photos: klaus dilger

Tanzweb Köln – 09.12.2012
„One week Stand: Random acts of violence” vom MichaelDouglas Kollektiv in der Orangerie
Kritik von NICOLE STRECKER

‚Schnellschuss‘-Kunst, also in einer Woche eine abendfüllende Produktion stemmen, das kann zum Gewaltakt werden – vielleicht kann man es auch als eine Art „Verbrechen“ sehen. So mögen das die beiden Mitglieder der deutsch-britischen Gruppe Gob Squad, Sharon Smith und Simon Will, empfunden haben, als sie vom MichaelDouglas Kollektiv zum „One week stand“ verführt wurden.

Seit 2009 konfrontieren sich die früheren Tänzer der Kölner Pretty Ugly Company mit dieser Form von Highspeed-Kreativität: Sieben Tage proben mit Gast-Choreografen, dann performen und zwar abendfüllend. Immer wieder sind ihnen dabei verblüffende Abende gelungen, dramaturgisch unreif, aber so verheißungsvoll, dass sie den Wunsch nach „mehr“ weckten – wie jetzt das Resultat ihres jüngsten Experiments.

„I did it“, bekennt Susanne Grau, Neuzugang beim MD Kollektiv, jung, süß – unschuldig? Eben nicht. Sie tischt dem Publikum mit schüchtern-leiser Stimme eine Horror-Anekdote auf: Sie habe ihre Schwester einst auf brutalst mögliche Weise verprügelt, vielleicht sogar ermordet, weil diese ihr nachspioniert habe. Jeder der sechs MichaelDouglas Performer offenbart sich nach und nach als Täter an diesem Abend. Als Mörder, Perversling, Faschist. Manches klingt harmlos, anderes ist eindeutig aus Filmen nachgespielt, und zwar bevorzugt aus Kino-Erfolgen, die selbst von der Fiktionalisierung der Wirklichkeit handeln und ein hinterlistiges Spiel mit der zweifelhaften Kategorie „Wahrheit“ treiben.

So wird etwa aus François Ozons „Swimming Pool“ zitiert, bei dem am Ende auch der Zuschauer nicht weiß, ob der darin vorkommende Mord nicht nur eine Fantasie der Hauptfigur, einer Romanautorin war. Und Tänzerin Sabina Perry mimt großartig Sharon Stone, wie sie in „Basic Instinct“ während eines Verhörs den ermittelnden Beamten einen Blick unter ihren Rock gewährt – auch sie eine Figur, bei der sich die Kategorien von ‚Facts and Fiction‘ verwirren, und die – vielleicht – die Realität nach ihrer Fantasie modelliert.

„Random Acts of Violence“ – so der Titel dieser Produktion, die von Gewaltexzessen, aber vor allem von deren Ermittlung erzählt, und in der jeder der sechs MD-Tänzer einmal wie ein Verbrecher vom Rest der Gruppe verhört wird. Auch Performancekunst beginnt ja stets mit Fragen. Vielen Fragen, schnellen Fragen – der Vergleich mit einer Vernehmung mag da naheliegen und die Idee zu diesem komischen, intellektuell stimulierenden und vor allem vom MD Kollektiv so packend präsentierten Abend geliefert haben. Douglas Bateman als sanft-intellektueller Regisseur, der einen heftigen Vater-Sohn-Zwist inszeniert – mit einer absurd-wortgewaltigen Inma Rubio Thomas als Fascho-Papa. Adam Ster als verstockter Psycho-Typ, von dem man nicht weiß, welche Brutalität in ihm lauert. Und Michael Maurissens, der gern mal Spion „Johnny English“ wär‘ und wie der verkappte Actionheld mit Flugrollen und ‚Pistolenfingern‘ brilliert.

Es wird viel, aber leider nicht immer verständlich geredet. Der Tanz überwältigt als unkontrollierbare Macht die Körper, lässt die Performer um sich schlagen, gegen die Wand rasen oder in sexueller Ekstase vibrieren. Auch wenn sich nicht jede Sequenz an diesem Abend erschließt: Gob Squad und das MD Kollektiv erzählen mit ihren „Willkürlichen Gewaltakten“ spannende Miniaturgeschichten und reflektieren zugleich ironisch die ‚obszönen‘ Dimensionen der Performancekunst: den Voyeurismus, die autobiografische Selbstausbeute, die hierarchischen Beziehungen zwischen Inszenierenden und Inszenierten, die Gefühlsheuchelei auf einer Bühne. Ein Verbrechen, eigentlich. Aber so lustvoll.