Stipendiaten des PINA BAUSCH FELLOWSHIP wurden vorgestellt

Eine Sprache für das Leben finden – an dieses künstlerische Credo von Pina Bausch knüpft das PINA BAUSCH FELLOWSHIP an. Kunststiftung NRW und die Pina Bausch Foundation starteten 2016 ein gemeinsames Stipendienprogramm und vergeben seitdem jährlich das Pina Bausch Fellowship for Dance and Choreography.

Die Kunststiftung NRW und die Pina Bausch Foundation vergaben am 1. Februar 2020 zum fünften Mal das Pina Bausch Fellowship for Dance and Choreography. Ernannt wurden die diesjährigen Stipendiat*innen von einer neu besetzten, internationalen Jury: Madhusree Dutta, Nora Chipaumire und Ruth Mackenzie haben aus 144 Bewerbungen die drei neuen Fellows 2020 ausgewählt.

McIntosh Jerahuni (bevorzugte Pronomen: him/er), Musiker, Tänzer und Choreograph, kommt aus Simbabwe, wo er die Jerahuni Movement Factory, die freien Tanzunterricht für alle Bewegungsinteressierte anbietet, gegründet hat. Seine Kooperationspartnerin ist Jawole Willa Jo Zollar (New York City, USA), Gründerin der Urban Bush Women. Das 1984 gegründete Performance Ensemble hat sich der Erforschung kultureller Ausdrucksformen als Katalysator für sozialen Wandel verschrieben.

NEVE Mazique Kamilah Ricardi (bevorzugte Pronomen: they/sie [plural]), Choreograf, Autor, Komponist und Performer, sind ein Schwarzer (sudanesischer Ureinwohner) und germanisch & keltisch-amerikanischer biqueer polygeschlechtlicher, trashig-opulenter, märchenhaft-femininer, behinderter Country-Punk Junge. Während ihres Fellowship begleiten und unterstützen sie Marc Brew (Oakland, Kalifornien), künstlerischer Leiter von AXIS. AXIS gilt als die führende Tanzkompanie für integrativen zeitgenössischen Tanz in den Vereinigten Staaten und eine der renommiertesten weltweit.

Majesty Royale (bevorzugte Pronomen: they/sie [plural]), Tänzer und Performer aus North Carolina (USA), schaffen mit ihrer Arbeit eine alternative und ekstatische Gegenwarts-/Zukunftssituation für queere, Schwarze Körper. Für ihr Fellowship werden sie das Künstlerduo Gerard & Kelly (Paris, Frankreich) bei der Arbeit an einem neuen Kapitel ihres laufenden Projekts Modern Living begleiten.

Die drei neuen Fellows stellten sich am Samstag, dem 1. Februar 2020, im Rahmen der öffentlichen Veranstaltung MEET THE FELLOWS! 2020 offiziell in Wuppertal vor. Im Gespräch mit Moderatorin Prasanna Oommen berichteten sie von ihrer künstlerischen Arbeit, von ihren Kooperationspartner*innen und von ihren Fellowship- Plänen. Im zweiten Teil des Abends stellten Ariel Moreira, Lee Méir, Marc Philipp Gabriel und Martha Hincapié Charry vor, was sie in ihren Fellowship- Monaten erlebt haben und welchen Einfluss diese neuen Erfahrungen auf ihren Alltag und ihre künstlerische Arbeit haben. Zwischendurch gab es immer wieder Möglichkeiten zum Austausch.

Das Stipendium gibt Tänzer*innen und Choreograf*innen die Möglichkeit ihre künstlerische Entwicklung zu erweitern, neue Ausdrucksformen zu erlernen und durch die Arbeit mit Kooperationspartner*innen ihrer Wahl in intensive künstlerische Prozesse einzutauchen.

Es werden Arbeitsstipendien im Ausland für den Aufenthalt an renommierten Instituten der Tanz- und Choreografie-Ausbildung gefördert. Durch das Stipendium ist auch eine Mitarbeit in einem Ensemble bzw. die Hospitanz bei einem*r Choreograf*in und das Studium von Tanztechniken bei renommierten Persönlichkeiten im In- oder Ausland möglich. Das Fellowship zeichnet auf diese Weise nach, was Pina Bausch häufig als die wichtigste Grundlage für ihre künstlerische Arbeit bezeichnete: Das uneingeschränkte Vertrauen und die große Offenheit ihrer Ausbilder und Förderer in ihre Person.

Das Stipendium wird international ausgeschrieben und richtet sich an Einzelkünstler*innen aus den Bereichen Tanz und Choreografie. Es gibt anders als bei anderen Stipendien keine Altersbeschränkungen. Die Dauer eines Stipendiums beträgt mindestens drei und maximal sechs Monate. Es beinhaltet eine monatliche Förderung von 2.500 Euro und die einmalige An- und Abreise zum Aufenthaltsort. Jährlich werden bis zu vier Stipendien vergeben.

