©Vincent Lepresle

Harmonie von Tod und Leben
„Lux / Glory“ mit dem Ballet du Grand Théâtre de Genève in der Oper Bonn
Von Elisabeth Einecke-Klövekorn

Ein helles Memento Mori und der dunkle  Glanz barocker Pracht: „Lux / Glory“, getanzt vom  großartigen Ballett des Genfer Theaters – das Saisonfinale der Highlights des internationalen Tanzes in der Bonner Oper war noch einmal ein tänzerischer Höhepunkt.  Die beiden Stücke sind inhaltlich und dramaturgisch ein echtes Diptychon, ästhetisch aufeinander bezogen wie Altarbilder, aber trotz der himmlischen Musik aus der sakralen Sphäre ins Weltliche verschoben.
In seinem „Requiem“ zeichnet Gabriel Fauré ein friedvolles Bild des Todes.  Mit dem Chor „In paradisum“ endet sein Werk hoffnungsvoll.  Das Sterben ist hier eine Heimkehr ins Licht, kein grausames Ende. Der Schweizer Choreograph Ken Ossola verleugnet die spirituelle  Essenz des am Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Werkes nicht,  gibt ihr aber eine körperliche Substanz jenseits aller religiösen Tradition.  Die 18 Tänzer scheinen sich in einem Zwischenzustand zu bewegen, halb schon der Erde zurückgegeben, halb noch der profanen Welt angehörig. „Lux“ ist pure Schönheit, in der der Tod seinen Schrecken nicht verliert, aber ohne Angst angenommen wird. Unter den silbergrau schimmernden Kostümen verbergen sich verletzliche Leiber, die sich auf dem Boden zuckend dem Geheimnis der Geburt in eine neue Existenz hingeben. Vorsichtig sind auf den transparenten Trikots n die Wunden angedeutet, die das Leben den Menschen schlägt.  Wie ein Strauß aus Lichtblüten oder die traditionell den Tod symbolisierende Fackel erscheint das vom Bühnenhimmel herabgelassene skulpturale Objekt, das eine Verbindung der Sphären signalisiert.  Ein Tanzwunder unter den vielen berührenden Szenen ist der zutiefst berührende  Pas de deux am Ende. Als ob ein Engel die Seele zur ewigen Ruhe führt, die der Beginn des ewigen Lebens ist. Ein beseelter Tanztraum, der nach 35 Minuten  das beglückte Publikum  sehr bewegt in die Pause entlässt.

Ein grandios getanztes Ensemblestück ist auch „Glory“. Zu einer gelegentlich elektronisch verfremdeten Collage aus Musikstücken von Georg Friedrich Händel konfrontiert der griechische Choreograph Adonis Foniadakis  pralles Leben mit geradezu barocker Lust mit der Allgegenwart des Todes. Mit irrsinniger Geschwindigkeit wechseln sich Solos, Duette und Ensembles ab, erstarren zu Standbildern, die sich wieder auflösen im Taumel des aufs Ende zurasenden Glücksverlangens. Die eleganten transparenten Kostüme von Tassos Sofroniou sind ebenso ein Ereignis wie die traumhafte Szene, in der eine Frau von schwarzen Stoffwolken gefangen und gleichzeitig beschirmt wird. In das dominierende Schwarz mischen sich feuriges Rot und sanftes Weiß, in den Jubel der Chöre und Solostimmen melancholische Zwischentöne.  Jeder Ton findet in den tänzerisch virtuosen Bewegungen seine Entsprechung.  Die einstündige Choreographie „Glory“ ist ein dramatisches Erlebnis  voller visueller und emotionaler Überraschungen. Dass es mit einem messianisch jubelnden „Halleluja“ nicht endet, war indes zu erwarten.  Zur populären Arie „Ombra mai fu“ aus Händels Oper „Serse“ wirft die Choreographie einen tödlichen Schatten auf die gloriose Leibeslust. Aber zum Sterben schön. Brillant getanzt von einem klassisch geformten Ensemble, das weltweit zur Spitzenklasse zählt und bei der fast ausverkauften Bonner Aufführung im Rahmen der „Highlights des internationalen Tanzes“ mit langem Beifall bedacht wurde.

Noch einmal zu erleben heute (26.Juni) um 19.30 Uhr im Bonner Opernhaus; Restkarten an der Abendkasse. Dass die Tanz-Saat aufgeht, beweist „We are Space“ der von der Bonner Company CocoonDance geleiteten Nachwuchs-Truppe „We are Giants“. Jugendliche zwischen 8 und 18 zeigen ihre Sicht der Welt auf Augenhöhe mit der professionellen Tanzkunst.  Noch zu erleben am Freitag um 11.00 Uhr und am Samstag um 19.30 in den Bonner Kammerspielen.