Paul Hess – Sieger in der Kategorie „Solo“ mit seinem mehrfach preisgekrönten „Totilas – Der Ritt“

TANZ SICHTBAR MACHEN

9. Internationales SoloDuo Festival NRW & friends bei Barnes Crossing in Köln-Sürth

Das sind die Preisträger 2017

Ein Festival-Bericht von KLAUS KEIL
Wo Landmarken im topografischen Sinne markante Wahrzeichen und Besonderheiten markieren, dort stellen sich bald auch die Liebhaber solcher Sehenswürdigkeiten ein. Sehenswürdigkeiten im choreografisch-tänzerischen Sinne markieren auch den ständig wachsenden Erfolg eines Kölner Tanzfestivals, das sich in der nordrhein-westfälischen Tanzlandschaft längst zu einer unübersehbaren markanten Tanzmarke entwickelt hat. Das „Internationales Tanzfestival SoloDuo NRW & friends 2017“, das vom Choreografen*innen-Netzwerk Barnes Crossing ausgerichtet wird, feierte in diesem Jahr seine neunte Auflage mit einem Querschnitt durch ein künstlerisch vielfältiges Kulturgenre.

 

Bestes Duo 2 – MIRA -“ MIRA5″  – Preisträger in der Kategorie „Duo“

Schon der erste Abend des zweitägigen Festivals machte deutlich, dass sich unter dem heutigen Begriff des zeitgenössischen Tanzes viele verschiedene Stilrichtungen, ästhetische Ansätze und Gestaltungs- und Ausdrucksformen subsummieren lassen. HipHop ist nicht nur ein Sound, sondern hat im Break- und Streetdance auch seine adäquate Bewegungsform gefunden, wie Janis Heidmann und Lin Verleger von der Gruppe „Reckless“ in ihrem Beitrag zum Thema Angst gezeigt haben. Damit prägt der Breakdance die Topografie des Tanzes genau so wie der Post Modern Dance oder der TanzTanz (als reine Form des Tanzes), genau so wie der Konzepttanz und wie das Tanztheater der Pina Bausch und das Choreografische Theater des Johann Kresnik.
Bestes Nachwuchssolo _ ‘Nocturne’ – Choreografie und Tanz: Anni Kaila
Aber das SoloDuoFestival erfüllt mit seinen internationalen Beiträgen auch eine, wohl eher unbeabsichtigte Aufgabe: Es zeigt, dass die Topografie des Tanzes heute ganz wesentlich von den neuen, nachrückenden Generationen der Choreografen*innen geprägt wird, die mit eigenen, sehr individuellen Variationen von „zeitgenössisch“ daherkommen und die sich (zu Recht) auch nicht darum kümmern, in welche Schublade der Begrifflichkeiten man sie steckt. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: natürlich erheben die Macher*innen dieses kleinen, wenn auch wichtigen, Festival keinen Anspruch darauf, auch nur annähernd repräsentativ zu sein. Dennoch hat dieses Festival im Vergleich zu Tanz NRW 2017 und anderen Festivals ein großartiges Alleinstellungsmerkmal und das ist die strukturelle Offenheit für neue Ansätze. Auffällig war etwa der `sense of humor´, der nicht kokettierend, sondern als Gestaltungsform die Struktur einiger Stückes bestimmte. Etwa bei Kenji Shinohe, der nach einem tanztheatralen, sehr witzigen Einstieg im zweiten Teil seines Solos ein rasantes Voguing/Posing hinlegte, um dann wieder tanztheatral zu enden.
 

Und das sind die diesjährigen Preisträger*innen


Der Preis für das beste Solo ging an: Paul Hess (Trier) für, oder vielleicht besser: auf „Totilas – der Ritt“. Witzig persifliert Hess in seinem Solo die Hohe Schule der Dressur, in das er schlüpft, um tanztechnisch perfekt mit Trab, Galopp, Schritt und Seitwärtsgalopp die Gangarten des Pferdes zu übernehmen. Das war die hohe Schule einer tänzerisch großartigen Persiflage, dramaturgisch präzise angelegt mit dem Original-Kommentar eines Dressuraktes und von ihm ausgeführt im korrekten dunklen Anzug. Kein Wunder, dass ihm dieser witzige Ritt auch den Publikumspreis Solo eingebracht hat.

