©TANZweb.org-klaus dilger – “the Virgin’s Voice” – Ch.: Reut Shemesh – dancers: Ieva Navickaite, Lisa Kirsch, Hannah Platzer
THREE
Nachtkritik des Tanzabends mit Choreographien von Reut Shemesh, Philipp van der Heijden und Rachel Erdos – Premiere 21.2.2014
In der Alten Feuerwache sind drei Choreografen zu Gast, die jeweils mit drei TänzerInnen ihre neuen Kreationen präsentieren. Solche Foren sind vor allem deshalb wichtig, weil hier keine sogenannten abendfüllenden Werke abgeliefert werden müssen. Ein halbstündiges Stück kann mehr Kraft ausstrahlen als ein sich zäh dahin ziehender 90-Minüter.
©TANZweb.org-klaus dilger – “the Virgin’s Voice” – Ch.: Reut Shemesh – dancers: Ieva Navickaite, Lisa Kirsch, Hannah Platzer
Die ChoreographInnen Reut Shemesh (ISR/DE), Philipp van der Heijden (NL) und Rachel Erdos (ISR) bieten einen leicht-heiteren ernsten Abend mit drei Kurzstücken, die sich anzusehen gelohnt haben. Reut Shemeshs „The Virgin’s Voice“ ist laut Ankündigung eine Suche nach dem Rollenbild der Frau. Das reißt niemanden vom Hocker, wie man so schön sagt. Aber das Stück ist mehr als das. Wir sehen drei Streifen grüner Tanzteppich. Drei Frauen (Ieva Navickaite, Lisa Kirsch, Hannah Platzer) betreten nach einander die Aktionsfläche. Per Solo rücken sie uns mit flatterhaften Bewegungen, Tönen des Erschreckens und schnell wechselnden Bildern ihre Persönlichkeiten entgegen – ein rätselhaftes Trio aus der Pflanzen-, Tier- und Mädchenwelt.
©TANZweb.org-klaus dilger – “the Virgin’s Voice” – Ch.: Reut Shemesh – dancers: Ieva Navickaite, Lisa Kirsch, Hannah Platzer
Sie könnten rivalisierende Töchter am Hofe X sein. Sie unternehmen gemeinsame Suizid-Versuche, Mord, treten in versöhnliche Atmosphären, immer wieder unterstützt oder gebrochen durch brachiale elektronische Musik mit den besänftigenden Tönen eines Akkordeons unterlegt (Musik: Simon Bauer). Dann wieder Stille. Atmen, was sonst? Aus dem Atmen entsteht kurze Ekstase. Starke Rhythmuswechsel halten das Publikum in Atem. Nahtlose Übergänge von Sequenz zu Sequenz – alles fließt. Als dann das obligatorische Haar- und Kopfwerfen einsetzt, wägt man sich im „Ach ja“. Aber daraus entsteht ein Hexenklagen. Aus Dreien wird eine sechsarmige Eine. Dazu ein verzerrtes Ave-Maria. Dann gehen die drei Schwestern ab. Man kann den Eindruck haben, hier werden Teile der Theater- und Opernliteratur in einer Arena zusammengeführt. So betrachtet: Ja, Rollenbilder der Frau.
©TANZweb.org-klaus dilger – Choreographie: Philipp van der Heijden Tanz: Philipp van der Heijden, Lisa Rykena, Cristian Arenas Guillem
„Whatever it is for three“ ist der ratlose Titel des zweiten Stückes des Niederländers Philipp van der Heijden. Auch hier ist der Ankündigungstext nicht unbedingt verlockend, deutet aber auf Humor hin, den ich anfangs nicht entdecken kann. Drei junge Menschen (Philipp van der Heijden, Susanne Oesterlin, Lisa Rykena) in Freizeitkleidung bewegen sich mit dem Rücken zum Publikum in einer Art Workout schweißtreibend vor und zurück. Der Spiegel, vor dem sie das tun, ist die schwarze Moltonwand auf der Bühne. Das Blatt wendet sich. Sie verharren auf dem Boden, Pullover über ihre Köpfe gezogen. Hunde? Sportler, die nicht aus ihren Startblöcken kommen? Das Stück wird zu einem wunderbaren minimalistischen Erlebnis. Drei belämmerte Pulloverträger nehmen sich an die Hand und versuchen sich an einem Ringelrein, der immer mehr zu einem skurrilen Tänzchen wird bis sie im Dunkeln verschwinden. „Wir sind alleine und werden sterben“ heißt es in der Ankündigung. Mögen sie noch lange leben. Köstlich.
©TANZweb.org-klaus dilger – Choreographie: Philipp van der Heijden Tanz: Philipp van der Heijden, Lisa Rykena, Cristian Arenas Guillem
Im Vergleich schwere Kost bietet das dritte Stück von Rachel Erdos. Das u.a. von der israelischen Botschaft in Deutschland geförderte Werk „The man upstairs“ beginnt mit der beliebten „Sanddusche“, ein Effekt, der in diesem Fall nicht nur ästhetischen Reiz hat. Drei Männer (Yoav Grinberg, Gil Kerer, Snir Nakar) zeigen uns Rituale, die nicht ohne Pathos auskommen. Es geht um Glauben, Identität und das Zusammenleben. All das spürt man, aber es fehlt an Wissen um die Hintergründe, das uns den Inhalt ins Herz treiben könnte. So lassen uns die drei Männer im Sand (Wüste) doch recht allein. Die Choreografie hat etwas reißbretthaftes, aber vielleicht ist das auch den Ritualen geschuldet, die sich dahinter verbergen.
©TANZweb.org-klaus dilger – The man upstairs- Choreographie: Rachel Erdos – Tanz: Yoav Grinberg, Gil Kerer, Snir Nakar
Ob der Abend oder Teile davon in Erinnerung bleiben, zeigt sich frühestens in ein paar Wochen. Vielleicht ein paar Bilder, aber damit werden wir tagtäglich zugeballert.
Heute ist fast jedes Tanzstück international, wenn man sich die Beteiligten ansieht, die Themen und Formen. Da unterscheiden sich die Arbeiten in ihrer Handschrift oder manchem Spezifikum, das auf Herkunft und Lebensumfeld der Choreografen schließen lässt. Und wenn sich das geneigte Publikum dafür interessiert, kommt man dem Leben näher, auch dem in fernen Gegenden.
Rolf Dennemann
Weitere Aufführungen: 22. und 23. Februar 20 Uhr in der ALTEN FEUERWACHE – Köln
©TANZweb.org-klaus dilger – The man upstairs- Choreographie: Rachel Erdos – Tanz: Yoav Grinberg, Gil Kerer, Snir Nakar