Sturmlauf und Stillstand
„What’s left“ von Liat Waysbort – Gastspiel im Theater im Ballsaal
Von Elisabeth Einecke-Klövekorn
Von der Balance zwischen Kosten, Zeit und Qualität reden Wirtschafts-Manager gern. In den letzten Jahren auch von „Qualitätszeit“, in der man genießen soll, Beziehungen pflegen und sich selbst begegnen. Was in der ökonomisierten Welt indes längst wieder zu einer Strategie der Selbstoptimierung gehört.
„What’s left“ der israelischen Choreographin Liat Waysbort untersucht, was übrig geblieben ist von all den gesellschaftlichen und privaten Revolten. Was die stete Beschleunigung macht mit unserem Bewusstsein und mit unseren Körpern. Mit um 90 Grad vorgebeugten Oberkörpern bleiben die fünf Tänzer mehrfach stehen und wenden ihren Blick langsam nach vorn. Der Blick ins Publikum wird zur direkten Konfrontation mit den Zuschauern.
Mit weiten Sprüngen oder kleinen Hüpfern mit geschlossenen Füßen durchmessen die Tänzer den Raum, angetrieben von monotonen Rhythmen. Es ist eine getaktete Zeit, die ihre Bewegungen bis zur Erschöpfung hetzt. Sie rennen auf der Stelle, rasen gegeneinander und verharren plötzlich wieder. Zunehmend zu zweit beieinander, als müssten sie gemeinsam etwas setzen gegen das aggressive Diktat der Geschwindigkeit.
In Waysborts ungemein kraftvoller Körpersprache entwickeln die drei Männer und zwei Frauen sehr individuelle Variationen der wiederkehrenden Figuren. Auf dem Rücken mit hochgestreckten Armen und Beinen liegen sie wie Kafkas hilfloser Käfer und stürzen sich dann wieder in den geschäftigen Taumel. Bis sie in einer wunderschönen Sequenz gegen Ende wie in einem Ritual ihre Arme ausstrecken und dann ihre Hände jeder für sich wie zu einer offenen Blüte formen, in der vielleicht etwas aufgefangen werden kann von dem, was geblieben ist. „What’s left“ bleibt bei aller emotionalen Direktheit völlig unsentimental. Die 60 Minuten sind prall gefüllt mit tänzerischer Qualität und gewiss keine verlorene Zeit.
Noch einmal zu erleben heuet, am 22. Juni um 20.00 Uhr im Theater im Ballsaal Bonn.