SPIELZEIT 2025 & 2026…
KOMMENTAR&VORSCHAU TANZTHEATER WUPPERTAL PINA BAUSCH
DER KOMMENTAR…
… Wäre es nur um den „neuen“ Spielplan für die kommende Spielzeit des Tanztheater Wuppertal gegangen, das sich nun wieder auf das Markenzeichen Pina Bausch konzentrieren darf, dann hätte sich die sehr überschaubare Zahl der Pressevertreter_innen bereits nach zwanzig Minuten wieder auf das dargereichte Frühstück konzentrieren können.
WUPPERTAL UND HAMBURG…?
Auch dies ist bereits eine „Meldung“, eine sehr traurige sogar, sagt diese Feststellung doch sehr viel aus über den mittlerweile erreichten, oder besser verlorenen, Zustand des Tanzjournalismus in Deutschland (und darüber hinaus), der sich unisono gerade lieber über den vermeintlichen Skandal um Demis Volpi, den geschassten Hamburger Ballett Nachfolger von John Neumeier, echauffiert. Immer wieder tauchen hierbei die Verweise nach Wuppertal auf, immerhin hat man dort schon die Erfahrung von mittlerweile dreimaligem Scheitern bei der Nachfolgesuche voraus, wenn es darum geht, die Compagnie einer Choreograf_innen-Legende (auch mit neuen Kreationen) in die Zukunft zu führen und deren Werke auf höchstem Niveau weiterhin präsentieren zu können.
ABRUPTES ENDE…
In Wuppertal endet die kurze Intendanz von Boris Charmatz ebenso abrupt wie (natürlich noch) unaufgearbeitet nach „nur“ drei Jahren Amtszeit. Eine dürre Pressemeldung verkündete im Februar, voll des Lobes für den scheidenden Intendanten, das vereinbarte Schweigen zu dessen Abgang, das wie erwartet auch auf Nachfrage eines Kollegen an diesem Morgen nicht gebrochen wurde.
Die Frage nach der Kompetenz derer, die berufen wurden und derjenigen, die diese Berufung verantworten, um über geeignete Nachfolgen zu entscheiden und die ganz offensichtlich Mitschuld tragen an den Debakeln, hier wie in Hamburg, wurde (bisher) nie gestellt, auch nicht an diesem Morgen im ehemaligen Wuppertaler Schauspielhaus.
WAS BLEIBT…?
Denn natürlich ging es auch in Wuppertal nicht „nur“ um die Pläne der kommenden Spielzeit, die das Tanztheater aktuell in Dänemark und anschliessend in Wien beim IMPULS-Festival zu (einem zahlenmäßig erfolgreichen) Ende bringen wird, auch für den französischen Noch-Intendanten, der eine erfolgreiche „Wiederbelebung“ bezüglich der Nachfrage an seinen Arbeiten feiern dürfte.
Was bleibt vom grossen deutsch-französischen Kulturprojekt, das Charmatz bei seinem Amtsantritt wortreich angekündigt hatte und was ist hierfür an Mitteln von französischer Seite auf- und eingebracht worden?
..ES BLEIBT LUFTIG
Die Antwort auf diese Frage ist so überschaubar wie die eingesetzten französischen Mittel selbst, die sich darauf beschränken, die minimalistisch geförderten Strukturen von „terrain“ weiterhin zu fördern und somit dessen Zusammenarbeit mit dem Tanztheater Wuppertal, was das zur Struktur gehörende Personal betrifft. Man sagt dem Tanz nach, er sei „éphémère“, also vergänglich und von kurzer Dauer. Manchmal sind es auch die Worte.
NACHFRAGE UNGEBROCHEN…
…… Nicht so die offensichtlich ungebrochene Nachfrage rund um den Globus an Pina Bausch Stücken, wie auch der nun vorgelegte Spielplan belegt, der nur noch an einer Stelle konzeptuell auf Charmatz verweist: für drei Vorstellungen wird in Genf dessen „Club Amour“ Konstellation gezeigt werden, das zwei seiner alten Stücke mit Pina Bausch „Café Müller“ verbindet.
Weshalb so wenig von Boris Charmatz im Kalender auftauche, wurde gefragt?
