausreicht, nur durch eine kreative Verwendung dieser Mittel für den Tanz in und aus dieser Stadt entfalten können.
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©Werner Meyer_Gerda König_DIN A13_Body Realities

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WIE SIEHT DIE BISHER GEPLANTE VERWENDUNG AUS?
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Beschlossen wurde eine sehr moderate Erhöhung von jeweils 5.000 Euro für die drei konzeptionell geförderten Gruppen auf nunmehr 35.000 Euro jährlich, sowie den gleichen Betrag als Höchstförderung bis zu einer Gesamthöhe von dann 105.000 Euro für alle Produktionsorte zusammen, die freien Gruppen und Choreografen in Köln subventionierte Produktionsresidenzen bereitstellen. Vorgesehen sind ausserdem 70.000 Euro an Projektmitteln, die laut Beschluss des Ausschusses, vor allem zur Verbesserung der Honorarstrukturen der freien Künstler eingesetzt werden sollen.
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„Mit der verbleibenden Zusetzung von 100.000 Euro sollen Spitzenensembles der Kölner Tanzszene, die über das entsprechende Potential verfügen, unterstützt werden, speziell bei der Erarbeitung großer Produktionen, die z.B. in Zusammenarbeit mit den Städtischen Bühnen oder anderen großen Spielorten entstehen.“ heisst es weiter im gefassten Beschluss des Ausschusses.
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©TANZweb_RENEGADE | Herne | Bochum_BASMALA

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EIN SCHACHZUG MIT  POTENTIAL
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So sehr ein Ansatz zu begrüßen wäre, der nicht mehr Alles und Jeden mit Wenig fördern will, sondern sukzessive auskömmliche und leistungsgerechte Bezahlung künstlerischer Arbeit fördernd fordert – ein Ansatz, der gleichzeitig mit diesen Prämissen eine Förderstruktur entwickeln würde, die nach einer Einstiegs-Förderung für die talentiertesten Nachwuchschoreograf*innen und Tänzer*innen eine sinnvolle Struktur aufzeigt und finanziert, die von einem starken Mittelbau zu einer fundierten Spitze führt, – so sehr wird der akute Handlungsbedarf beim bestehenden Tanzförderkonzept der Verwaltung offenbar: Dieses schliesst bisher eine Doppelförderung aus, von der ausgerechnet die sogenannten „Spitzenensembles“ betroffen wären, die derzeit bereits mehrjährige Förderungen erhalten.
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Hinzu kommt, dass dieses Konzept im Höchstfall die zweimalige Vergabe der dreijährigen Konzeptionsförderung vorsieht. Hiervon betroffen sind gleich zwei der bisher so Geförderten.
„Nur in begründeten Ausnahmefällen, das heißt bei überragender künstlerischer Qualität, soll ein Empfänger mehr als zweimal in Folge vom Beirat vorgeschlagen werden können,“ heisst es hierzu. Ob der hierfür zuständige Beirat eine solch überragende künstlerische Qualität im kommenden Monat erkennen wird, wenn dann die Evaluierung deren Arbeit ansteht, muss als ungewiss betrachtet werden.
Noch unausweichlicher gestaltet sich die Situation für diejenigen, die eine dreijährige Projektförderung bereits zum zweiten Mal erhalten haben: ihnen bleibt nur der „Aufstieg“ in die Konzeptionsförderung, wofür dann entsprechend Plätze frei werden müssten, oder die Rückstufung in die Ungewissheit der jährlichen Antragstellung.

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Vor diesem Hintergrund ist die Gefahr für kurzsichtigen Aktionismus gross und alle Beteiligten, insbesondere die Tanzschaffenden der Stadt, wären gut beraten, dennoch nicht nur ihre Einzelinteressen im Blick zu haben.
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Die Verwaltung hat angesichts der Umstände richtig, ja sogar ausgesprochen klug gehandelt, indem sie eine Möglichkeit geschaffen hat, die Hälfte der zugesetzten Mittel eventuell sogar nur auf eine einzige Option zu setzen. Hierzu kann nur ermutigt werden, wenngleich hier der Betrag nicht isoliert betrachtet, sondern  konzentriert und fordernd eingesetzt werden sollte im Hinblick auf Nachhaltigkeit, auf Netzwerke und Partnerschaften, auch und insbesondere aus dem institutionalisierten Tanztheaterbetrieb und den internationalen Tanzgastspielen der Städtischen Bühnen und einem damit verbundenen möglichen Netzwerk und Koproduktionsmöglichkeiten, auf Distribution und Schaffung von gesicherten und versicherten Arbeitsplätzen für Tänzer und seien sie auch nur befristet, und ebenfalls im Fokus, auf die Gewinnung komplementärer Geldgeber. Dies alles würde sich nicht in einem Jahr erfüllen und der künstlerische und wirtschaftliche Erfolg lässt sich auch nicht mit Sicherheit erkaufen. Vielleicht bedarf es hierfür sogar einer Ensemble-Neugründung oder -ansiedlung? In jedem Fall aber bedarf es struktureller und infrastruktureller Partnerschaften, die damit wachsen oder daraus erwachsen. Auch hiervon wird der Tanz in Köln profitieren.
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Dies erfordert Mut, der dennoch alternativlos erscheint.
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Eingangs wurde darauf verwiesen, dass nach allen bisherigen Erfahrungen in Köln auf absehbare Zeit keine weiteren Mittelerhöhungen für die Freie Szene zu erwarten sein werden, die umfänglich an die nun erfolgten heranreichen werden, insbesondere dann, wenn sich in der Szene nichts Entscheidendes verändert. Die Option für solch Entscheidendes ist nun eröffnet!