schrit_tmacher  zeigt im Rahmen des Festivals

B.DANCE aus Taiwan mit

Floating Flowers

Von Thomas Linden   

An die viel zitierte Sanftmut der Asiaten mag man beim Titel „Floating Flowers“ der B.DANCE Kompanie aus Taiwan denken. Tatsächlich tanzen Frauen wie Männer in weißen Tutus aus zartem Musselin und das schrit_tmacher Festival mochte es sich auch nicht nehmen lassen, mit einem Bild der Inszenierung auf dem Cover seines Flyers zu werben. Sanft ging es dann aber gar nicht zu in der Produktion des jungen taiwanesischen Choreographen Po-Cheng Tsai, eher fulminant, und zwar so fulminant, dass das Publikum in der Fabrik Stahlbau Strang in Aachen mit dem Schlussapplaus wie eine Eins zur Standing Ovation ansetzte.

Flowers_B.DANCE©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Flowers_B.DANCE©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Mit der Natur als zentralem Sujet setzt sich die Truppe aus Taiwan auf subtile Weise auseinander. Wie schwebende Blumen mögen die duftigen weißen Röckchen vor schwarzem Hintergrund ausschauen. Aber hier geht es nicht allein um dekorative Effekte, obwohl die von den Chinesen auch mit großer Meisterschaft gesetzt werden, sondern die Inszenierung stellt gleich zu Beginn die Frage, ob wir unser Leben selbst gestalten, oder ob uns das Leben formt? Zum Tanz auf der Bühne, in dem das Ensemble wie eine Anzahl Seerosen zwischen Gruppenbildern und solistischen Momenten für das Betrachterauge fast unbemerkte Wechsel vollzieht, sind auf einem Screen im Hintergrund amorphe Formen in raschen Bildschnitten zu sehen. Mal handelt es sich um Wolken, dann wieder um Lichtspiegelungen auf einer Wasseroberfläche oder um Schattengebilde. Stets handelt es sich um Formen, die noch im Werden sind und ihre endgültige Bestimmung nicht gefunden haben.

Ein Moment der Schöpfung wird hier beschworen, in dem die Urbestandteile des Lebens schon vorhanden sind, aber nach der Gestalt noch gesucht werden muss. Ganz konkret bezieht das Ensemble diesen Prozess auf unsere innere Entwicklung, wenn es danach fragt, wie sich „Persönlichkeit“ bildet. Identität hat man nicht, sondern sie muss erst durch Erfahrung erworben werden. So darf im Schlussbild, wenn alle Tänzerinnen und Tänzer frontal aufgereiht vor dem Publikum stehen, auch jeder seine persönliche Bewegungsmarke setzen. An expressiven Momenten mangelt es dieser Choreographie nicht. Es wird viel mit den Armen und dem Oberkörper gearbeitet. Hier liegt das Zentrum der Gestik, allerdings verharren die Körper nie in bloß beschwörenden Posen, wie man es oftmals in Europa sieht, sondern sind stets geerdet durch einen Einsatz der Füße, der auch dann spürbar bleibt, wenn die Füße vom weißen Musselin verdeckt sind.

Floating-Flowers_B.DANCE©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Floating-Flowers_B.DANCE©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Das Überzeugende an der Arbeit von Po-Cheng Tsai und seinem Ensemble ist die Verschmelzung von klassischem Ballett und Modern Dance. Er hält sich nicht beim Zitieren der jeweiligen Stilrichtungen auf. Mit seinem Ensemble erzeugt er vielmehr etwas drittes, das uns eine Vorstellung davon gibt, welch fruchtbarer Ausdruck des menschlichen Wesens gelingen kann, wenn auf beide Traditionen zurückgegriffen wird. Hier funktioniert, was ein Richard Siegal mit seinem Ballet of Difference stets anvisiert, aber mangels choreographischer Vision immer wieder verfehlt. Kombiniert wird das Repertoire der westlichen Tanztradition von B-Dance mit asiatischer Kampftechnik und rituellen Bewegungsgesten. Nicht immer verläuft die Verschmelzung hierbei bruchlos, aber dort, wo sie elegant zelebriert werden kann, bekommt man eine Vorstellung davon, wie der Tanz Zugang zu körperlichen Gesten eröffnen kann, die allen Menschen zu eigen sind. Mit verblüffender Konsequenz gelangt B-Dance wieder zu den essenziellen Momenten am Beginn aller Zeiten, als die Bewegung noch auf der Suche nach der Bedeutung war, mit der sie zum Instrument der Kommunikation werden konnte.

Unerhörte Geschwindigkeit gepaart mit höchster Präzision macht das Potenzial dieses Ensembles aus. B.DANCE verfügt über Virtuosität, ohne sich in ihr zu verlieren oder sie mit kalter Professionalität auszustellen. Die Strenge des ästhetischen Programms dieser Truppe bleibt zwar stets spürbar, aber die Leidenschaft eben auch. Was zwischen Europa und Asien alles möglich ist, diese Tänzerinnen und Tänzer aus Taiwan führen es uns auf das Wunderbarste vor Augen.

Floating-Flowers_B.DANCE©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Floating-Flowers_B.DANCE©TANZweb.org_Klaus-Dilger