Drei Soli beschliessen das spannende MOVE! Festival 2018

Compagnie Linga aus der Schweiz beschließt mit der Produktion „Solographies“ das Festival „Move!“ in der Fabrik Heeder in Krefeld

Von Bettina Trouwborst

Das Solo ist eine besondere Herausforderung für jeden Künstler. Er muss nicht nur sein Instrument beherrschen, sondern seine ganze Persönlichkeit einbringen, ja, zur Kunstfigur stilisieren. Vermag diese nicht genug zu erzählen, hinterlässt die Virtuosität allein eine enttäuschende Leere. Mit einer solchen Leere, in die sich auch eine gewisse Ratlosigkeit mischte, entließ die letzte Vorstellung des Festivals „Move! – 17. Krefelder Tage für modernen Tanz“ in der Fabrik Heeder ihr Publikum.

Gleich drei Soli hat das Choreografen-Duo Katarzyna Gdaniec & Marco Cantalupo der Compagnie Linga aus der Schweiz in dem Abend „Solographie“ für drei Tänzerinnen kreiert. Sollte es ihnen um Porträts von Ai Koyama, Aude-Marie Bouchard und Raquel Miro gehen, so ist ihnen allenfalls eine grobe Skizze gelungen. Wenn nicht, bleibt die Frage, worum es ihnen überhaupt ging. Denn die drei Tänzerinnen durchlaufen zwar eine Entwicklung, die aber so belanglos ist, dass weder die überwiegend originelle Choreografie noch die Bewegungsqualität das Stück retten. Schön anzusehen, aber über die drei Künstlerinnen erfährt man herzlich wenig.

Solographies Cie. Linga MOVE! ©TANZweb.org_Klaus Dilger

Solographies Cie. Linga MOVE! ©TANZweb.org_Klaus Dilger

Wie aus einem Versteck arbeitet sich die erste Tänzerin aus einem dunklen Bühnenwinkel hervor. Lauernd, mit ungelenken und kantigen Schritten schleicht sie sich in den Lichtkegel. Einen schwarzen Hosenanzug trägt sie mit schwarzen Herrenschuhen, die Spitzen auffällig langgezogen. Ihr Solo hat etwas Comicartiges. Ziellos, bisweilen zitternd, irrt sie umher. Zu der  Französin Aude-Marie Bouchard stoßen von beiden Seiten zwei weitere Frauen. Die eine wirkt auf den ersten Blick wie ihr Spiegelbild: Die Spanierin Raquel Miro trägt das gleiche Kostüm, die gleiche Frisur und ähnelt ihr vom Gesicht her, die Japanerin  Ai Koyama hat ebenfalls einen Zopf, trägt zum gleichen Anzug aber ein weißes Hemd. Die beiden Europäerinnen beäugen sich wie Rivalinnen, bevor sie auch physisch in den Konkurrenzkampf treten – die Auseinandersetzung erinnert schon in den Ausfallschritten ein wenig an einen Stierkampf. Die Asiatin geht beschwichtigend dazwischen, sodass sich ein Pas de Trois der Ausfallschritte entwickelt. Die Übergänge zwischen den einzelnen Soli bestreiten die Tänzerinnen gemeinsam – dramaturgisch ansprechend gemacht – durch Szenen der Annäherung. Szenen, die oft unnötig in die Länge gezogen werden. Überhaupt fehlt es den 60 Minuten an einem Spannungsbogen und erhellenden Impulsen.

Solographies Cie. Linga MOVE! ©TANZweb.org_Klaus Dilger

Solographies Cie. Linga MOVE! ©TANZweb.org_Klaus Dilger

Raquel Miro entledigt sich ihrer maskulinen Kleidung und erscheint im weißen T-Shirt-Kleid, barfuß, Pumps in der Hand. Ihre Gehversuche auf den High Heels sind so ungelenk wie zuvor die raumgreifenden Schritte von Aude Marie Bouchard. Sie knickt immer wieder ein, verdreht die Knie, dass es schon vom Hinschauen schmerzt. Auch sie irrt haltlos mit einem ähnlich aggressiv-kämpferischen Gesichtsausdruck umher. Verheddert in einer elektronischen Musikschleife, liegt sie am Boden. Erst starke lateinamerikanische Rhythmen reißen sie hoch zu geschmeidigen salsaartigen Moves. Die beiden andern Tänzerinnen gesellen sich, ebenso im Becken wiegend, dazu. Es ist ein Höhepunkt des Abends, die plötzlich strahlende Spanierin – augenscheinlich – in ihrem Element zu erleben.

Ein völlig anderes Temperament bringt Ai Koyam in ihr Solo ein: ruhig, fast meditativ, detailverliebt und mit deutlich mehr Bodenhaftung. In ihre Choreografie sind Andeutungen an das klassische Ballett eingearbeitet. So geht sie erst aufrecht, dann läuft sie um das Bühnenquadrat mit einem stolzen Strahlen ins Publikum, die Aufmerksamkeit genießend.

Solographies Cie. Linga MOVE! ©TANZweb.org_Klaus Dilger

Solographies Cie. Linga MOVE! ©TANZweb.org_Klaus Dilger

Drei ansprechende Soli, aber gleichzeitig drei einfach nur typische Tänzerinnen-Biografien. Als die Frauen überraschend drei Tische mit leuchtenden Oberflächen von der Seite auf die dunkle Bühne rollen, freut man sich zunächst über den überraschenden Impuls. Hin und her schieben sie ihre Wägelchen, bis sie hinaufklettern und dort posieren zwischen bewegter Statue und Gogo-Girl. Die Tischchen entpuppen sich als Kopiergeräte auf Rollen. Plötzlich werden die Kopierer in Gang gesetzt und beleuchten die Frauen von unten. Die Tänzerinnen geleiten von den Tischen hinab, tauchen kurz darauf mit ihren Köpfen über den leuchtenden Glasflächen auf – und blicken bedeutungsschwanger geradeaus. Was will uns das Choreografen-Duo, das doch bei dem großen Tanztheater-Magier Maurice Béjart getanzt hat, mit dieser befremdlich-banalen Szene sagen? Dass Tänzer-Karrieren beliebig zu vervielfältigen sind? Das wäre allzu platt. So hinterlässt der Abend die eingangs beschriebene Leere, angereichert mit einigen Fragezeichen.

Solographies Cie. Linga MOVE! ©TANZweb.org_Klaus Dilger

Solographies Cie. Linga MOVE! ©TANZweb.org_Klaus Dilger