Gastspiel des „Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble“ im Kölner Depot 2

„The Köln Concert“ …die Wucht der Einzelnen

Kurzeindrücke von KLAUS KEIL

Mit lang anhaltenden Applaus für Choreograf, Tänzerinnen und Tänzern endete gestern Abend im Depot 2 des Kölner Schauspiels ein Tanzabend der besonderen Art. Das weltweit berühmteste Klaviersolo, Keith Jarretts „Köln Concert“, 1975 entstanden im Opernhaus Köln, gibt dem gleichnamigen Tanzabend einen musikalischen Background, der insbesondere für diese Choreografie wie geschaffen scheint. Kein einfaches Vorhaben eines jungen Choreografen, Trajal Harrell, der inzwischen das Züricher Dance Ensemble leitet. Schon deshalb, weil Keith Jarretts Solokomposition auch für sich allein stehen kann. In diesem vorgegebenen Rahmen, der einen inneren Bogen schlug von seinen leisen, fast zärtlichen Momenten, seiner Langsamkeit bis hin zum brüllenden Aufbegehren des Flügels, musste Harrell seine Choreografie formen. Das schier Unmögliche gelang Harrell: Musik, Tanz, Choreografie, tänzerischer Ausdruck, alle ergänzten sich fast wie für einander bestimmt.

Schauspielhaus-ZArich_The-Kiln-Concert_2_c_Reto-Schmid

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Eingeleitet wird der Abend mit Folksongs der -zigfach ausgezeichneten Songwriterin Joni Mitchell und deren Songs gesellschaftskritischer Haltung. Es scheint, als wolle der Choreograf mit dieser musikalischen Auswahl den Boden bereiten für den nächsten Schritt – den Schicksalen der/des Einzelnen. Man kann sicherlich kritisieren, dass die Songs in ein ganz anderes Genre gehören. Doch thematisch ergänzen Mitchells Songs die Choreografie. Es ist ihre Sozialkritik, die Wege eröffnet ohne zu verunglimpfen.

Nacheinander betreten die Tänzer/innen ganz in schwarz gekleidet die ohnehin schon dunkel gehaltene Bühne, suchen ihre Position auf einem der Hocker, den einzigen Requisit an diesem Abend. Sie wiegen die Körper hin und her, formen mit Armen und Beinen, nur auf dem Gesäß sitzend, Kreise und Bögen als wollten sie alle mit einbeziehen in diese unwirtliche Welt kurz vor dem Absturz. Auf Zehenspitzen bewegen sie sich im Raum: bloß niemand wecken – vielleicht auch sich selbst nicht, wenn sie wie in Trance kurz vor dem Kollaps gehen.

Schauspielhaus-Zürich_The-Kiln-Concert©Reto-Schmid

Schauspielhaus-Zürich_The-Kiln-Concert©Reto-Schmid

Abwechselnd übernimmt nun einer der Protagonisten den Part, seine persönliche Story tänzerisch zu erzählen, was teils heftig, aufbegehrend, fordernd, manchmal auch anklagend ausfällt. Jarretts „Köln Concert“ verstärkt die Wucht des tänzerischen Ausdrucks jeder/jedes einzelnen Tänzers. Es ist der zentrale Teil der Choreografie. Unübersehbar sind es die Außenseiter der Gesellschaft, die hier mit ihrer Story tänzerisch ins Rampenlicht treten: die Süchtigen, die Einsamen, die Verzottelten und Ausgestoßenen. Unbeweglich hocken sie auf den Hockern, den leeren Blick starr ins Publikum gerichtet, eine wahrhaft illustre Gesellschaft. Doch für einige der Tänzer/innen scheint dieser Moment auch mit Hoffnung verbunden. Dann greifen sie nach bunten Kleidern, halten sie vor den Körper, nehmen jetzt unerwartet ausdrucksstarke Posen wie auf einem Laufsteg ein, als wollten sie sagen, uns gibt es auch noch.

So disparat wie dieser Tanzabend begann, so harmonisch ergänzen und verbinden sich im Verlauf des Abends die einzelnen Elemente der Choreografie. Einen wesentlichen Anteil daran hat Keith Jarretts „Köln Concert“, das mit seinen improvisierten musikalischen Wellenbewegungen ganz das Auf-und-Ab  des Lebens spiegelt. Ausdrucksstark darin auch die Tänzerinnen und Tänzer.

Regie/Choreografie/Bühne/Soundtrack/Kostüme:  Trajal Herrell

Nächste Aufführung Heute am 7.12. um 19 Uhr 30 in Köln im Depot 2 des Schauspiels

Schauspielhaus-ZArich_The-Kiln-Concert_2_c_Reto-Schmid

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