Spannender Auftakt zur Veranstaltungsreihe  „Pina Bausch Zentrum under construction

Das Stück mit dem Schiff – Ein Stück von Pina Bausch

Einstudierung Barbara Kaufmann, Héléna Pikon, Julie Anne Stanzak mit der israelischen Künstlerin Saar Magal; Assistenz Niv Marinberg

Pressemeldung:

Im November wagt das Ensemble des Tanztheater Wuppertal die aufwändige Rekonstruktion von „Das Stück mit dem Schiff“ von 1993. Das von zarter Melancholie, feinsinnigem Humor und großer Tanzlust geprägte Stück zeigt eine gestrandete Gesellschaft an einem verlassenen Ort. Ein Strand ohne Meer, ein Schiff ohne Wasser. Aus dem Alltag gerissen, zwischen Verletzlichkeit und Überlebenswillen um sich selbst ringend, tanzen alle als ginge es um ihr Leben. Das selten gespielte Stück wurde 1993 in Wuppertal uraufgeführt, zuletzt vor 24 Jahren in Saitama, Japan, gezeigt und wird jetzt in altersgemischter Besetzung neu einstudiert.

Im Rahmen des Transformationsprozesses des Tanztheater Wuppertal im Hinblick auf den Umgang und die Pflege des Erbes der Choreographin Pina Bausch werden  – wie schon 2019 bei „Blaubart“  und bei „Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen“  – Proben-, Besetzungs- und Aufführungspraxis und die Weitergabe von Rollen und Stücken überdacht und neue Arbeitsweisen erprobt. Für die Rekonstruktion von „Das Stück mit dem Schiff“ konnte Intendantin Bettina Wagner-Bergelt die israelische Künstlerin Saar Magal gewinnen, die einen konstruktiven Außenblick auf die Produktion wirft und zusammen mit den Probenleiterinnen Barbara Kaufmann, Héléna Pikon, Julie Anne Stanzak und weiteren Tänzer*innen der Urbesetzung 1993, die ihre Rollen weitergeben, diese Produktion auf die Bühne zurückbringt.

Saar Magal, Choreographin und Regisseurin, steht für einen eigenwilligen inszenatorischen Ansatz, bewegen sich ihre Produktionen doch in den Zwischenräumen von Choreographie, Oper, Schauspiel und Performance. Sie entwickelte Projekte unter anderem für die Batsheva Ensemble Dance Company, die Bayerische Staatsoper (Hacking Wagner), an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, sowie 2021 für das Schauspiel Frankfurt und das Burgtheater Wien. Sie arbeitete international mit den Regisseuren Krzysztof Warlikowski und Robert Woodruff zusammen und unterrichtet am Theatre Department der Harvard University sowie Tanz und Performance an Hochschulen in Israel und den USA.

Kommentar von Klaus Dilger

Ein spannendes Projekt, ganz sicherlich. Nicht nur weil „Das Stück mit dem Schiff“ von Pina Bausch so selten zu sehen war, obwohl es ein ganz grossartiges Werk ist, sondern auch, weil mit diesem Prozess der Rekonstruktion Möglichkeiten angedeutet werden könnten, die die Konzeption des geplanten „Pina Bausch Zentrums“ im Alten Schauspielhaus (das hoffentlich im Sinne eines Nationalen Zentrums für Choreografie begriffen wird) vielleicht erahnen lassen.

Da es aber um die gesamte Rekonstruktion eines Werks von Pina Bausch geht und nicht um Fragmente daraus, mit denen sich vielleicht radikaler hätte experimentieren lassen, haben wir nachgefragt, denn die Pressemeldung hätte sich auch so lesen lassen, insbesondere wegen des Absatzes: „…Saar Magal, Choreographin und Regisseurin, steht für einen eigenwilligen inszenatorischen Ansatz…“, als hätte „Intendantin Bettina Wagner-Bergelt die israelische Künstlerin Saar Magal gewinnen (können), die … diese Produktion auf die Bühne zurückbringt.“ – Wie wäre das denkbar und dies nicht nur wegen solch knapp bemessener Zeit, die auf Grund der Corona-Schutzmaßnahmen noch knapper geworden ist? Nicht nur in Wuppertal werden viele mit dem Namen Saar Magal wenig anfangen können, auch in der internationalen Tanzwelt wartet die in den USA lebende Israelin noch auf ihren Durchbruch und internationale Anerkennung, was daran liegen mag, dass sie mehr dafür bekannt ist, mit interessanten Fragestellungen an ihre Themen heranzugehen, als  dafür, rundum überzeugende Arbeiten an der mittlerweile gängigen Grenze zwischen Choreografie, Oper, Schauspiel, oder unter dem einfach zusammengefassten Begriff „Performance“, abgeliefert zu haben.

