Verleihung der Kölner Tanz- und Theaterpreise

Die Gewinnerinnen sind: EL CUCO PROJEKT mit CAPTCHA und LISA KIRSCH

Der Kölner Tanztheaterpreis

Preisgeld 5.000 Euro, einmalig zur Verfügung gestellt von den Freunden der Tanzkunst am Deutschen Tanzarchiv Köln e.V. aus Anlass ihres 25jährigen Bestehens als Förderverein

Jury: Thomas Linden, Dr. Ruth Prangen und Melanie Suchy:

Geht an CAPTCHA,

Produktion: Sonia Franken / El Cuco Projekt Choreographie & Masken: Sonia Franken & Gonzalo Barahona, Koproduktion mit Barnes Crossing, Kunsthaus Rhenania, aufgeführt im Kunsthafen Köln

captcha©TANZweb.org_Klaus-Dilger

captcha©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Laudatio für den Kölner Tanztheaterpreis 2022 – „CAPTCHA“ von Melanie Suchy

Die Jury des Kölner Tanztheaterpreises, an deren Entscheidung ich in diesem Jahr zum letzten Mal beteiligt bin, entschied sich für „CAPTCHA“ von El Cuco Projekt als diesjährigen Preisträger. Das Stück trägt das Grenzüberschreiten oder das Grenzen verwischen im Titel und fängt auch so an, indem das Publikum schon beim Eintritt in den Aufführungsraum auf herumstehende und an Boden oder Säulen montierte Objekte und Sätze trifft sowie irrlichternde Figuren auf zwei Beinen. Kleckse und Papierknülle zeugen von Fehlern, die hier Programm scheinen. Etwas wie ein Fehler ließ ja auch – vor wieviel Jahren? – das eine Virus überspringen von Tier auf Mensch auf einem Markt weit weg in China. Vermutlich von: Fledermäusen. Als „CAPTCHA“ im Februar 2022 Premiere feierte im Kunsthafen in Köln, sprangen einem deshalb die Fledermäuse ins Auge. Visuell gemeint. Ihre riesigen glänzendschwarzen Kulleraugen, die hässlichen Schnauzen mit den Nasenhaaren, die Fellköpfe mit spitzen Ohren auf den feingliedrigen und nervös wirkenden menschlichen Körpern. Es sind diese hyperrealistischen Masken, für die El Cuco Projekt seit Jahren bekannt ist und die ihr „Alleinstellungsmerkmal“ sind, im Marketing-Sprech ausgedrückt. „Hyper“, weil sie viel größer sind als die realen Tierköpfe, die sie kopieren, aber auf die Menschen passen wie angegossen. Die Tänzerin und Choreographin Sonia Franken und der bildende Künstler Gonzalo Barahona begannen 2015 als El Cuco Projekt Performances zu schaffen mit solchen hybriden Kreaturen. Da begegnete man gesitteten Katzen und Vögeln, Echsen grinsten, krochen, lauerten und lungerten („Scream!ng Matter“); auch Fledermäuse tapsten schon durch Kulissen und kämpften mit dem Wiederholungsprinzip („Just before falling“). In „CAPTCHA“ schließlich werden sie zum Trio Hyperinfernale, das komplett furchtlos und mit kindlicher Frechheit eine Welt bevölkert, die aus Büro, Bühne und gemalter Naturkulisse besteht. Manchmal spreizen die Tänzerinnen ihre Finger und winkeln die Arme, so dass die Fledermaushaftigkeit vom Kopf auf den Körper übergreift. Andere Male tragen sie die Masken einfach wie Menschen, die beim Spielen dicke Köpfe haben. Oder sind sie eigentlich Tiere, die sich als Menschen ausgeben? Für dieses schillernd Uneindeutige braucht es gute Tänzerinnen, die „CAPTCHA“ eben nicht wie Theater aufführen, sondern als Tanz interpretieren: Daniela Riebesam, Margherita Dello – 2 – Sbarba und Jimin Seo. Genannt sei auch Carla Jordão, die Preisträgerin des Kölner Tanztheaterpreises 2019, die das Stück mitentwickelt hat. Die Grundidee von „CAPTCHA“ – Abkürzung für Completely Automated Public Turing test to tell Computers and Humans Apart – bezieht sich auf eine automatisierte Hilfe zur Unterscheidung von Maschinen und Menschen. Von Computern ist in der Performance zum Glück nichts zu sehen. Dafür feiert eine alte Schreibmaschine ihr Comeback. Comeback? Das Zurückkehren und der Rückbezug auf Bekanntes ist ein Ordnungsprinzip, mit dem unser aller Wahrnehmung funktioniert. Auch unsere Sehnsüchte. Wie sehr es aber trügt, kippelt und ausfranst: Das zeigt „CAPTCHA“ auf humorvolle Weise.

