Vom Gewicht der Selbsterkenntnis

„Migrena 2×2“ von Yotam Peled beim Tanzsolofestival

 

Von Elisabeth Einecke-Klövekorn

Ein Mann liegt wie ohnmächtig vorn am Bühnenrand. Der muskulöse Körper ist nur bekleidet mit schwarzglänzenden Shorts. Auf seiner Brust lastet eine schwarze Kugelhantel.  Drumherum Knäuel aus Alufolie, wie man sie für Rettungsdecken verwendet. Seltsame Knack- und animalische Beißgeräusche sind zu hören. Ist der Mann ein Geflüchteter, der nach einem Schiffbruch an Land geschwemmt wurde?  Der aus Israel stammende freischaffende Tänzer und Choreograf Yotam Peled, inzwischen überwiegend in Deutschland arbeitend, ist mit seinen Kreationen weltweit unterwegs. Für sein Solo „Migrena 2×2“, das am 18. März im Rahmen des Internationalen Bonner Tanzsolofestivals im gut besuchten Theatersaal der Brotfabrik zu erleben war, hat er sich inspirieren lassen von der biblischen Geschichte des Propheten Jona. Der überlebte bekanntlich Gottes Zorn im Bauch eines großen Fisches, geriet dann aber selbst in Wut, weil Gott sein Strafgericht an der Stadt Ninive nicht vollzog.

Der Titel der rund 45minütigen, sehr physischen Performance verweist jedoch auf die neurologische Krankheit Migräne mit ihren Kopfschmerzen, Wahrnehmungsstörungen und Übererregbarkeit. Peled (Choreografie, Performance, Sound Design) versucht, sich aufzurichten, aber der Körper verselbständigt sich. Seine Bewegungen scheinen außer Kontrolle zu geraten, unsichtbare Kräfte zerren an seinen Gliedmaßen, ein innerer Aufruhr droht den ganzen Leib in seine Einzelteile zu zersprengen. Friedliches Vogelgezwitscher bringt ihn kurz zur Ruhe, lässt ihn dann jedoch erneut aufbegehren gegen imaginierte Grenzen und die entfesselte innere Dynamik. Mechanische Energien, vegetative Impulse, instinktive Moves, verborgene Traumata und Erinnerungsfragmente verbinden sich zu einem spannungsgeladenen Taumel zwischen ekstatischem Ritual und purer Körperautomatik.

Einen Ausweg bieten selbstgesetzte Hindernisse wie die gern zum Fitnesstraining benutzten Kugelhanteln, deren Schwere Peled am Ende auch das Publikum ausprobieren lässt. Zuvor hat eine der schwarzen Hanteln wie ein foucaultsches Pendel um sich schwingen lassen, als müsste er Halt finden in der physikalischen Erdrotation. Kathartische Selbsterkenntnis als Gegengewicht zum entropischen Zustand der Gesellschaft und des privaten Individuums? Sanfte Regengeräusche suggerieren neuen Lebensmut nach allen Schmerzen dieser kopflastigen Körper-Erforschung zwischen Athletik und Emotion.

Migrena-2x2©Yotam-Peled

Migrena-2×2©Yotam-Peled