Zehn Jahre „first & further steps“

TOTAL BANANE… ODER DOCH NICHT?

Die Kompanie „Flying Elephant“ eröffnet die Jubiläumsausgabe des Krefelder Nachwuchsformats mit der Premiere von „Friendly Hunting“ in der Fabrik Heeder

von Bettina Trouwborst

Der Mann hat eine fixe Idee. Die Banane, die er auf einem runden Tablett vor sich her trägt, soll die junge, dunkelhaarige Frau essen. Er verfolgt sie mit dem krummen, gelben Ding – doch sie will sie nicht. Der Mann bleibt hartnäckig. Wer das Glück hatte, Stücke von Pina Bausch mit dem Tänzer Jan Minarik zu sehen, der hat den kürzlich verstorbenen Tanztheater-Protagonisten vor Augen. Überhaupt wandern die Gedanken bei der Produktion „Friendly Hunting“ der jungen Kompanie „Flying Elephant“ öfter Richtung Wuppertal. Die Mechanismen von an Obsession grenzende Sturheit, von Verfolgung und Wegstoßen, von Zärtlichkeit und Brutalität, von der Grenze zwischen Spiel und Ernst waren auch die Motive im Werk der Tanztheater-Ikone.

Bei „Friendly Hunting“ geht es allerdings weniger um Geschlechterkampf als um Evolution. Was die Banane angeht: Der Dritte im Bunde, getanzt von Florian Entenfellner, hätte sie gerne. Doch der Besitzer der Frucht weigert sich beharrlich. Irgendwann kippt die Szene, Ersterer zwängt Zweiteren plötzlich die Banane gewaltsam auf, zwingt ihn, sie zu essen. Mit Szenen wie diesen untersucht das Trio 45 Minuten lang sein Thema: die Zerrissenheit des Menschen zwischen sozialem Wesen und Gewaltbereitschaft zwecks Überlebens. Denn evolutionstechnisch endet der Gemeinschaftssinn da, wo der Darwinismus anfängt. Schon der Titel „Friedly Hunting“ ist ein Paradoxon, das das Anliegen der Nachwuchschoreografen auf den Punkt bringt.

„Flying Elephant“ ist eine sehr junge, freie Kompanie, die Seulki Hwang und Florian Entenfellner erst 2022 gegründet haben. Während die Südkoreanerin an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln studierte, absolvierte der Österreicher sein Studium an der Folkwang Universität der Künste in Essen und war Mitglied im Folkwang Tanzstudio. Nun kreieren die beiden ihre eigenen Choreografien. Vorzugsweise eben sozialpolitische Performances. Die dritte Produktion der Kompanie basiert auf Recherchen im Maschinenhaus Essen und in der TanzFaktur Köln.

Auf der Bühne erlebt man ein hochdynamisches Trio aus Florian Entenfellner, Tobias Draeger und Annalisa Palmieri. Das Zusammenspiel dieser Drei ist choreografisch und tänzerisch absolut sehenswert. Ihre Moves aus Akrobatik und physical partnering gehen ineinander über und verschmelzen organisch zu originellen Konstellationen und Figuren. Das entschädigt für die deutlichen dramaturgischen Schwächen. Vieles zieht sich doch sehr hin. Eins jedoch ist den Akteuren von „Flying Elephant“ nicht abzusprechen: die Lust am Performen.

Das Setting im Halbdunkel, umrahmt von toten Zweigen, Baumwurzeln und -stämmen, erinnert an eine Höhle. Hier haust die kleine archaische Gesellschaft. Vögel zwitschern, die beiden Tänzer gleiten nacheinander in bodennahe Bewegungen, vermutlich den Affen abgeguckt, über die Bühne. Die junge Frau identifizieren sie als Beute. Entenfelder macht das Rennen mit selbstironischer Pointe: Klirren ist zu hören, Palmieri fällt rücklings auf die Bühne und wird von ihrem Verfolger an den Füßen weggezogen. Noch manche Tode wird sie in diesem Stück sterben – ebenso wie ihre beiden Kollegen.

Denn das Schema ist immer gleich: Eine Person wird in ein Kräftemessen oder ein Machtspiel hineingezogen, bis aus Spaß Ernst und die Person gemobbt oder bedroht wird. Liegt erst der oder die eine regungslos am Boden, kippt die Stimmung in Traurigkeit und liebevolle Wiederbelebungsversuche. Sind alle wieder ins Leben zurückgekehrt, beginnt eine ähnliche Challange. Das bringt das Stück keinen Millimeter weiter.

Choreografisch gelingen indes abwechslungsreiche, teils komplizierte, teils spielerische Figuren im Stil des Physical Theatre. Beispielsweise verschränken sich alle Drei stehend ineinander, sodass die beiden äußeren in der Luft schwingen. Oder Entenfellner und Palmieri mutieren zur Spinne, bis Schüsse zu hören sind. Sie fallen scheinbar tot zu Boden – mal wieder.

In der Schlussszene hocken die Akteure friedlich beisammen, das goldfarbene, runde Tablett mit kargen Snacks geht um. Da schleudert Draeger unvermittelt das Ding weg und sofort springen die beiden anderen in Angriffsstellung – und verharren im Spotlight. Inszenatorisch ein starkes Finale, inhaltlich kein Erkenntnisgewinn.