Ehrung Lisa Kirsch©Ulrich Vogt

Ehrung Lisa Kirsch©Ulrich Vogt

Der Kölner Darstellerpreis

Preisgeld: 3.500 €, bereitgestellt von der Sparkasse KölnBonn

Die Preisträgerin wurde ermittelt von den Jurymitgliedern des Kölner Theaterpreises, Kinder- und Jugendtheaterpreises sowie Tanztheaterpreises:

Geht an Lisa Kirsch, freischaffende Tänzerin

Laudatio für den Kölner Darstellerpreis 2022 – Lisa Kirsch

von Prof. Dr. Claudia Steinberg und Melanie Suchy

In den vergangenen zwei Jahren trafen massive Einschnitte insbesondere den Kultur- und Kunstbetrieb. Nahezu jede Spielstätte, jeder Kulturbetrieb und – das kann man so drastisch formulieren – jeder Künstler, jede Künstlerin war hiervon betroffen. Insbesondere Formate, die auf physischem Zusammentreffen basieren – von der Installation im öffentlichen Raum bis zum Museumsbesuch – wurden nahezu komplett ins Digitale verlegt oder verschwanden lange Zeit von der öffentlichen Bildfläche. Mit dem neu einsetzenden Normalzustand zeigten sich aber auch schnell die Grenzen dieser Form des Austauschs: Teilnahme, Teilhabe, Ko-Präsenz und Umgang miteinander konnten nicht immer gelingen. Die Maßnahmen wurden für jene Berufsfelder und Studiengänge besonders spürbar, bei denen physische Präsenz und Interaktion im Zentrum stehen, etwa in den darstellenden Künsten wie Theater und Tanz. Federn wurden gelassen, was mit Zahlen zu belegen ist: ein Rückgang an Studierendenzahlen im Tanz. Den Berufswunsch Tänzer*in/Choreograph*in/ oder Tanzvermittler*in zu formulieren, den Weg einzuschlagen und sich zu etablieren, bedarf in diesen Zeiten einer großen Portion Mut, Zuversicht und Selbstvertrauen. Die Jury sieht die Darstellenden im Bereich Tanz aber nicht nur den Herausforderungen der Pandemie ausgesetzt – schon vor 2020 bestanden extrem hohe Erwartungen an die in diesem Feld agierenden Künstler*innen. Vor allem Tanz genießt eine unglaublich breite gesellschaftliche Akzeptanz und ist über Tradition, Kultur und als Therapie, Sport oder Hobby tief in der Gesellschaft verwurzelt. Tanz spricht viele Gruppen zugleich an und verbindet sie. In diesen schweren Zeiten das Durchhaltevermögen aufzubringen, als professionelle Tänzerin zu bestehen, sich immer wieder an neue Formate zu wagen, hohe Flexibilität zu zeigen, in der Interpretation, dem Zuarbeiten und der Zusammenarbeit mit Choreographierenden, einen Wert zu erkennen, das bedarf der besonderen Würdigung. Der diesjährige Darstellerinnenpreis geht an die freischaffende Tänzerin LISA KIRSCH: Seit etlichen Jahren tritt sie auf den Kölner Bühnen – und nicht nur dort – in Choreografien auf, häufig in den Stücken von Emanuele Soavi, zuletzt in „Gezeiten“. Stets ist ihre tänzerische Qualität hoch, und man meint ihr die Freude an der Herausforderung ansehen – 2 – zu können. Dabei stellt sie keine eitle Virtuosität zur Schau, sondern als Zuschauer nimmt man sie als Teil des Ganzen wahr, immer in intelligenter Verbindung zu den tanzenden Kolleginnen und Kollegen, zur Musik, zur Bühne. Lisa Kirsch absolvierte ihren Bachelor of Arts in Bühnentanz an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Seit ihrem Studienabschluss blieb sie, nach einem Gastengagement im Theater Heidelberg, Köln treu und tanzte zunächst in Produktionen von Silke Z./resistdance. Seit 2013 ist sie künstlerisches Mitglied Emanuele Soavi / incompany. Auch hinter der Bühne ist sie bei Soavi seit einigen Jahren tätig: als choreographische Assistenz bei Produktionen und bei Koproduktionen mit anderen Institutionen. Zudem ist Lisa Kirsch eine beliebte Lehrerin für klassische und zeitgenössische Tanztechnik.

emanuelesoavi-INVASION©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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