Pressekonferenz beim Tanztheater Wuppertal Pina Bausch

Das Tanztheater stellt die kommende Spielzeit vor

von Klaus Dilger

Die kommende Spielzeit des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch wird eine vielversprechende sein: für die Tänzerinnen und Tänzer, die diesem Ensemble angehören, weil es für sie, auch für die Jüngeren, ein grossartiges Erlebnis ist, die Stücke der Tanztheater-Ikone zu tanzen und aufzuführen und für das Publikum auf unserem Globus, diese Aufführungen mitzuerleben.

Água, Vollmond, Palermo Palermo, Das Stück mit dem Schiff werden auch in Wuppertal zu sehen sein und als ein spannendes Highlight im Januar 2023, das Gemeinschaftsprojekt zwischen der Pina Bausch Foundation, der École de Sable aus Senegal und dem Saddlers Wells in London, Pina Bauschs „Das Frühlingsopfer“, getanzt von einem Ensemble von Tänzerinnen und Tänzern aus 13 afrikanischen Ländern. Letzteres wird zur Aufführung gelangen im Verbund mit „common ground(s)“, einem Duo von Germaine Acogny und Malou Airaudo und „Café Müller“, getanzt von zwei verschiedenen Besetzungen des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, begleitet von dem Sinfonieorchester Wuppertal unter Leitung von Patrick Hahn.

Doppelabend_CGs_Foto_MaartenVandenAbeele_c_PinaBauschFoundation

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AGUA-PINA-BAUSCH@TANZweb.org_Klaus Dilger

AGUA-PINA-BAUSCH@TANZweb.org_Klaus Dilger

Im Mai 2023 sollte sich Wuppertal dann in „Wundertal“ verwandeln, wenn Boris Charmatz, der geplant die kommenden acht Jahre künstlerischer Leiter sein wird, erstmals mit dem Ensemble in den Strassen der Stadt, ergänzt um circa 200 Laiendarsteller, mit seiner ersten Kreation für das Tanztheater zu sehen sein wird.

Verkündet und vorgestellt wurde dieses Programm am Freitag im Spiegelfoyer des Wuppertaler Opernhauses. Es ist ein Übergangsprogramm, das weitgehend noch erarbeitet wurde von den bisherigen Verantwortlichen in Zusammenarbeit mit Boris Charmatz. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die Gastspiele im internationalen Tanztheatergeschäft teilweise um Jahre vorausschauend geplant werden müssen.

Bettina Wagner-Bergelt, die als Intendantin im Juni ausscheidet, nutzte die Pressekonferenz für die eigene Verabschiedung, einschliesslich einer einzigartig grossartigen und phantastischen Bilanz ihrer eigenen Arbeit der letzten drei Jahre, für die ihr auch von Matthias Nocke, Kulturdezernent der Stadt Wuppertal und Dr. Rolf-Jürgen Köster, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Tanztheater Wuppertal Pina Bausch GmbH gedankt wurde.

Ebenso phantasievoll auch die Vorstellung der Ideen von Boris Charmatz, deren Realisierungen abgewartet sein wollen, um nicht allein spekulativ fragen und diskutieren zu müssen und denen im Interesse des Erhalts und der Entwicklung des Tanztheaters, einschliesslich der Werke seiner Gründerin, nur das allerbeste gewünscht werden darf.

So ging die Pressekonferenz, die erstaunlich wenige Medienvertreter_innen an die Wupper kommen liess, nahezu ohne Fragen zu Ende.

Eine von zwei Fragen einer Journalistin, ob er denn seinen Lebensmittelpunkt nach Wuppertal verlegen würde, beantwortete Boris Charmatz nicht direkt, sondern verwies auf seine eigene Geschichte als Tänzer und Choreograf, die er nicht abschneiden wolle und flocht ebenfalls seine jüdische Herkunft mit ein.

