ANMUT UND WÜRDE überzeugt auch in der Theaterfassung

Unsere Video-Impressionen der Uraufführung von „Anmut und Würde“ der Cooperativa Maura Morales anlässlich des Festivals „MOVE! – Krefelder Tage des Zeitgenössischen Tanzes“.

Mit der Präsentation des gleichnamigen Stückes im Platanenhain des Schönwasser Parks im Sommer, im Rahmen der Reihe „MOVE! in town“, hatte Maura Morales bereits die allergrössten Erwartungen an die Theaterfassung geweckt, die sie nun am vergangenen Wochenende mit der Premiere einlösen durfte und konnte. 

Vielen dürfte es nur schwer vorstellbar gewesen sein, wie es wohl gelingen möge, die grandiose Kulisse und die weit ausschweifenden choreographischen Strukturen, die bereits im Sommer in erstaunlicher Reife entwickelt waren, in ihrer Wirkung in einen geschlossenen Raum zu übertragen. Auch die exzessive Bewegung der Zuschauermassen auf dem freien Feld, die unmittelbar als choreographisches Element in das Geschehen und dessen Wahrnehmung, als „die Öffentlichkeit“ einwirkten, konnte so in der Fabrik Heeder kaum stattfinden.

Stattdessen entwickelten sich am vergangenen Wochenende vollkommen neue Farben und Nuancen, die im Schönwasser Park vielleicht nur zu ahnen aber bereits angelegt waren: was Draussen einfach nur ein geniales Mittel war, um sich raumgreifend eine fokussierte Szenenfläche zu erobern, wie der riesige Rock, in dem die drei Tänzerinnen aneinander „gekettet“ waren und in dem sie sich gegenseitig über den riesigen Rasen zerrten, wurde im Saal zu einer eindrucksvollen Metapher des Meeres, das Kuba umschliesst und zu einem Gefängnis werden lässt, wenn das eigene Lebensbild nicht mit den herrschenden Konventionen zusammen gehen kann oder will. Wenn die drei Frauen, eine davon im Hochzeitskleid, in der Eröffnungsszene ihre puffernden Plastikkissen, die sie, wie eine zerbrechliche Ware verpackt, von den Köpfen streichen, ahnen sie vielleicht, dass dieser Schutz sie in Wahrheit nur als vermeintliches Eigentum in genussloser Abstumpfung hält. Aus dieser Gesellschaft gibt es kein Entrinnen, diese Erkenntnis bringt Morales in einem einzigen Bild auf den Punkt, als die Braut auf dem gemeinsamen Fluchtversuch krachend vor ihrem Brautstrauss auf den Boden knallt… Was nun beginnt ist ein Kampf der Auflehnung, um zumindest würdig leben zu können.

Tolle, treibende Bilder und eine kraftvolle, vielschichtige Komposition von Michio, die ebenbürtiger Partner der Choreographie von Maura Morales ist – die Tänzerinnen Giorga Conte, Valentina Militano und Laura Colombo sind exzellent und ausdrucksstark, ein berührend schönes, zartes, intimes und gleichzeitig bedrückendes Bildnis unserer Zeit, nicht nur aber auch, aus kubanischer Sicht betrachtet. Eine Zeit, in der es diesseits und jenseits des Atlantiks noch immer nicht selbstverständlich ist, sein Ich und Sein gefahrlos in der Öffentlichkeit zu leben.

Anmut und Würde_Cooperativa Maura Morales_©TANZweb.org_Klaus Dilger

Anmut und Würde_Cooperativa Maura Morales_©TANZweb.org_Klaus Dilger