Uta’s Bahnhof…

… oder was macht Zebrastreifen zu Kunst?

von Klaus Dilger

Diese provokativ gemeinte Frage aus dem Chat konnte auch der Kurator und stellvertretende Direktor der städtischen Galerie Wolfsburg, Marcus Körber, nicht beantworten, der auch für die Kunststation im Wolfsburger Bahnhof verantwortlich zeichnet. Dort „steht man auf Kunst“, wie eine Anspielung auf den Fußboden im Bahnhof lautet, den der französische Konzeptkünstler Daniel Buren 2005 durch weisse und graue Streifen gestaltete. Ob das Kunstwerk von der Mehrzahl der täglich 20.000 Bahnhofs-Passanten als solches wahrgenommen und nicht nur mit Füßen getreten wird, schien den Kuratoren wohl zu ungewiss, denn um diese Arbeit zu „vermitteln“ wurde im Wolfsburger Bahnhof eigens eine „Kunst-Station“ eingerichtet, die nunmehr seit nahezu sechzehn Jahren alle sechs Monate von international bekannten Künstler_innen neu gestaltet wird.

Körber war am Montag virtuell zu Gast im Barmer Bahnhof, wo sich vier weitere „Stationsvorsteher_innen“, nämlich die Gastgeber Thusnelda Mercy und Pascal Merighi – Tanzstation Barmen – und Tine und Eckehard Lowisch – Kunststation im Bahnhof Vohwinkel – der Moderation durch Dr. Uta Atzpodien anvertrauten.

Trotz beträchtlichen Problemen mit der Tontechnik hätte es eine spannende Diskussion werden können, auch für die sechzehn Zuschauer_innen an ihren Bildschirmen, wäre denn der knappe zeitliche Rahmen von einer Stunde nicht beinahe gänzlich aufgebraucht worden durch die jeweiligen Präsentationen der drei Stationen, die vor allem aus Wolfsburg sehr ausladend geriet, während sich Lowisch selbstbewusst knapp fassen konnte, wohl auch in Erwartung eines Gesprächs. Denn bereits in der Vorstellungsrunde, über die der Abend leider kaum hinaus kam, wurden die gegensätzlichen Positionen deutlich: Eckehard Lowisch der Künstler, der sich mit seiner Kunst den Passanten (gelegentlich auch in den Weg) stellt, sie herausfordert, Körber der Kurator, der die Autostadt auch ein wenig zur Kultur- und Kunststadt aufpolieren soll, denn schliesslich sind Bahnhöfe die Tore in die Stadt und last but not least Merighi | Mercy, die für die Passanten (noch?) unsichtbar im Obergeschoß residieren und, so scheint es, eher die Atmosphäre des Bahnhofs als Ort für sich und ihre Arbeit nutzen wollen. Lowisch muss sich nicht rechtfertigen, sondern will offensichtlich die Wirkung seiner Kunst an Menschen erforschen, die mit Kunst a priori nichts am Hut haben, während bei den anderen beiden Stationen doch ganz erheblicher Rechtfertigungs-Druck gegenüber den Geldgebern besteht, einschliesslich der permanenten Gefahr der Behauptung und der Superlative.

Die Installation RED von René Seifert im Jahr 2009.©Städtische Galerie Wolfsburg

Die Installation RED von René Seifert im Jahr 2009.©Städtische Galerie Wolfsburg

Da hätte es um das Wesen der Kunst und ihren Stellenwert für die Gesellschaften gehen können, gerade jetzt in Zeiten der behaupteten „Systemrelevanz“ und „Bedeutung der Kunst- und Kulturwirtschaft als Wirtschaftsmacht“.

Bahnhöfe bedeuten nicht nur ankommen und abfahren, denn dazwischen warten Menschen, die ohne sich zu kennen gemeinsame Ziele haben, zumindest für einen Zeitraum und eine Wegstrecke. Bahnhöfe sind nicht nur Zweckarchitektur, sie sind vor allem soziale Räume.

Wo könnte sich Kunst besser einmischen als dort, wo sie niemand sucht? Dazu muss sie aber sichtbar und spürbar werden, Gestalt annehmen, Körper, gerne auch Fremdkörper werden, der berührt und interessiert, provoziert ohne überheblich zu sein, der Menschen in ihrer Hast verlangsamt oder auch stolpern lässt, der etwas auszulösen vermag, das über den Augenblick hinausragt.

Ja, es hätte spannend sein können…. Aber ein Anknüpfungspunkt ist vielleicht gemacht mit Uta’s Bahnhof in Barmen, der ja bekanntlich eine lange Talk-Format-Tradition aufzuweisen hat.

Die-Erschaffung....Foto-Ralf-Silberkuhl

Die-Erschaffung…. Kunststation im Bahnhof Vohwinkel – Eckehard Lowisch © Foto-Ralf-Silberkuhl