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VON DEN PUBLIKUMSMASSEN ERDRÜCKT – FREIraum ENSEMBLE MIT DER PREMIERE VON „euphOria“ IM FREISTAAT ODONIEN

eine Nach(t)kritik von Klaus Dilger

Von den Publikumsmassen erdrückt – verletzt wurde niemand, zu Schaden kam die Performance „euphOria“, die am Samstagabend im Freistaat für Kunst und Kultur ODONIEN zur Premiere gelangte!

Sehr viel mehr als dieses Fazit liesse sich ohne den Besuch der Generalprobe kaum sagen, denn die wenigsten der geschätzten zweihundert Premierenbesucher dürften auch nur gefühlte dreissig Prozent des Geschehens uneingeschränkt, wenn überhaupt, gesehen haben.

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Hier kollidieren zum Leidwesen der potentiellen Zuschauer aber auch der Darsteller, ein überaus erfreuliches Publikumsinteresse für eine Tanzperformance an einem aussergewöhnlichen (und ausserordentlich spannenden) Veranstaltungsort und der (fast zwangsläufige) Mangel an Erfahrung , mit dieser Menge selbst ein präzises und gut gestaltetes Bewegungsmanagement zu erarbeiten, das Jedem erlaubt hätte zur Gänze das jeweilige Stück mit zu erleben. Nur so hätte es auch für die Performer selbst gelingen können, den Spannungsbogen der teilweise sehr sehenswerten und in seinen besten Momenten überraschenden Bilder aufrecht zu erhalten.

Zu diesen Momenten zählte (in der Generalprobe) dieser eigenartige Reigen, zu dessen Beobachtung durch Lücken eines trennenden Zaunes mit entfernt wahrnehmbaren „Panlauten“ gelockt wurde, auf dem Weg zu einer … ja was eigentlich? Einer vermeintlichen Veranstaltungshalle? – Dieser Schreittanz auf einem romantischen Wiesengrund inmitten von Eisenbahnbrücken und Altmetall, erhascht durch Brombeersträucher und viereckigen Maschendrahtzaunöffnungen, liess Wesen erahnen, die kurz zuvor noch entfernt, auf dem Schotterweg im Gegenlicht, als Aliens an einen Steven Spielberg Film erinnerten. Sie waren zu Elfen und Faunen geworden, in deren Treiben man sich verlieren konnte und die am Ende von einer  Exhibitionistenkarrikatur aus dem abendlichen Paradies verscheucht wurden.

Gleich neben dem Zaun öffnen sich grosse, vorher nicht wahrgenommene Durchgänge, die wie in eine Betonwand gesprengt erscheinen und laden ein, den sich nun öffnenden, hinter dem kleinen Vorplatz liegenden Raum mit der grossen Fensterfront zu betreten, der gleichzeitig ebenso heruntergekommen erscheint wie ein  wärmendes Kaminfeuer im Winter versprechend.
Durch einen gleissenden Korridor aus Licht betreten nach und nach, wie auf dem Laufsteg einer Pariser Fashion Show, die „Elfen“ und „Faune“ diesen langen schmalen Raum.
In ihren zuckenden Tanzbewegungen, die sie unaufhaltsam einem uns verborgenen, gegenüberliegenden Raum zuführen, werden sie von anderen Wesen, die an die Serie „Raumpatrouille“ aus den siebziger Jahren erinnern, partiell in feine Folie verpackt. Sie entschwinden nach und nach, während eine wunderschöne Cellistin am Ende des uns vertrauten Raumes mit ihrer Präsenz die Aufmerksamkeit fesselt und die mit ihrem Spiel den Raum erfüllt, in den die Plastikwesen nun langsam wieder zurückkehren und …..
und so weiter und so weiter……….

Wir wissen es wie gesagt nur aus der Generalprobe, ebenso wie um die skurrilen und teils makabren Szenen, um die „engelsgleichen“ Wesen, um den steten Widerstreit zwischen Apollon  und Dionysos und und und,  und das ist Schade! Auch das haben wir schon gesagt.

Dass die Performance (gesehen auf der Generalprobe) neben der Erschaffung wunderschöner und rätselhafter Bilder und Szenen mit einem engagierten, vielköpfigen Ensemble auch Vieles aufzuweisen hat, das weitaus weniger interessant und neu ist, sei hier nicht verschwiegen! Dies wird vor Allem dann besonders deutlich, wenn die Vielschichtigkeit und die Magie des Ortes ODONIEN mit zu viel an Banalem, vielfach Gesehenem und missionarischen Fingerzeigen und Phrasen, wie etwa in den finalen Szenen, vollgestellt wird.
All dies liesse sich noch leicht bearbeiten und vielleicht täte dem noch jungen Ensemble ein erfahrener Choreograph und Dramaturg als Mentor gut.

Allen Beteiligten wäre zu wünschen, diese Herausforderungen anzunehmen, ehe die Publikumsmassen wieder in den Freistaat Odonien strömen, um die kommenden Aufführungen am 27./28./29./30.08.2014 jeweils um 20:30 Uhr zu sehen.

Von und mit: Kathrin Blume-Wankelmuth, Marje Hirvonen, Lisa Kirsch, Melanie Müller, Ronja Nadler, Pepi, Lukas Pergrande, Hannah Platzer, Ruben Reniers, Arthur Schopa, Karoline Strys & Nicola Wähner | Musik: Detlef Heidkamp & Raimund Kroboth

P.S.: Es ist den Künstler kaum zu verdenken, dass sie kein zahlendes Publikum zurückweisen wollen oder deren Anzahl gerne beschränken, besonders dann nicht, wenn es sich um ein zwölfköpfigen Ensemble und eine Reihe von Technikern handelt, die im Hintergrund wirken, wenn die Fördersummen, die Tanzkünstler als Unterstützung für deren Arbeit erhalten nur als schamlos bezeichnet werden können, gemessen an den Erfordernissen professionellen Arbeitens und des Lebens davon.