„Bestes Duo 1“ Tanz: Anna Fransen, Laura Witzleben  SoloDuo 2017 ©MEYER ORIGINALS
Der Preis für das beste Duo ging gleich an zwei Duos, denn bei den Duos für den Nachwuchspreis ist die Jury nicht fündig geworden, deshalb also: Laura Witzleben und Anna Fransen (Berlin) für
Don´t smoke under water“. Es ist das starke Duo zweier starker Tänzerinnen, die ganz unprätentiös in slow motion ihre Körper miteinander/ineinander verknoten, sich untrennbar in dieser fragilen Beziehung verbinden, oft kurz vor dem Fallen zu stehen scheinen, aber mit Respekt und Vertrauen Nähe und Intimität aufbauen. Puristisch in der Form, dabei aber hochemotional. Großartig.

Publikumspreis Bestes Duo 2017] Tanz: Emmanouela Dolianiti, Yuya Fujinami
Der zweite Duo-Preis ging an die Kölner Gruppe MIRA für das Duo „Mira 5“, getanzt von Charlotte Petersen und Dong UK Kim. Auch bei ihnen geht es um Vertrauen, um Fallenlassen und Halt geben, tänzerisch ebenfalls in slow motion und langen Momenten des Innehaltens, fast ein Gegenbild zum hektischen Alltagsbetrieb. Ein Stück zum Nachdenken und Sich-einlassen, choreografisch und tänzerisch präzis und nachhaltig.
„Beste Tänzerin“ Tanz: Saskia Rudat
Der Preis für das beste Solo/Nachwuchs ging an: Anni Kaila (Helsinki/Finnland) für ihr Solo „Nocturne“, das eine wehrlose, verletzliche Frau zeigt, die mit einer präzisen Bewegungssprache, mit eng am Körper geführten Bewegungen bis hin zur körperlichen Entblößung sich von ihren Albträumen zu befreien sucht. Ein eindrucksvolles Solo, verstärkt von Kaija Saariaho´s Violin Solo Nocturne.

„Beste Tänzerin“ Tanz: Ravid Abarbanel
Als beste/r Performer*in, die mit ihrer starken Bühnenpräsenz, Vielseitigkeit und Präzision des tänzerischen Ausdrucks überzeugt haben,
wurden ausgezeichnet: Ravid Abarbanel (Israel) in seinem Solo “Underneath 0.2“ und Saskia Rudat (Essen) in “Brainjogging” (Essen).

Der Publikumspreis Duo ging an Emmanouela Dolianiti und Yuya Fujinami (Essen) für ihr packendes Duo „memini“, einer getanzten Auseinandersetzung mit past and future einer Beziehung, die die Zuschauern nachhaltig beeindruckte.

Für das Team von Barnes Crossing war die Ausrichtung dieses Festivals ein bewundernswerter Kraftakt. Die Bewerbungen der Tanzkünstler für dieses besondere Festival steigen von Jahr zu Jahr. 59 Bewerbungen flatterten Barnes Crossing diesmal ins Haus, nur 21 konnten berücksichtigt werden. Also viel (Auswahl-)Arbeit für das Vorbereitungsteam unter der künstlerischen Leitung von Ilona Pászthy und Kristof Szabó. Und auch der Publikumserfolg ist ungebrochen. Die ehemalige Wachsfabrik in Köln-Sürth, wo Barnes Crossing einen „Freiraum für TanzPerformanceKunst“ als Produktions-, Probe- und Aufführungsstätte geschaffen hat, ist an beiden Festivaltagen bis auf den letzten Platz besetzt und platzt aus allen Nähten. Klarer könnte ein altbekanntes Kölner Problem der freien Tanzszene nicht zutage treten: Es fehlt eine ausreichend große Aufführungsstätte für den freien Tanz.
Kontinuierlich ist der Erfolg dieses Festivals gewachsen und findet inzwischen weltweiten Zuspruch über den westeuropäischen Raum hinaus, der anfangs die Auswahlregion begrenzen sollte. Diesmal kamen die Teilnehmer aus Schweden, Südkorea, Pakistan, Finnland, Israel, Frankreich, Japan und Deutschland. Immerhin winkte den Preisträgern des Kölner Festivals die Teilnahme an der Endrunde des renommierten Budapester SzólóDuó Táncfesztiváls, wo die besten Solos und Duos aus Ost und West zum Wettstreit antreten.