Hierauf haben wir dankenswerter Weise umgehend nachfolgende Auskunft erhalten: „Bezüglich Ihrer Frage zu Saar Magal: es handelt sich um einen kollektiven und demokratischen Arbeitsprozess, bei dem das Wissen aller zusammengefasst und in einen kreativen Prozeß überführt werden soll. Saar Magal arbeitet mit bestimmten Methoden in ihren eigenen Produktionen, einem Forschungsprozess, so könnte man es nennen. Wege, auf denen sie eine Unvoreingenommenheit, Lockerheit, Offenheit herstellt. Und es geht um einen demokratischen Prozess, bei dem sich Barbara Kaufmann, Héléna Pikon, Julie-Anne Stanzak und Saar Magal gemeinsam beraten, um das Werk von Pina Bausch auf die Bühne zu bringen.“

Bleibt zu hoffen, dass das mit der Demokratie klappt und auch dass Corona keinen Strich durch die Rechnung machen wird – Karten unbedingt reservieren!

Das eindrucksvolle Bühnenbild von Peter Pabst aus Sand, Dünen und einem gestrandeten Schiffskörper wird unter seiner Leitung original wiederhergestellt.

Vogelstimmen, das Rauschen von Regentropfen, Geräusche des Urwalds und Harfenklänge, unterbrochen von heftigen Gewittern und drohendem Donner, begleiten Arien von Walther von der Vogelweide, Georg Friedrich Händel, Christoph Willibald Gluck sowie Musiken aus Renaissance und Mittelalter, Klänge aus Indien, Marokko, Namibia …, zusammengestellt von Matthias Burkert.

Das-Stück-mit-dem-Schuff_photo_Maarten_Vanden_Abeele

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Das Stück mit dem Schiff – Ein Stück von Pina Bausch

Uraufführung 1993 – Rekonstruktion ab 21. November 2020 in der Wuppertaler Oper zu sehen – Choreographie Pina Bausch – Bühne Peter Pabst – Kostüme Marion Cito

Zur Spielzeit 20/21 begrüßt das Tanztheater vier neue Tänzerkollegen, die das Ensemble, das durch den Weggang einiger Kolleg*innen über die vergangenen Jahre (u.a. Regina Advento, Bénédicte Billiet, Breanna O‘ Mara, Douglas Letheren und Pau Aran Gimeno) nicht mehr voll besetzt war, vervollständigen: Taylor Drury, Alexander Lopez Guerra, Dean Biosca und Gabriel Brito werden erstmals in Wuppertal in Das Stück mit dem Schiff zu sehen sein.

Die Kanadierin Taylor Drury (geb. 1992), die an der Royal Winnipeg Ballet School und der Juilliard School in New York studierte und zuvor am Staatstheater am Gärtnerplatz in München engagiert war. Der Amerikaner Dean Biosca (geb. 1994), der zuvor am Saarländischen Staatsballett tanzte und unter anderem in Werken von Stijn Celis, Richard Siegal, Anna Konjetzky, Jiři Kylián, Alexander Ekman, Lar Lubowitch und Brian Brooks zu sehen war. Gabriel Brito (geb. 1997) aus Brasilien tanzte unter anderem beim Hamburg Ballett John Neumeier sowie zwei Jahre lang im Bundesjugendballett. Alexander Lopez Guerra (geb. 1995) kommt aus Peru. Er war in Werken von Crystal Pite, Akram Khan, Alexander Ekman, Sidi Larbi Cherkaoui und Ohad Naharin auf der Bühne zu sehen.

Neue-Tänzer_©MNKAMPFER

Neue-Tänzer_©MNKAMPFER

Die Rekonstruktion von Das Stück mit dem Schiff bildet den Auftakt für die von 21. – 29. November geplante Veranstaltungsreihe Pina Bausch Zentrum under construction im alten Schauspielhaus.

Aktuelle Informationen dazu unter : pinabauschzentrum.de und pina-bausch.de ab Ende Oktober.

Aufführungen am 21., 22. 24. 25. 26. 27. 29. November 2020

Vorverkaufsbeginn 25. September 2020

Auftakt zur Veranstaltungsreihe  „Pina Bausch Zentrum under construction

Besetzung: Emma Barrowman, Andrey Berezin, Gabriel Brito, Taylor Drury, Çağdaş Ermiş, Jonathan Fredrickson, Silvia Farias Heredia, Ditta Miranda Jasjfi, Milan Nowoitnick Kampfer, Yosuke Kusano*, Alexander Lopez Guerra, Blanca Noguerol Ramírez, Ekaterina Shushakova, Oleg Stepanov, Julian Stierle, Michael Strecker, Christopher Tandy, Stephanie Troyak, Tsai-Wei Tien, Ophelia Young, Tsai-Chin Yu, N.N.; Änderungen möglich!