(Noch vor einem Jahr scheiterte die Bewerbung eines künstlerischen Leiters, für den sich mehr als zwei Drittel der Beschäftigten des Tanztheaters Wuppertal ausgesprochen hatten, an dieser Bedingung, wenngleich dieser nach monatelanger Hinhaltetaktik  formal selbst seine Bewerbung zurückgezogen hatte. – wir berichteten)

Dies kann, bei wohlwollender Betrachtung, als ein Zeichen des Umdenkens gewertet werden und gleichzeitig als Ein- und Zugeständnis, dass die grosse Mehrheit der Künstlerinnen und Künstler sehr wohl die gelegentliche Enge des Tals gegen die Weite der Welt tauschen müssen, um kreativ bleiben zu können. Auf die weitere Entwicklung darf und muss gespannt gewartet werden.

PALERMO PALERMO_PINA BAUSCH_©KLAUS DILGER.

PALERMO PALERMO_PINA BAUSCH_©KLAUS DILGER.

Zitate aus den Ausführungen des zukünftigen künstlerischen Leiters, Boris Charmatz, die dieser in sehr gutem Deutsch vortrug:

„…Ich komme auch, um mit manchen Werken Pina Bauschs radikal zu experimentieren. Ich hatte zum Beispiel schon angekündigt, dass ich von einem ihrer Stücke eine Nackt-Version erstellen will, in der es keine Dekoration und keine Kostüme geben wird. Wir werden nach draußen gehen und Pinas Arbeit im Freien testen. Sie selbst hatte uns ja dazu aufgefordert: In dem Film „Die Klage der Kaiserin“, der im Wesentlichen im Freien gedreht wurde, und auf der Bühne hat sie zusammen mit Peter Pabst oft Naturelemente einbezogen: Regen, Erde, Blumen u. a. m.

In meinen Augen könnte die Kompanie eine „Dancing in the rain”- Kompanie werden, die nicht nur ein Opern- und Theater-Ensemble ist (das natürlich auch), sondern auch lokal verwurzelt ist. Wohin man auch geht, nach draußen, in die Museen, in die Natur des Ruhrgebiets, überall findet man Reminiszenzen an die Kohle, den Stahl und die Textilindustrie.

Schließlich möchte ich die große Diversität des Ensembles in meiner Arbeit nutzen. Ihm gehören 30 Mitglieder an, einige sind 25, andere über 60. Ich möchte mit dieser großen Gruppe arbeiten und sie sogar noch erweitern, indem ich die Stadt einbeziehe und ihre Bürger zur Mitarbeit einlade. Für mich ist dieses Ensemble der kleinste gemeinsame Nenner: Es kann Wissen weitergeben, Energie auf viele andere Körper übertragen, und zwar nicht nur auf die Körper der Zuschauer, sondern auf die der Kinder, der Laien, der Studierenden, der Bewohner, mit denen das Ensemble wiederum neue originelle Stücke schaffen kann.

Mein Projekt stützt sich auf zwei Pfeiler: auf das [terrain]-Projekt und auf die Stadt Wuppertal. [terrain] ist sowohl ein künstlerisches Projekt als auch ein Team, das gegenwärtig mit mir an Werken an Ort und Stelle arbeitet, in Museen, an verschiedenen Standorten. In meinen Augen besteht eine sehr starke Komplementarität zwischen dem [terrain]-Team und dem Team des Tanztheaters Wuppertal. Ich gehe jede Wette ein, dass man mit einem Projekt, das sich entwickelt und das in Nordrhein- Westfalen und der Region Hauts-de-France angesiedelt ist, eine größere Kompanie bilden kann. Zwischen diesen Regionen besteht schon eine wirtschaftliche, strategische und kulturelle Zusammenarbeit. Als Franzose, der in Deutschland mit der Kompanie von Pina Bausch, einer der großen, anerkannten, unterstützten und in Frankreich bewunderten Choreografinnen, arbeitet, möchte ich diese Verbindung fester gestalten.

Im September 2022 übernimmt Boris Charmatz die Leitung des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, um dort mit [terrain] ein neues Projekt zwischen Frankreich und Deutschland zu entwickeln, wie er sagt….“

Ensemble Kontakthof © Tristram Kenton

A scene from Kontakthof by Pina Bausch @ Sadler’s Wells. A Tanztheater Wuppertal Pina Bausch production.
(Opening 03-02-2022) ©Tristram Kenton 02-22