Die Stipendiat*innen suchen sich eine*n Kooperationspartner*in, an dessen künstlerischer Arbeit sie interessiert sind bzw. mit dem sie gerne zusammenarbeiten möchten. Gemeinsam sollen die Stipendienvorhaben geplant und umgesetzt werden. Jede Bewerberin und jeder Bewerber muss selbst die Kooperationspartnerin/den Kooperationspartner kontaktieren und sich die Zusammenarbeit im gewählten Zeitraum durch den „Letter of Intent“ bestätigen lassen.

Das Pina Bausch Fellowship ist keine Projektförderung und zielt nicht auf eine Stückentwicklung ab.

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Eine unabhängige Jury aus international renommierten Persönlichkeiten der Tanzszene suchte die Stipendiat*innen aus, die nun der Öffentlichkeit im Rahmen einer Auftakt Veranstaltung vorgestellt wurden:

McIntosh Jerahuni

McIntosh Jerahuni (bevorzugte Pronomen: him/er) ist ein Musiker, Tänzer und Choreograph aus Simbabwe. Dort hat er die Jerahuni Movement Factory gegründet, die freien Tanzunterricht für Bewegungsinteressierte anbietet. Er ist überzeugt, dass die körperlichen Erfahrungen spirituellen und emotionalen Unterströmungen Raum geben, die in anderen Tanzformen völlig ignoriert werden.

Für sein Fellowship kooperiert McIntosh Jerahuni mit Jawole Willa Zollar, Gründerin der Urban Bush Women (New York City, USA). Das 1984 gegründete Performance Ensembe hat sich der Erforschung der kulturellen Ausdrucksformen als Katalysator für sozialen Wandel verschrieben. Für einen Zeitraum von fünf Monaten begleitet McIntosh die Kompanie und wird Erfahrung in der Kreation und Umsetzung von großen Produktionen sammeln. Während seines Stipendienaufenthaltes wird McIntosh in das Choreografieren und die Inszenierung zweier Opern eingebunden sein und wird ein neues Werk für UBW Scat! schreiben, choreografieren und inszenieren können. Darüber hinaus wird er die Gelegenheit haben, Zollars Pädagogik-Ansatz während ihrer Unterrichtszeit an der Florida State University (USA) erleben zu können. Diese Erfahrungen sollen ihn für seine zukünftigen Projektpläne in Simbabwe und seinen Wunsch, mit der Hilfe der Kunst gesellschaftliche Veränderung zu bewirken, unterstützen. Es geht ihm darum, durch Kunst Identität zu stiften und den verschiedenen Gemeinschaften Simbabwes ein Modell an die Hand geben zu können, wie diese erfolgreich aufgebaut werden kann. Gleichzeitig möchte er mit seiner zukünftigen Arbeit dem Publikum Erfahrung vermitteln, die es im Kampf um die Wahrung und Verteidigung der Menschenwürde und Identität  vereint.

Die Jury über McIntosh Jerahuni:

„McIntosh Jerahuni‘s choreographic work is multi-layered: he combines traditional and historical with contemporary and futuristic elements in a fearless, sophisticated and witty way, reaching out to a wider range of audiences. His choice to go from Zimbabwe to the US to spend the Fellowship with Urban Bush Women not only illustrates his interest in topics as racism, sexism as well as social change, but also shows his ambition to experience and learn from the process of creating a large-scale production.“

Neve Mazique Kamilah Ricardi

Neve Mazique Kamilah Ricardi (bevorzugte Pronomen: they/ sie [plural]) ist Choreograf, Autor und Performer und lebt in den Unceded Coast Salish Territories. Sie sind ein Schwarzer (sudanesischer Ureinwohner) und germanisch & keltisch-amerikanischer biqueer polygeschlechtlicher, trashig-opulenter, märchenhaft-femininer, behinderter Country-Punk Junge und beanspruchen unter ihren Vorfahren Edward C. Mazique, Arzt und Revolutionär, und Margery Williams Bianco, die Autorin von The Velveteen Rabbit, für sich. Sie sind Mitbegründer der Access-Centered Movement und haben kürzlich die Access-Centered Dance Company Mouthwater gegründet.

Für ihr Fellowship kooperieren NEVE mit AXIS, die als führende Tanzkompanie für integrativen zeitgenössischen Tanz in den Vereinigten Staaten und als eine der renommiertesten weltweit gilt. Von Juli bis Ende Oktober werden Neve den künstlerischen Leiter von AXIS, Marc Brew, begleiten und unterstützen. Sie werden in dieser Zeit mehr über seine Erfahrungen in der Übersetzung von Choreografien zwischen verschiedenen Körpern, der Kreation neuer Werke und der Leitung einer professionellen Tanzkompanie lernen. In der Zeit ihres Stipendienaufenthaltes in Oakland (Kalifornien, USA) wird Brew ein neues Stück entwickeln und es bei den AXIS Home Season Performances zeigen. Neve wird den Transfer dieser Arbeit vom Studio auf die Bühne begleiten.

