KimchiBrot Connection Köln eröffnet die Reihe „first & further steps“ in der Fabrik Heeder in Krefeld mit „Living Happily Ever After“

Nachtkritik von Bettina Trouwborst

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Mit dieser Prinzessin stimmt etwas nicht. Ihr blaues Kleid, die glitzernden Pumps und das Diadem im Haar sind stilecht, doch sie bewegt sich steif wie eine Marionette. Die Worte, die sie mit dem Mund formt, kommen aus dem Off. Und ihr Prinz erst: hofiert sie nach ganz alter Schule hingebungsvoll mit übertriebener Mimik und Gestik. Die beiden „singen“ das Duett „Once upon a Dream“, Soundtrack von Walt Disneys Animationsfilm „Dornröschen“ von 1959. Die romantische Liebe, allerdings verzerrt zur Parodie, ist der Ausgangspunkt der Performance „living happily ever after“ des Kölner Ensembles  KimchiBrot Connection. Sein so kurzweiliger wie geistreicher Trip durch Beziehungsmodelle – vom märchenhaften Traumpaar bis zur Promiskuität – eröffnete das Festival „first & further steps“ in der Fabrik Heeder in Krefeld. Mit KimchiBrot Connection, bei der alle Ensemblemitglieder ein Stück gemeinsam entwickeln, präsentierte das Kulturzentrum diesmal keinen Tanz, sondern deutsches Physical Theatre.

Ein schöner Auftakt der fünften Edition des Nachwuchsformats mit jetzt sinnvoll erweitertem Titel. Denn die beiden Darsteller Sophie Killer und Constantin Hochkeppel sowie die Regisseurin Laura N. Junghanns sind (wie übrigens schon andere Ensembles in der Vergangenheit) starke Talente, denen die Überschrift „first steps“ nicht gerecht würde. Eine knappe Stunde lang hatten die meisten Zuschauer ein Lächeln auf den Lippen, denn die Performance wirkt erfrischend lebensnah. Die beiden Akteure bringen ihre persönliche Biografie ein und treten, recht kreativ, in Kontakt mit dem Publikum.

Der Kostümwechsel katapultiert die beiden in die Gegenwart mit ihren diversen Beziehungsmodellen: klassisches Paar, Freundschaft plus, offene Beziehung mit homosexuellen Seitensprüngen. Imponierend, mit welchen Mitteln beide die Prototypen der Liebe alltagsnah vorleben: Sie nutzen fast ausschließlich das Instrument Körper und die eigene Stimme. Dialoge führen sie wie in einem animierten Comic in stop motion. Von außen werden lediglich Originalzitate aus englischsprachigen Filmen (von „Breakfast at Tiffany’s“ bis „Friends with Benefits“), aber eben auch selbst gesprochene Erlebnisse eingespielt. Zu diesem Track agieren sie, ungemein vielseitig, mit feinem (Wort-)Witz und bereits professioneller Darstellungskunst. Besonders Constantin Hochkeppel macht Staunen mit seinem virtuosen Schauspiel und überraschenden Moves. Dabei kommt ihm meistens die Rolle des aufbrausenden Konservativen zu, während sie mit braunen Kulleraugen scheinbar emotionslos seine Gefühlsausbrüche abwartet. Da wäre die Szene, in der die beiden einen liberalen Beziehungsvertrag aufsetzen. Er differenziert zwischen Hauptbeziehung mit Exklusivrecht auf Gefühle und Nebenbeziehung, in der dreimal Sex mit dem selben Partner erlaubt ist. Untersagt ist, Eifersucht zu empfinden. Das ist herrlich überzeichnet, ohne albern zu wirken.

KimchiBrot Living Happy ever After ©Klaus Dilger

KimchiBrot Living Happy ever After ©Klaus Dilger

Mit sympathischer Selbstironie gehen die beiden auch auf ihre Persönlichkeiten ein. So versucht die Frau, ihren Kopf auf die Schulter des Mannes zu legen – ein schwieriger Akt: Er ist deutlich kleiner als sie. Also reckt er die Schultern in die Höhe, während sie einen Seitenschritt macht und in der Schräglage endlich ihren Kopf ablegen kann.

Das Ensemble hatte, wie man auf dem Abendzettel liest, prominente Betreuung: Die Performance- und Installationskünstlerin Angie Hiesl, spezialisiert auf site-specific Kunst im öffentlichen Raum, wird nicht „unschuldig“ sein an der realitätsnahen und pointierten Ästhetik von „living happily ever after“.

Für ihre lustvolle Liebes-Arbeit haben KimchiBrot Connection bereits zwei Theaterpreise gewonnen und wurden mehrfach für Auszeichnungen nominiert. Das verwundert nicht, denn diese Connection hat Stil und Niveau – eine Bereicherung für die Theaterszene in Nordrhein-Westfalen.

KimchiBrot Living Happy ever After ©Klaus Dilger

KimchiBrot Living Happy ever After ©Klaus Dilger