Weil es hierfür keine Nachfrage gegeben hat, so die einfache Antwort.
GUT AUFGESTELLT, EIGENTLICH…
Für die kommende Spielzeit wird Dr. Daniel Siekhaus die Intendanz übernehmen und mit Azusa Seyama-Prioville hat er nun eine überaus kompetente Künstlerische Assistenz an seiner Seite, ebenso ein sehr bewährtes Team in allen weiteren Bereichen, um die Arbeiten von Pina Bausch auf höchstmöglichem Niveau auf die Bühnen zu bringen. Doch diese Intendanz ist auch interimistisch gedacht, bisher, denn in der Pressemeldung im Februar erfolgte auch die Ankündigung, dass die neue Intendanz des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch zugleich auch die Gründungsintendanz des zukünftigen Pina Bausch Zentrums werden soll.
ENTSCHEIDUNG ERST IN 2026
Eine Entscheidung hierüber wird daher erst erfolgen, wenn der Rat der Stadt Wuppertal eine abschließende Entscheidung zum Bau des Pina Bausch Zentrums getroffen haben wird. Diese Entscheidung steht nach aktuellem Planungsstand spätestens im Jahr 2026 bevor.
Stadtdirektor Matthias Nocke zeigte sich in dem Pressegespräch durchaus bewusst, dass es nicht einfach sein werde, diese Position adäquat zu besetzen...
SCHEITERN IST KEINE OPTION…
„Was passiert, wenn das Pina Bausch Zentrum (PBZ) nicht kommt in der geplanten Form?“, wurde Nocke gefragt und ob es denn einen Plan B gäbe, denn schliesslich seien der Erhalt des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch und des unter Denkmalschutz stehenden Graupner Baus, das Alte Schauspielhaus, die zentralen Anliegen für die Stadt?
Hier zeigte sich der Stadtdirektor davon überzeugt, dass es gelingen werde, das Pina Bausch Zentrum zu realisieren, auch vor dem Hintergrund, dass der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer unlängst eine Kulturbauten-Offensive gefordert hat, durch die in den nächsten Jahren herausragende Objekte in Deutschland realisiert werden sollen.
Und auch Dr. Rolf Jürgen Köster, Aufsichtsratsvorsitzender des Tanztheaters, machte deutlich, „Einen Plan B gibt es nicht und ein Scheitern ist keine Option“.
ZUR SPIELZEIT 2025 2026…
Dr. Daniel Siekhaus, Geschäftsführer und ab August 2025 Geschäftsführender Intendant des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, stellte heute im Beisein von Stadtdirektor Matthias Nocke und Dr. Rolf Jürgen Köster, Aufsichtsratsvorsitzender, den Spielplan 2025-2026 des Ensembles vor.
Die 52. Spielzeit des Ensembles seit der Gründung 1973/1974 steht mit insgesamt 81 Aufführungen mit 12 verschiedenen Produktionen (davon 9 Stücke von Pina Bausch und 2 von Boris Charmatz) für eine große Vielfalt. 39 Aufführungen werden in Wuppertal stattfinden, 42 im Rahmen von Gastspielreisen und Tourneen in 10 Ländern. Ein weiterer Fokus liegt auf der Intensivierung von Tanzvermittlungs- und Vernetzungsprojekten in die Stadt und die Tanzszene hinein und die Fortsetzung von bereits etablierten Sonderprojekten mit modifiziertem Konzept, wie zum Beispiel die im Rahmen von PINA40 initiierte Reihe Underground mit neuen Kreationen von Tänzer*innen des Ensembles.
WAS KOMMT?…
Das Ensemble präsentiert drei große Neueinstudierungen von Pina Bausch-Werken, in Wuppertal Das Frühlingsopfer (1975) zuletzt in Wuppertal im November 2018 (mit Orchester) und Masurca Fogo (1998) zuletzt zu sehen im Juli 2019 in Wien, sowie als Gastspiel in Taipeh “ …como el musguito en la piedra, ay si, si, si …“ (2009) zuletzt gezeigt in Wuppertal im Oktober 2019.
