Videoimpressionen eines Abendspaziergangs

Heimat?

in der Kleingartenanlage Kirschbaumsweg in Essen

von Klaus Dilger

Titelbild©Ursula Kaufmann

Vier mal durften jeweils 35 BesucherInnen über Gartenzäune lugen, „Nachbars Garten“ besuchen oder sich auf freiem Feld den tänzerischen und musikalischen Impressionen hingeben, die sich Jelena Ivanoviç (Choreografie und Regie) und Markus Stollenwerk (Musik) ausgedacht hatten.

Zwei der gut eineinhalbstündigen Spaziergänge fanden in der Abenddämmerung statt, jeweils einer am Morgen und am späten Nachmittag. (Wir haben uns durch den späten Nachmittag führen lassen).

Ivanoviç inszenierte diese entlang eines satirischen“roten Fadens“ , der sich durch die verschlungen scheinenden Wege der Kleingärten schlängelte, und dabei Augen zwinkernd auch noch die anstehenden Kommunalwahlen im Blick behielt. Ob hierbei die viel besungenen „Heimländer“ Chancen hätten? – Wollen wir es nicht hoffen.

Was ist für uns „Heimat“ mit „?“, der Titel scheint dies auf den Prüfstand stellen zu wollen. Für die meisten der „Tanz-Kunst-erwartenden Spaziergänger“ dürfte der Besuch einer Kleingartenanlage ein Novum gewesen sein. Je nach Kulturkreis begleiten solche Parzellen in der Natur oftmals der Nimbus des idyllischen Refugiums einer Grossstadt, oder auch der einer, an Gartenzaun Horizonten messbaren,  klein karierten Bourgeoisie, ebenso wie das Vereinswesen an sich, seien das Kaninchen, Briefmarken oder eben Kleingärten..

©Ursula-Kaufmann-HEIMAT - Ensemble

©Ursula-Kaufmann-HEIMAT – Ensemble

Irgendwo dazwischen wäre diese Welt wohl (vor)urteilsfrei in die Sinne der Spaziergänger eingedrungen, um sich dort zu „etwas“ zu entwickeln, gerade so wie Pflänzchen aufgehen, wachsen, gedeihen, oder auch nicht, zumal den Gärten die Unterschiedlichkeit der Besitzer anzusehen war: zwischen wilder Natur und Lineal vermessener Bändigung. Hätten sich die MacherInnen die Freiheit genommen, all dies, in Verbindung mit der Poesie der Bilder und des Tanzes, die den Spaziergang ganz überwiegend getragen haben, sich entwickeln zu lassen, er wäre noch lohnender geworden.

Dabei hätten Ivanoviç und MitstreiterInnen durchaus die Mittel, sich auf die Symbiose dieser beiden, per Definition, sich gegenüberstehenden Begriffe der Kunst und der Natur auch ganz abstrakt einzulassen. Fast wirkt es aber, als hätte sie die Furcht abgeschreckt, die Grenze zwischen Poesie und Kitsch nicht halten zu können und haben sich deswegen lieber auf eine Gratwanderung zwischen Poesie und Satire begeben. Manches gerät dabei zu gewollt und zwingt so die ZuschauerInnen in eine Haltung, die sie bevormundet. Das ist nicht immer zielführend.

Mehr Mut zum Kitsch hätte der Produktion gut getan. Vielleicht gehen die Protagonisten vor den nächsten Spaziergängen im September noch einmal an Dramaturgie und einzelne (Sprech-)Szenen und möglicher Weise entsteht ja reine Schönheit?

Eine Tanz & Theaterproduktion von und mit Jelena Ivanovic
Idee, Choroegrafie & Regie Jelena Ivanovic – Musik Markus Stollenwerk – Darsteller Murat Alkan, Rainer Besel, Esther Krause Paulus, Jelena Ivanovic, Markus Stollenwerk, Damiaan Bartholomeus Veens, Anna Wehsarg, Esther Krause
gefilmt am 9.August 2020 von Klaus Dilger
editing DANSEmedia | berlin

©Ursula-Kaufmann-HEIMAT

©Ursula-Kaufmann-HEIMAT – Anne Wehsarg

Erneut im September 4. September 20 Uhr | 6. September 18 Uhr – Garten der Erinnerung im Duisburger Innenhafen

– Ticketreservierung info@jelena-ivanovic.com

Das Tanz und Theaterprojekt „Heimat?“ wird gefördert vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, dem Kulturamt der Stadt Essen, dem Kulturbeirat des Stadt Duisburg, der Sparkasse Essen, der Albau Stiftung und der Baedekerstiftung. In Kooperation mit dem Theater Freudenhaus und mit freundlicher Unterstützung des Grend-Kulturzentrum Essen und der Kleingartenanlage KGV Kirschbaumsweg in Essen Haarzopf.

©Ursula-Kaufmann-HEIMAT

©Ursula-Kaufmann-HEIMAT – Jenena Ivanoviç und Anne Wehsarg