Krefelder Festival “move!” am vorletzten Abend
Willi Dorner aus Wien mit “one”
Konzepttanz in der Fabrik Heeder – HIER gehts es zu unseren Videoimpressionen
Nachtbesprechung von Klaus Dilger
Am vorletzten Abend der 20. Ausgabe des Krefelder Festivals für zeitgenössischen Tanz „move!“, war der Österreichische Konzeptualist Willi Dorner zu Gast, der vor allem durch seine Interventionen „bodies in urban spaces“ bekannt geworden ist. Mit diesen versucht er in zahlreichen Städten Passanten anzuregen, sich aktiv mit sich selbst in urbanen Architekturen auseinander zu setzen, indem er dieser durch Körper an aussergewöhnlichen Orten und in ebensolchen Positionen Zeichen hinzufügt oder entgegenstellt.
Dorner setzte sich in der Fabrik Heeder in seiner, im wesentlichen 2016 entstandenen, Bühnenperformance „one“ mit einem anderen Konzeptkünstler auseinander, dem als Vertreter der Konkreten und Visuellen Poesie bekannten bildenden Künstler Heinz Gappmayr und seinen „einwortgedichten“.
Gappmayr war es ein Anliegen, durch die Anordnung der Wörter, Linien oder Zeichen Denkbilder entstehen zu lassen. Ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit ist die aktive Rolle, die dabei dem Betrachter zukommt und der durch seine physische und geistige Präsenz den Sinngehalt eines Werkes erst hervorbringt. (Quelle „wikipedia“)
Dies gilt auch für Dorner in „one“. Seine beiden, sehr präzise agierenden, Performer, Esther Baio und Luan De Lima, liefern simultan das „making of“, wie es Dorner in seiner Einführung zum Stück benennt, was durch eine Livekamera auf die Zweidimensionalität einer Projektionsfläche als temporäre und vergängliche Galerie übertragen wird, die dem Zuschauenden durch die Draufsicht gleichzeitig eine vollkommen veränderte Raumperspektive ermöglicht. Nur selten wird dieses Prinzip durchbrochen zu Gunsten von Standbildern als Zeitsprünge oder Animationen, die zusätzliche „Denkbilder“ vermitteln.
Eine Weile ist es spannend zu sehen, wie Dorner versucht, den Linien-, Zahlen- und Wortbildern Körperbilder hinzuzufügen oder diese in Bewegung zu bringen. Einmal, zur Fuge in G Minor von J.S. Bach, kommt dies dem Tanz sogar sehr nahe. Doch danach und dann, spätestens nach der Hälfte von „one“, wird diese Weile lang.
Dann beherrscht das Konzept den Raum und wird ungefähr so spannend wie die Liveübertragung von zwei Schachspielenden, denen das Publikum beim denken zusieht. Was zunächst als interessantes Ping Pong aus „Dreibuchstabenabkürzungen“, inklusive der sich ständig verändernden Richtungswechsel der Ableitungen als immanente Spielregeln beginnt, steigert sich peu à peu zu einem Zeitraffertempo, das jede Illusion von spontanen Antworten als Herausforderung, auch an das „aktiv mitdenkende“ Publikum, als Fake entlarvt und es verkommt zum Schnellschreibwettbewerb, ohne dabei genug Fahrt aufzunehmen, um „abheben“ zu können.
Dorner gelingt es mit seinem Konzept „one“ nicht eine Sprache zu entwickeln, die jenseits von mathematischer oder linguistischer Logik Berührung erzeugt, die mehr als nur nostalgische Erinnerung darstellt an VorGoogleZeiten, als dergestalt spielerisch erlerntes Wissen sich noch im Gehirn und nicht nur im Laptop befand.
Schade, denn dann wäre es ja ein Tanzabend geworden.
Das Publikum dankte den Gästen aus Wien mit sehr freundlichem Applaus, der auch zeigt, dass jede Kritik auch nur eine Meinung darstellt.