Photo: Bettina Stöß

Redebeitrag Stephanie Thiersch (Choreografin und Tänzerin, Köln): Die Bedeutung der Tanzgastspiele für die freien Choreografen und Tänzer in Köln
Anlässlich der Protestveranstaltung in Köln in EXPO XXI am 14.April 2013

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
•    Mein Name ist Stephanie Thiersch und ich bin künstlerische Leiterin der Kompanie MOUVOIR. Ich habe u. a. in Köln an der Kunsthochschule für Medien studiert und arbeite seit 1998 als Regisseurin und Choreografin in Köln. In dieser Zeit sind über 30 Bühnenproduktionen und Tanzfilme entstanden, gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern, die in großen internationalen Tanzkompanien arbeiteten wie Jan Fabre, Philippe Decouflé, Sidi Larbi Chercaoui, William Forsythe und Sasha Waltz. Es sind Koproduktionen mit nationalen und internationalen Theaterhäusern, die regional, national und international gefördert und gezeigt werden. Aus der Sicht meiner Kompanie MOUVOIR verurteile ich scharf die Streichung des Etats:
•    Schon der Wegfall der städtischen Tanzkompanie pretty ugly vor vier Jahren bedeutet für die in Köln arbeitenden Choreografen und Tänzer einen Einschnitt im künstlerischen Austausch, der Unterstützung und Inspiration. Die städtische Kompanie hat aus dem Theater in die Tanzlandschaft gewirkt. Ich habe in der Vergangenheit und arbeite noch heute mit ehemaligen Tänzern der letzten städtischen Kompanie pretty ugly.


Under Green Ground – Choreography: Stephanie Thiersch – Photo: Tom Schreiber

•    Die Streichung der Gastspiele, die diese Lücke – durch die gute Programmation von Hannah Koller – wenigstens zum Teil ausgeglichen haben, bedeutet eine dramatische Provinzialisierung für die in Köln ansässigen Künstler. Künstler, die auf hohem Niveau arbeiten, brauchen den Dialog mit Kollegen und informieren sich regelmäßig über aktuelle Arbeiten. Konstruktive Konkurrenz belebt das Geschäft. Aber wo bleibt dann diese Konkurrenz? Wo ist das internationale Niveau, an dem wir uns messen können? Das Kölner Publikum wird es bald nicht mehr wissen.
•    Was bewegt eine Künstlerin oder einen Künstler, sich in einer bestimmten Stadt nieder zu lassen? Warum gehen denn alle Künstler nach Berlin oder Paris? Weil sich dort Künstler miteinander austauschen können, weil sie dort andere Kollegen begegnen und ihre Produktionen sehen können? Weil dort Kunsträume entstehen können, in denen sie ihre Kreativität entfalten können. Aber sie gehen nur selten in eine Stadt, in der die einzigen Aufführungsmöglichkeiten für Tanz aus Bürgerhäusern bestehen, aus denen sie nun auch noch herausgedrängt werden sollen. Eine Stadt, in der bald zwei der wenigen Aufführungsorte für Tanz bald geschlossen werden.
•    Ich selber reise regelmäßig in Metropolen, um mich mit Künstlern zu treffen, interessante Arbeiten zu sehen und an aktuellen Debatten teilzunehmen. Es ist essentiell für mich als Künstlerin in Köln, dass dies in Köln stattfinden kann. Köln muss interessant bleiben für Künstler. Und ich gestehe, die Versuchung ist groß, das sinkende Schiff zu verlassen.
•    Wir Künstler leben von anregenden Diskursen und Debatten, die sich an Inszenierungen entzünden. Ich möchte weiterhin meine Kollegen und Bekannten nach ihren Kölner Gastspielen treffen können, mich mit ihnen über ihre und meine Projekte, aktuelle Themen, Politik unterhalten können, Ideen spinnen und Netzwerke aufbauen. Und wo soll dieser Diskurs stattfinden? Weiterhin in Paris und Berlin? Es muss auch hier gehen!

MITUMBA – Ch.: Stephanie Thiersch – Photo: mouvoir

•    Ich möchte nicht mehr im internationalen Kontext, auf Fachkonferenzen und Festivals im In- und Ausland auf die „Kölner Kultur-Misere“ angesprochen werden. Ich möchte den Diskurs, die Inspiration auch hier, hier in Köln.
•    Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, was hält eine Künstlerin wie mich noch in Köln. Als Künstlerin kämpfe ich nicht nur für den Erhalt einer Kunstsparte sondern für ein lebendiges kulturelles Leben. Für eine Stadt wie Köln bedarf es einer Vision, die einen Plan für alle Sparten der Kunst hat. Und es braucht Politiker, die für die Vielfalt des kulturellen Angebotes kämpfen.
•    Meine Realität ist, dass ich mit meiner Familie schon lange überlege Köln zu verlassen, weil wir hier als Künstler wenig Entwicklungspotential für uns sehen. Und das meine Damen und Herren ist das wichtigste für uns Künstler. Wer soll für Köln Kunst machen, wenn wir alle gehen? Ich rufe dringend dazu auf, das Leck zu flicken und sich engagiert für den Tanz in Köln einzusetzen.