Die Schichten der Macht

„Layaz“ von Editta Braun in der Fabrik Heeder

Festival „move!“ in Krefeld

von René Linke     

Eine dunkle, verhüllte Frauen-Gestalt, verborgen unterm weiten, schwarzen Rock steht dort im Zwielicht. Über den Kopf dunkle Tücher, nur der schwarze Zopf ist zu sehen. Eine Trauernde? Eine spanische Witwe? Mechanische Sounds, dazu eckige, fremdbestimmte Bewegungen – mit geradem Oberkörper schiebt sich die Gestalt dann rasch über den Boden  wie eine Aufziehpuppe. Eine Frau in vorgeschriebenen Bahnen.

„Layaz“ heißt die Choreographie der österreichischen Choreographin und Tänzerin Editta Braun, jetzt im Rahmen von „move – 20 Krefelder Tag für modernen Tanz“ in der Fabrik Heeder zu sehen. Die Choreographie ist ein kleines Selbst-Geschenk, das sich die hoch dekorierte Compagnie 2019 zum 30-jährigen Bestehen machte. Ein sperriges, ein mutiges Geschenk: Mit der Performerin Cat Jimenez hat sich Editta Braun eine ausgewiesene Fachfrau für Urban Dance und „Battle“, eine gänzlich andere Bewegungssprache ins Boot geholt. Die engagierte Feministin dekonstruiert mit Wucht, Energie und großer Freude die heteronormativen Codes dieser Tanzformen. Und jetzt steckt sie unter Tüchern, im starren Kleid der Konventionen, in den Konfektionsmaßen der Macht.

LAYAZ_Editta Braub Company©layaz-cbettina-frenzel

LAYAZ_Editta Braub Company©layaz-cbettina-frenzel

„Layaz“ ist der Verlauf einer Emanzipation, einer Befreiung: Zum Schluss tanzt eine von vielen Schichten befreite moderne  Frau ausgelassen – und aus den mechanischen, fremden  Klängen sind dynamische Rhythmen geworden (eigens komponierte Musik: Thierry Zaboitzeff). Und auch der Lichtraum spielt mit, zeigt Farbe (sehr differenziertes Lichtdesign: Thomas Hinterberger).

Doch die Emanzipation fällt eben nicht vom Himmel: Ablösungen, Häutungen, Transformationen sind nicht gratis, sondern oft schmerzhafte Effekte einer Differenz-Erfahrung: Plötzlich tritt das Ich beiseite, sieht sich selbst als Ort der Einschreibung. Man reibt sich schon ein wenig verwundert die Augen, als unverhofft eine Spiegelfigur die Bühne betritt. Editta Braun selbst tanzt dieses Alter Ego. In immer neuen Konstellationen beschreibt dieses Doppel-Ich sein Verhältnis: Mal als Spiegelbild, mal als Reibungsfläche, mal als Kopffigur, mal als befreiender Impuls, mal als artistischer Hintergedanke, dann wieder düsen sie gemeinsam als Aufziehpuppen-Partnerinnen über die Bühne.

In manchmal spröden, faszinierend fremden, dann wieder sehr eingängigen Bildern macht der Abend deutlich wie schwer es ist, jenseits der Einschreibungen der Macht eine eigene Sprache zu finden: Du sollst, du möchtest, du kannst – im Hintergrund sind als Projektionen mal als Schrift, mal als Schraffur immer wieder die Verführungsformel der Macht zu lesen, Doch Cat Jimenez folgt der Utopie ihres tanzenden Körpers, folgt den Erfahrungen mit ihrem Spiegelbild.

Es bedeute ihr sehr viel, beteuerte die Performerin im Anschluss an diesen kurzen, knapp 50-minütigen Abend leidenschaftlich, diese Schichten zu durchsteigen. Und die inzwischen 62-jährige Editta Braun fügt schmunzelnd hinzu, dass sie vor 24 Jahren zum letzten Mal in der Fabrik Heeder war: „Ich hoffe, dass es zum nächsten Auftritt nicht noch einmal so lange dauert.“ Dem begeisterten Applaus war zu entnehmen: Das Publikum hofft dies auch.

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