„The choreographic work of Seattle-based artist Neve Mazique Kamilah Ricardi challenges the audience‘s perceptional patterns by questioning the physical vocabulary and body norms predominant in dance. The cooperation with AXIS Dance Company in Oakland will provide a chance to share and learn from other artists exploring similar issues and to explore the choices for professional artists questioning and developing practice in the field of contemporary choreography. Again, the combination of political and artistic choices provides a rich and innovative palette and has the potential to challenge audiences, artists and dance programmers as well as to shape new perspectives on dance.“

Majesty Royale

Majesty Royale (bevorzugte Pronomen: they/sie [plural]), Tänzer und Performer aus North Carolina (USA), schaffen mit ihrer Arbeit eine alternative und ekstatische Gegenwarts-/ Zukunftssituation für queere, Schwarze Körper. Ihre Arbeit sagt Ja zur offenen Sexualität. Nein zu Scham. Ja zu falscher Grammatik und falscher Wahl der Umgangssprache. Ja zu ihrem Sissy Walk. Nein zu der Gewalt des Code-Switching und Ja zur Vielfältigkeit des Selbst. Nein zur Destillierbarkeit, zur Ersetzbarkeit. Ja zu ihrem Körper und Ja zur Ruhe. Ihre Arbeit ist ein Raum für Geister: Phantome, Phantasie, Fiktion, Reibung, Freiheit, Fluktuation, Flammen, Futurismus, Flyness. Majesty Royales Kooperationspartner ist das Künstlerduo Brennan Gerard und Ryan Kelly, bekannt als Gerard & Kelly.

Für ihr Fellowship werden sie die Arbeit an einem neuen Kapitel ihres laufenden Projekts Modern Living begleiten. Modern Living erkundet die Rolle von Intimität und privatem Raum innerhalb des Erbes der modernistischen Architektur. Bis zur Premiere im Le Corbusier‘s Cité Radieuse in Marseille (Frankreich) im Juni 2020, werden Majesty als Choreografie-Assistenz fungieren. In dieser Zeit werden sie Themen wie queere Lebendigkeit, Zurschaustellung und Besetzung aufgreifen und sich damit befassen, was es bedeutet, sich neben einem anderen Menschen vorzustellen. Die kreativen Eindrücke die sie in dieser Zeit sammeln werden, z.B. wie Gerard & Kelly sich mit Fragen zu queerem Leben in Form von Choreografie befassen, werden sie darin unterstützen ihren eigenen choreografischen Fragen näher zu kommen. Gleichzeitig können sie Erfahrung in der Organisation von Produktionen sammeln.

Die Jury über Majesty Royale:

„Majesty Royale recently graduated in dance at UArts, Philadelphia, and represent the next generation of artists willing to leave their comfort zone to follow their trajectory to discover. Their cooperation with Gerard & Kelly will give them the opportunity to experience the professional production of a choreographic work as well as to participate actively in a transversal research on queer liveness, exposure, intimacy and occupancy. The personal, political and artistic combine in exciting and original ways in their work and this cooperation may open new doors for all the artists and for their audiences in the future.“

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KUNSTSTIFTUNG NRW

1989 von der Landesregierung unter Ministerpräsident Johannes Rau als Stiftung für Kunst und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen errichtet, unterstützt die Kunststiftung NRW herausragende künstlerische Positionen und Projekte. Insbesondere wird ihr Stiftungszweck durch die Förderung von Ausstellungen, Konzerten, Tanzprojekten, Theaterinszenierungen, Lesungen und Werkaufträgen verwirklicht. Darüber hinaus gehört neben anderen Schwerpunkten die Förderung des besonders begabten künstlerischen Nachwuchses zu den zentralen Aufgaben der Stiftung. Im Jubiläumsjahr 2019 setzte die Kunststiftung NRW mit eigenen Veranstaltungen und Initiativen zusätzliche Akzente. Diese werden auch in Zukunft fortgesetzt, u. a. durch die Förderung herausragender Künstlerpers.nlichkeiten. Die Fördermittel der Kunststiftung NRW speisen sich aus Lottogeldern des staatlichen Anbieters WestLotto.

www.kunststiftung-nrw.de

PINA BAUSCH FOUNDATION

Der Auftrag der Pina Bausch Foundation ist, das künstlerische Erbe der großen Tänzerin und Choreografin zu bewahren, lebendig zu halten und in die Zukunft zu tragen. Eine grundlegende Aufgabe der Foundation ist es dabei, die vielschichtigen und außerordentlich umfangreichen Materialien des künstlerischen Nachlasses von Pina Bausch in einem Archiv zu erschließen und große Teile der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ergänzend dazu geht die Foundation auf Spurensuche, um das Wissen und die Erfahrung von Pina Bauschs Weggefährten, Tänzern und Mitarbeitern zu sammeln.

Das Ziel dieser Arbeit ist, Pina Bauschs Kunst lebendig zu erhalten, indem sie auch für zukünftige Generationen erfahrbar wird – für Fachleute und Laien, Neugierige und Neulinge, Menschen jeden Alters und besonders für eine junge Tänzergeneration. Indem ihre Stücke auch in Zukunft immer wieder auf der Bühne wirklich werden.

www.pinabausch.