Premiere von bodytalk mit „Frauen ~ Bewegung“ in Münster
und am 14. und 15. Dezember in Köln bei Barnes Crossing in der Wachsfabrik

Die Premiere der neuen Tanztheaterproduktion von bodytalk wurde in Münster im Pumpenhaus am 7.Dezember vor vollen Rängen uraufgeführt. Begeistert applaudierende und trampelnde Zuschauer feierten die Performer: Anna Lindblom, Charlie Fouchier, Helge Tramsen, Mack Kubicki,  Nathalie Larquet, Sylvana Seddig und Victoria Primus.

©TANZweb.org – mit Sylvana Seddig und Charlie Fouchier


© TANZweb.org mit Sylvana Seddig

Das Stück ist hart, bietet aber überraschend viele Momente zum Schmunzeln und Nachdenken. Selbst das Wort Schönheit schleicht sich in den Kopf des Betrachters, auch wenn diese selten pur auf der Bühne zugelassen wird, so als hätten die Macher Angst davor Gefühle zuzulassen.

Thomas Achtner schuf mit seinem Lichtdesign sensible Räume für die Inszenierung von Yoshiko Waki und Rolf Baumgart, die weder ein „Weihnachtsstück“ ist, noch zum Familienausflug mit Kindern taugt.

Beziehungen gibt es ebenso vielfältige wie wechselnde auf der Bühne, bei denen das Wort „Liebe“ nur in den Songtexten der ausnahmslos überzeugend singenden Performer vorkommt.
Das „Wir“ schimmert höchstens als Hoffnung in den Momenten des Alleinseins durch, in denen es den Protagonisten erlaubt ist, soetwas wir ihre eigene Seele erahnen zu lassen, ehe es wieder ums Fleisch geht. – Das Eigene und das der Anderen.

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Und doch: diese Momente genügen um sich klar zu werden, dass hinter der Oberfläche von Egoismus, Sex und Gewalt zerbrechliche Menschen agieren, denen eines gemein ist, die Angst. – Vor allem die Angst, Erwartungen (reale oder imaginäre)  nicht erfüllen zu können und dafür mit Liebesentzug und Einsamkeit bestraft zu werden. – Wer sich selbst schon zum Einsamen gemacht hat, der kann auch nicht mehr bestraft werden.
Wundes Fleisch überall, das auch noch zur Oberfläche sexueller Projektionen herhalten muss.
Die durchweg überzeugenden Darsteller hinterlassen Eindruck! Sie agieren gekonnt zwischen Augenzwinkern, Selbstironie, technischem Können und Berserkertum, wenn sie zur Folie dieser Lebenskonzeptionen werden.


© TANZweb.org – mit Charlie Fouchier und Helge Tramsen


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Dass dies nur funktionieren kann, wenn der Zuschauer auch gerne den Voyeur gibt, ist dem Choreographenduo und den Künstlern bewusst bis hin zur matten aber durchscheinenden Folie, die Einblicke erahnen lässt auf die Körper, die sich da im Bühnenhintergrund für ihren nächsten Auftritt umziehen.
Geschickt wird ein Gewaltexzess mit einem gefühlvoll vorgetragenen „I don’t want to fall in Love with you“ eines Frauentrios auf der Seitenbühne konterkarriert: wer wegschauen will, der blickt auf singende Engelsgesichter, und will auch das nicht helfen, entlarvt die Gepeinigte mit gekonntem Timing ihre Misshandlung als gewollten Lustgewinn im Schmerz.


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Dass es bei der Premiere auch Unnötiges zu sehen gab, wie zum Beispiel die Publikumsentscheidung über die „Extragage“ für die Tänzer gleich zu Beginn, die sich hierfür echte und teils nur kopfkonstruierte Zirkusnümmerchen antun müssen, die man/frau meint, schon zur Genüge gesehen zu haben, oder ein viel zu langes und aufgesetztes „Unterhosenballett“, mag Empfindungssache sein. Dennoch ist der Abend ein Ereignis mit Tiefgang und es lohnt die Auseinandersetzung damit.
Die Kölner haben hierzu am 14. und 15.12. in der Wachsfabrik zweimal Gelegenheit und sie sollten sie nicht verpassen!


© TANZweb.org – mit Charlie Fouchier und Helge Tramsen