Krefelder Festival MOVE! für zeitgenössischen Tanz ging in die zweite Runde

Doppel-Solo mit Doppel

Eine Premiere mit „PIANO PIANO“ von Mitsuru Sasaki aus Wuppertal und einer „Special Edition“ von Emanuele Soavis „PANsolo“ in der Fabrik Heeder vor zwei Mal ausverkauftem Haus mit Wartelisten

Nachtbesprechung von Klaus Dilger

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Mitsuru Sasakis neue Kreation PIANO PIANO,

anlässlich des MOVE! Festivals entworfen, beginnt reduziert, zunächst in Dunkelheit und Stille, dann Klavierklänge von Gregory Mutombo „Humains“ und Sasaki in einem  dezenten Lichtkreis, den er mit seinem Körper füllt, ehe er diesen öffnet für die Musik, die improvisiert zu sein scheint. Gedanken an Keith Jarrett werden wach, der just an diesem Tag seinen endgültigen Abschied von den Bühnen dieser Welt bekannt gegeben hatte, nachdem seine rechte Hand nach einem Schlaganfall vor geraumer Zeit wohl dauerhaft ihren Dienst versagen wird. Sasaki schaut seine Hände an, lässt eine unsichtbare Note von der Einen in die Andere fallen, ehe er die Arme in einer Geste ausbreitet. Sie ist Klage und Spanne zugleich zwischen Körper und (geistigem) Universum. Das Gesicht wird kurz zur Fratze, ohne Schmerz, als wolle das Menschlein dem Schicksal die Zunge herausstrecken. Ein Kreislauf, den der Tänzerchoreograph wiederholt, ehe die Füße in reduzierten Bewegungen den hinzugekommenen, spärlich eingesetzten Scheinwerfern aus den Bühnengassen entgegen trippeln. Während der Blick auf  eine innere Ferne gerichtet ist, scheinen die Hände im Dialog zu den angeschlagenen Tasten ein Eigenleben zu führen.  Mehr und mehr finden Körper und Geist in der Musik zueinander und katapultieren Sasaki plötzlich, im Einklang mit der Pianoimprovisation, in einer energetischen Körper- Tanzimprovisation in Raum und Zeit.

Pressebilder-MOVE_PianoPiano-Mitsuru-Sasaki©TANZweb.org

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Während die Klaviertöne verklingen, scheint der Tänzer noch immer elektrifiziert von einer unhörbaren Komposition, die seinen Körper in Stille zuckend durchströmt. Dann Bruch – Grosses Orchester – Eduardo Di Capuas „O SOLE MIO“ in der Interpretation von Luciano Pavarotti, den Mitsuru Sasaki gnadenlos, herzzerreissend und voller Inbrunst auf Bauch und Boden liegend begleitet, sich dann erhebt und aus seiner Anzugsjacke Essstäbchen samt weisser Feder hervorzaubert. Er bläst sie in die Luft und fängt sie mit den Stäbchen auf… immer und immer wieder. So schwer, so leicht, so gegensätzlich.

Dann zieht er seinen Anzug aus und „sie“ steht als Frau oder Mann oder Queer im weissen Nachthemd vor uns. Pina? Kazuo Ohno? Zu Nina Simone „Stars“ – Live in Montreux – schliesst Mitsuru Sasaki den Kreis seiner neuen Kreation, die berührt und irritiert in gleichem Maße. Diese Irritation scheint gewollt.

In einer sehr persönlichen Botschaft richtet sich der Künstler an Stelle eines Programmheftes an die Zuschauer:

„Die heutige Welt (mit Corona) versetzt mich in die 1960er Jahre, als die Welt von der Hektik der Politik umgeben war. Student*innen demonstrierten gegen politische Formen in Asien, Europa und Amerika. Die Welt hatte das gleiche Problem und wollte Reformen.

Die Wünsche junger Menschen erreichten nicht leicht das Zentrum der Politik. Aus den Turbulenzen der Bewegung entstand jedoch eine neue Bühnenaktivität… Ich bin der Meinung, dass diese raue und wilde Umgebung dazu führen wird, dass eine Reihe von Menschen eine neue Weltanschauung präsentieren, die wir noch nie zuvor gesehen haben…. Noch habe ich keinen neuen Wert gefunden. Ich habe daher „piano piano“ geschaffen, ein Stück, in dem ich die nach den 1960er Jahren entstandenen Tanzessenzen verschmolzen habe“

Viel Applaus für Mitsuru Sasaki und seine neue Kreation.

Pressebilder-MOVE_PianoPiano-Mitsuru-Sasaki©TANZweb.org

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PANsolo von Emanuele Soavi

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Nicole Strecker schrieb über PAN Solo bei der Uraufführung im Rahmen der Co-Produktion mit den Duisburger Philharmonikern, dem dreiteiligen Tanzabend „Verführer und Verführte“: „… Ganz direkte Hommage ist ohnehin der Höhepunkt des Abends: Soavis grandios-dreistes „PANsolo“. Er zitiert die unverwechselbaren Profil-Posen aus Vaslav Nijinskys Ballett „L’apres midi d’un faune“, und eine bessere Interpretation dieser Bewegungen als die von Soavi lässt sich nicht denken. Mit hochsensiblem Körperbewusstsein posiert er als geiler Ziegenbock, verrückter Romantiker, triebgesteuerter Sadist – und selbst das langsame Strecken seiner Fußspitze wird bei ihm zur obszönen Provokation. Soavi als lustvolle Horrorkreatur. Als Tänzer, Choreograf, Charming-Boy und Organisator eines dionysischen Tanzrausches, in dem gerade das Nicht-Kalkulierte die Spannung oben hält. Das soll mal einer nachmachen….“

Für das MOVE! Festival schuf Emanuele Soavi, zusammen mit Achim Conrad und Stefan Bohne, eine reduzierte Version für den Raum des Fabrik Heeder Theaters und die zeitlichen Konzepte zu den aktuellen Corona_Bedingungen.

Stefan Bohne schuf ungeheuer komplexe und dichte Klangräume für Soavis Choreographie, die Nicole Strecker treffend charakterisiert.

Ein feiner Abend in der Fabrik Heeder, bei denen sich die beiden Tanzstücke hervorragend ergänzten, wie schon beim Auftakt des Festivals bestens zusammengestellt von Dorothee Monderkamp.

Begeisterter Applaus, trotz reduzierter Zuschauerzahlen in Corona Zeiten!

Pressebilder-MOVE_PAN-Solo-Emanuele-Soavi©TANZweb.org

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