Bilderschlachten | Batailles d’Images

Deutschlandpremiere in der Oper Bonn und im TANZHAUS NRW

Das wird mir zu bunt

Nach der Uraufführung im Mai im Theater von Nîmes und der Deutschlandpremiere beim Internationalen Beethovenfest in Bonn am 22.  September gastierte die große Produktion „Bilderschlachten – Batailles d’images“  von Stephanie Thiersch jetzt im Tanzhaus NRW in Düsseldorf

Kurze Nachtkritik von Melanie Suchy

Schlachten wir also die Bilder, dass das Bilderblut nur so tropft und die Bilder röcheln und japsen und sich krümmen und schließlich ihr Leben aushauchen. Falls sie denn eins hatten. Aber bekanntlich haben sie irgendwann mal laufen gelernt und laufen und laufen. Und drehen sich, schieben sich voreinander, laufen rückwärts, kollabieren, zerknittern, blähen sich auf, verwischen, verblassen. Werden vergessen.

Dieses Musik-Tanz-Stück namens „Bilderschlachten – Batailles d’Images“ der Kölner Choreografin Stephanie Thiersch schlägt sich bei dem Doppelsinn von „Schlachten“ eher auf die Seite des Schlachtens, nicht der Schlacht. Obwohl es Kämpfchen gibt. Das eine, uralte: zwischen Musik und Tanz. Am Ende, ja, siegt die Musik. Sie hat das letzte Wort, ein altes Wort. Auch hinterlässt sie während dieser eineinhalb Stunden den Eindruck, größer zu sein, komplexer, mehr zu sagen zu haben. Liegt es daran, dass man als Zuschauerin die Schlacht um die Bilder, die zu vielen Bilder, „images“, sowieso schon verloren hat? Ihnen nicht mehr (zu)traut? Oder daran, dass diese Bilder, sprich: die darstellerischen Vorgänge auf der Bühne, sie verlieren? Ein zunächst schüchternes Unentschieden bleibt zwischen den Schwächen. Doch auch Stärken und Starke haben diese „Bilderschlachten“.

Bilderschlachten_MOUVOIR©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Bilderschlachten_MOUVOIR©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Mächte

Schon das Zusammenkommen und –agieren von acht Tänzerinnen und Tänzern, dem Asasello-Streichquartett und dem Orchester Les Siècles samt Dirigent ist eine große Sache, dazu die Kompositionen von Bernd Alois Zimmermann und Brigitta Muntendorf, die musiziert werden. Doch da sich Zimmermann 1967 in seiner parodistisch-sarkastischen „Musique pour les soupers du Roi Ubu“ auf den Wahnwitz eines Herrschers bezog, den Ubu von Alfred  Jarry (1896), ist dem Groß-Sein hier eigentlich nicht zu trauen. Dem Beeindrucken, dem Anführen.

Das einfachste Sinnbild eines Chefs ist natürlich ein Dirigent. Das Orchester im Bühnenhintergrund sitzt hinter einer mal mehr, mal weniger durchsichtigen Gaze; der Dirigent, Benjamin Shwartz, bekommt zu Beginn einen Scheinwerferspot ab, der ihn wie den Mann im Mond aussehen lässt. Ein Kinderbuchbild. In einer der schönsten Szenen tritt Shwartz vor den dünnen Vorhang, plötzlich allein auf der Bühne, barfuß, in Stille, scheint er etwas  zu suchen. Der Spot findet ihn; gibt ihm einen winzigen Raum, in dem er einfach steht, langsam die Arme hebt, vor sich, neben sich, und leise schwankt, als höre er eine Musik, so ganz für sich. Nach einer Weile verdoppelt ihn eine kleine Gestalt mit Pferdeschwanz auf dem Dirigentenpodestchen, ihre Arme als Schatten seiner Arme, und dann beginnt das Orchester auf sie zu hören und spielt.

Bilderschlachten_MOUVOIR©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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