Quo Vadis? … Wohin geht das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch?

… Verlängerung offener Fragen?

Ein Kommentar von Klaus Dilger

Eigentlich sollte im Juni letzten Jahres und dann bis Mitte Februar diesen Jahres der Vertrag mit der neuen künstlerischen Leitung des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch unterzeichnet und die neue Führungskraft der Öffentlichkeit präsentiert werden. Stattdessen nun die Pressemeldung der Stadt Wuppertal und des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, dass der Vertrag mit der bisherigen Leitung um ein weiteres Jahr verlängert wurde.

Oberbürgermeister Schneidewind erklärt die Vorgänge so: „…durch die sehr speziellen Bedingungen angesichts der aktuellen Corona-Pandemie, die einen persönlichen Austausch nur sehr bedingt zulassen, konnten wir diese Überlegungen noch nicht abschließen.“

Verständlich, natürlich… einschliesslich und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Corona bedingt ein bisheriger Erfolg der Künstlerischen Leiterin, Bettina Wagner-Bergelt, nicht wirklich abschliessend messbar ist.

Der kaufmännische Geschäftsführer jedoch, Roger Christmann, hat die Compagnie zumindest finanziell gut durch die nun einjährige Krise steuern können. (wir berichteten darüber)

Nazareth Panadero und Michael Strecker_Two Die ForUNDERGROUND-VII@TANZweb_Klaus-Dilger

Nazareth Panadero und Michael Strecker_Two Die For_UNDERGROUND-VII@TANZweb_Klaus-Dilger

Das Ensemble braucht mehr denn je eine Leitung, bei der das „Künstlerische“ nicht nur als Wort im Vertrag steht.

Durch die Vertragsverlängerung wurde nun wichtige Zeit gewonnen, damit die Compagnie nicht ohne Leitung dasteht. Diese gilt es intensiv zu nutzen, denn noch dringender, als auf die Nachweise der bisherigen Führungsleistung, warten alle Tänzerinnen und Tänzer, neben der Möglichkeit wieder richtig proben und auftreten zu können, auf eine neue künstlerische Leitung.

Eines ist mit oder ohne Corona deutlich geworden:

Es bedarf endlich einer Künstler-Persönlichkeit, männlich, weiblich oder als Kollektiv, die auf Augenhöhe mit den Künstler_innen des Ensembles gemeinsam das voran zu bringen vermag, worum es bei dem Werk Pina Bauschs wirklich geht und die in der Lage ist, mit eigenen, neuen Kreationen die weitere Zukunftsgestaltung der Compagnie anzupacken.

Dies wird nur auf der Basis von Vertrauen, menschlich wie künstlerisch, und mit Klarheit und Transparenz geschehen können. Nur so werden auch neue Blicke auf das Werk Pina Bauschs möglich sein, gemeinschaftlich mit dieser komplexen und komplizierten Compagnie.

Man muss kein Insider sein, um deutlich zu erkennen, dass es gerade daran mangelt und dass sich darüberhinaus viele Themen innerhalb des Tanztheaters seit Langem zu Bergen aufgetürmt haben dürften, die häufig genug die Sicht auf eine Zukunft versperren, vielleicht auch auf manch zurückliegende Bemühung der bisherigen Intendantin.

Diese Berge abzutragen bedarf es aber auch der entsprechenden Partner, nicht zuletzt Salomon Bausch und die Pina Bausch Foundation, die Rechteinhaber für eines der wesentlichen Betätigungsfelder der Compagnie.

Thema „Transformation“ und „Mehrgenerationen Ensemble“

Wie ein Mantra wurde in der Vergangenheit immer wieder ein „Transformations-Prozess“ als scheinbar wichtigstes Ziel ausgegeben. Ein solches jedoch dürfte  für die Künstler_innen ohne einen zukunftsfähigen Plan für ein weltweit einmaliges Mehrgenerationen-Ensemble eher nach einer Drohung klingen.

Denn ein solcher Plan müsste beinhalten, wie dieses Mehrgenerationen-Ensemble erhalten, ausgebaut und zu einer künstlerisch kreativen Gemeinschaft wachsen kann.

Transformation kann nicht bedeuten, einen unkündbar gewordenen Tänzer oder Tänzerin eines Tages beim Theaterbesuch in der Garderobe oder Pförtnerloge anzutreffen, oder unsichtbar zum Beispiel in der Schneiderei weiter zu beschäftigen. (Was keiner dieser Künstler zu Recht wohl jemals akzeptieren würde)

Von der Führung einer der weltweit bekanntesten und einzigartigsten Compagnien darf auch erwartet werden, dass von ihr Impulse ausgehen, die weit über die eigenen Grenzen und Befindlichkeiten hinausgehen, die Themen aufgreift, einbringt und den Blick auf diese durchzusetzen vermag.

Neue Impulse

Hierzu gehören weltweit insbesondere die Themen rund um die (Co-) Autorenschaft von Tänzer_innen und Choreograf_innen und die damit verbundenen Rechte. Eine Frage (und sei sie nur gefühlt) der Bewertung eines gemeinsamen Schaffensprozess und seiner späteren Nutzung und auch Vermarktung. Fragen, die insbesondere durch die Methodik Pina Bauschs und des Tanztheaters virulent geworden sind. Hierin wohl auch eingeschlossen alle Fragen zur Weitergabe des Werkes von Pina Bausch: durch wen? an wen? wie und wann?

Dies tangiert nicht erst seit Corona weltweit auch Fragen eines Absicherungsmodells für die Künstler_innen und sei es nur durch zusätzliche Einkünfte aus Tantiemen für die Autor_innen auf Lebenszeit, wie sie im Tanz in Frankreich etwa von der SACD geregelt werden oder in den USA durch Copyrights.

Das-Stück-mit-dem-Schiff_Pina-Bausch@TANZweb.org

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Auch das Pina Bausch Zentrum braucht eine kompetente und visionäre Leitung

Die Stadt wird nun dringend darüber nachdenken müssen, wie sie die Suche nach einer künstlerischen Leitung für das Tanztheater, aber auch für das Pina Bausch Zentrum organisieren und wem sie diese Suche anvertrauen möchte.

Die zurückliegenden, gesammelten Erfahrungen auf dem Weg zu einem Pina Bausch Zentrum, hier unter dem Titel „under construction – wir bauen zusammen ein Haus“, haben hinsichtlich Plan und  Durchführung  für Irritationen und Misserfolg gesorgt. Sie haben gezeigt, dass es dringend kompetenter Handelnder bedarf, damit dieses Zentrum nicht Ende der zwanziger Jahre, inhaltlich und partizipatorisch, als leerer Kulturpalast in Wuppertals Geschichte eingehen wird.

Wer wie bisher immer die gleichen Geleise benutzt, darf nicht hoffen an einem neuen Bahnhof anzukommen.

Die seit 2015 gesammelten Erfahrungen hinsichtlich mancher Choreografen- und Leitungsauswahl sollten Lehre genug sein, um diese nicht zu wiederholen.

Tanz Film Tanz Kritik Wuppertal

PRESSEBILDER-PINA-BAUSCH-AUF-DEM-GEBIRGE-TANZweb.