MOVE! in Town

UNFASSBAR

eine Installation | Performance von Angie Hiesl und Roland Kaiser

Gedanken zur Uraufführung von Klaus Dilger

Wind ist das Ergebnis von Ausgleichsversuchen

Wie entsteht Wind überhaupt?  In der Natur entsteht Wind durch den Versuch, Wärme-Veränderung in der Atmosphäre, die zur Folge haben, dass es durch Wärme zu einer Ausdehnung und einem Auftrieb  der Luft kommt, wieder auszugleichen. Die normale Dichte der „Luft“ beträgt ein Kilo je Quadratzentimeter, die auf der Erde lastet. Je höher die Erwärmung leichter aufheizbarer Zonen, desto höher die Unterschiede des Luftdrucks im Vergleich zu Zonen, die Temperaturen nachhaltiger speichern können, wie etwa die Meere. Je höher das Gefälle zwischen diesen Zonen, also des damit einhergehenden Luftdrucks, desto extremer die Winde und desto höher die Windgeschwindigkeiten, während Windstille den Zustand vollkommenen Ausgleichs bedeutet. 

Wir erleben im Zuge des Klimawandels und der Erwärmung der Erdatmosphäre derart dramatische Veränderungen, Bewegungen und Ausgleichsversuche der Natur, dass diese sich immer häufiger in Form von Katastrophen ereignen, auf Grund der erforderlichen Vehemenz und Geschwindigkeiten, in denen diese Ausgleichsbemühungen der Natur stattfinden.

Es entstehen Gewalten, die für uns unfassbar erscheinen.

„Unfassbar“, so auch der Titel der Installation | Performance von Angie Hiesl und Roland Kaiser, die nun für zwei Tage in Krefeld, im Rahmen von „MOVE! inTown“, zu sehen waren und die dann ab dem 30.September für sechs Tage in Köln am Rheinufer erlebbar gemacht werden soll.

„Den Aktions- und Installationsraum des „Windlabors“ bildet eine geschlossene, von außen einsehbare Konstruktion aus Seecontainern.“ – Doch wer in dieser Konstruktion die Simulation „unfassbarer“ Naturgewalten erwartet, der wird enttäuscht. Diese finale Kraft spielt sich allenfalls assoziativ in den Köpfen und Körpern der Zuschauenden ab, denen sich diese Kunstaktion in Krefeld in den Weg ihrer gewohnten Abläufe, mitten in der Stadt, stellt.

Impressionen-UNFASSBAR-von-Angie-Hiesl-und-Roland-Kaiser©TANZweb.org

Impressionen-UNFASSBAR-von-Angie-Hiesl-und-Roland-Kaiser©TANZweb.org

Es sind eher die feinen Auswirkungen, manchmal auch das Spiel zwischen Erwartung und Eintritt des Geschehens, wenn Wind auf Gegenständliches trifft, das das Künstlerpaar zu interessieren scheint, das sich mittlerweile seit Dekaden auf Kunstinterventionen im Öffentlichen Raum und an unerwarteten Orten spezialisiert hat, um mit ihrer Kunst anzustossen und gewohnte Muster aufzubrechen, in der Hoffnung zu berühren und neue Sichtweisen in Gang zu setzen.

Hierzu setzten sie ihr temporär belebtes und bespieltes „Denk mal!“ vor dem „Kaiser-Wilhelm Museum“ (!) auf den „Josef Beuys Platz“ (!), der dem Mitbegründer der Fluxus-Bewegung gewidmet ist, umgeben von lauter Wahlplakaten, deren Bewerber um die Besetzung des neuen Bundestages ihre Parolen zwischen „dringender Veränderung“ und „Erhalt“ und „Bewahrung“ marktschreierisch und passend zum gegenüberliegenden Wochenmarkt hinausposaunen. Durch die Glasfronten zu beiden Seiten sichtbar diejenigen, die alsbald über „Veränderung“ oder „Es bleibt wie es ist“ entscheiden sollen. Die möglichen Auswirkungen solcher Entscheidungen werden assoziativ immer wieder im Container thematisiert, etwa wenn die beiden Performerinnen (grosses Lob und Respekt für deren Leistung und Präsenz) Lenah Flaig und Helena Miko, ihre Parolen in Megafone krächzen, bis ihnen die „Standpunkte“ aus grossen Zeitungsstapeln von Wind aus Windmaschinen entrissen werden oder sie im Strom des Plastikmülls letztlich untergehen werden.

Viel Gedachtes und ein temporärer und lokaler Kontext von hoher Verfallsgeschwindigkeit, das doch erstaunlich viele Zuschauer verweilen liess und Manche so in den Bann gezogen hatte, dass sie über zwei Stunden hinaus vor dieser Intervention verharrten, die die beiden Künstler wie folgt angekündigt hatten:

„Im Fokus steht das fragile Verhältnis von Mensch und Umwelt. UNFASSBAR untersucht in einem geschlossenen System das Spannungsfeld zwischen den Faktoren Zufall und Kontrolle. Das Projekt eröffnet Assoziationsräume, die über Natur und Zivilisation nachdenken lassen und schafft Bilder, und Augenblicke zwischen zarter Poesie und unbändiger Kraft.“

Nicht jedem Zuschauenden werden sich diese „Bilder und Augenblicke zwischen zarter Poesie und unbändiger Kraft“ vermittelt haben, allenfalls in deren eigener, assoziativer Kraft und Vorstellungsvermögen, aber nur sehr wenige werden nichts von alledem erfahren haben.

Das ist dennoch nicht wenig, auch wenn das Künstler_innen-Paar mit weitaus weniger Aufwand schon weitaus nachhaltigere Kunsterlebnisse geschaffen hat.

So vermittelt diese Installation | Performance „UNFASSBAR“ dennoch als Zeichen eine spannende künstlerische Einführung in die, am kommenden Freitag, den 24.September in der Fabrik Heeder beginnenden, „move! – Tage für modernen Tanz“. – Krefeld tanzt zeitgenössisch, wieder und schon seit 1994.

Impressionen-UNFASSBAR-von-Angie-Hiesl-und-Roland-Kaiser©TANZweb.org

Impressionen-UNFASSBAR-von-Angie-Hiesl-und-Roland-Kaiser©TANZweb.org