ASIENTOURNEE…
Im November 2025 bestreitet das Tanztheater eine mehrwöchige Asientournee mit Nelken in Seoul und Sejong (Südkorea) und ´Sweet Mambo` in Kyoto und Saitama (Japan). In Wuppertal zu sehen sind Café Müller gemeinsam im traditionellen Doppelabend mit Das Frühlingsopfer, außerdem Vollmond, Masurca Fogo, Nelken, ´Sweet Mambo` sowie Kontakthof von Pina Bausch und Kontakthof – Echoes of ´78 * von Pina Bausch / Meryl Tankard mit Mitgliedern der Originalbesetzung von Kontakthof, eine gemeinsame Produktion mit dem Sadler’s Wells Theatre und der Pina Bausch Foundation, welche als eine der zehn „bemerkenswertesten Inszenierungen“ zum Theatertreffen 2025 nach Berlin eingeladen wurde*
NELKEN IN CHATEAUVALLON…
Mit dem von Boris Charmatz konzipierten dreiteiligen Abend Club Amour reist das Ensemble nach Genf, mit ´Sweet Mambo` nach London; in Charleroi und Luxemburg wird Palermo Palermo zu sehen sein und in Budapest und Athen Vollmond . Ein besonderes Highlight wird zum Ende der Spielzeit Nelken unter freiem Himmel im Amphitheater von Châteauvallon in Südfrankreich sein.
NEUE…
Am 27. Juli 2025 hätte Pina Bausch ihren 85. Geburtstag. Ihr künstlerisches Werk lebt weiter dank der von Pina Bausch selbst initiierten Kultur der Weitergabe, der herausragenden Kompetenz der Probenleiter*innen und Weggefährtinnen und einer heranwachsenden jungen Tänzer-Generation, die sich für das Werk von Pina Bausch begeistert und engagiert. Vier neue Tänzer*innen haben sich dem internationalen Ensemble angeschlossen:
seit Januar 2025 Edd Arnold aus Großbritannien, Samuel Famechon aus Frankreich und ab August 2025 Claudia Ortiz Arraiza aus Puerto Rico und Melanie Martinez aus den USA.
ECHOES OF ’78…
*Die Produktion Kontakthof- Echoes of ´78 ist ein Beitrag zur Vorbereitung des Pina Bausch Zentrums und wird im Rahmen der Vorlaufphase aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt Wuppertal gefördert.
PROFI-WORKSHOPS…
Ein Novum der kommenden Spielzeit sind Profi-Workshops für fortgeschrittene Tänzer*innen und Tanzstudierende. An ausgewählten Wochenenden werden Tänzer*innen der Kompanie ihre Methoden und Techniken vermitteln.
Zum Jahresbeginn 2026 startet ein generationsübergreifendes Tanzprojekt mit Rainer Behr – eine feste Gruppe wird über ein halbes Jahr gemeinsam ein Tanzstück entwickeln und sich selbst tanz-künstlerisch ausprobieren…
KOOPERATIONEN…
In Kooperation mit den Wuppertaler Bühnen wird es eine Fortbildungsreihe für Pädagog*innen geben, in der innovative künstlerische Methoden für die Arbeit mit (Schul-)Theatergruppen aus erster Hand weitergegeben und gemeinsam ausprobiert werden.
Für Schulklassen und Studentengruppen wird es weiterhin die Möglichkeit geben, Proben und Generalproben zu besuchen.
Ein Highlight ist eine Schulvorstellung von Vollmond, die das Tanztheater in der kommenden Spielzeit für Schulklassen am 25.03.2026 um 18 Uhr anbietet.
credits
Editing und Gestaltung: DANSEmedia | berlin
Bildnachweise:
Seite 4, 16 und 18: Marcelle Münkel
„…como el musguito en la piedra, aysi, si, si…“
alle anderen ©Klaus Dilger
Seite 1: Ensemble „Das Frühlingsopfer“
Seite 9: „Masurca Fogo“
Seite 12 und 14: Nelken
Seite 22 und 23: VOLLMOND
Seite 25: „Das Frühlingsopfer“
Seite 28 und 31: „Echoes of ’78“
Seite 32 und 36: PALERMO PALERMO
Videomitschnitte Klaus Dilger