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Unterhaltung? Danebenhaltung

Die Tanzperformance „Captcha“ von El Cuco Projekt lockt mit hintergründigem Leichtsinn 

Rezension von Melanie Suchy

Großmutter, warum hast du so große Zähne? An den Schnauzen ragen zerknickte, drahtige Haare in die Luft, durch die Nasenlöcher ganz vorn kann man seitlich hindurchschauen. Die widerlichen Mäuler leicht geöffnet, fast durchscheinende Ohren an den felligen Köpfen und riesige glänzende Augen. Wie Linsen von Überwachungskameras. Es sind Fledermäuse, und wen die vorher gefressen oder infiziert haben, bleibt im Dunklen. Bei „Captcha“, dem neuen, bislang besten Stück des Kölner Labels El Cuco Projekt von Sonia Franken und Gonzalo Barahona machen sich im ganzen Raum drei hässliche Wesen breit, die sich allem Erklären, aller Logik widersetzen. Ohne Anhaltspunkte, die natürlicherweise ja oben an der Decke wären. Diese Flederwesen wollen nichts. Die sind nur da und verhalten sich.

captcha©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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Unterhalten sich stumm. Unten menschenhaft, mit Pluderhosen und Pullis in matten Farben und ungleichen Socken an den Füßen, oben die tollen Maskenköpfe des Künstlers Barahona, schleichen sie unhörbar herum, auf zwei oder mal vier Beinen, Händen, oder liegen, kriechen, lungern, während Tim Rollers Sounds von überall pritzeln, zirpen, johlen, nach Vögeln, Bächlein, Rockkonzertjubel klingen. Oder die Viecher wedeln, knicken, krümmen die Gliedmaßen. Deuten mit Zeigefingerchen auf die anderen, auf uns, auf sich. Kippen einen Bürotisch samt Stuhl. Schauen sich um, wirken mal keck, mal schüchtern, oft hibbelig, insgesamt herrlich dumm. Aber was wissen wir schon von ihnen. Also uns.

captcha©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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Gemäß dem Titel „Captcha“ geht es um das Testen, ob Menschen Maschinen als solche erkennen oder die sogenannte Künstliche Intelligenz. Statt das Publikum mit Avatar-spielenden Menschen zu behelligen, tummeln sich hier depperte Tierchen, die ein bisschen Gruppe fingieren, einander weder lieben noch hassen und schließlich eine grüne Berg-Seen-Wald-Landschaft in gemalter Kulissenform einmal im Kreis schieben. Vielleicht eine Art Zukunftsform der Menschheit, deren Blödheit längst zum Untergang der Welt beiträgt.

         Die Premiere, auf die sich die Rezension bezieht, war am 17. Februar 2022 im Kunsthaus Rhenania in Köln.

  Am 22.10.  um 20 Uhr bei MOVE! in der Fabrik Heeder in Krefeld. Am 23.10. um 18 Uhr im Loch Wuppertal     https://loch-wuppertal.de/programm/kalender/captcha-978

Daniela Riebesam, Jimin Seo, Margherita Dello Sbarba

Mitentwicklung Performance: Carla Jordão; Komposition: Timm Roller; Kostüm: Lena Thelen; Dramaturgie: Li Kemme, Outside Eye: Barbara Fuchs, Benedetta Reuter, Eva-Maria Baumeister und Marcelo Omine, Licht: Roman Sroka

captcha©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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