Festival “MOVE!”

TONKY LONKY

Reut Shemeshs „Tanzoper“ in der Fabrik Heeder

Mit der BODHI PROJECT dance company, Salzburg, Österreich

Nachtgedanken von Klaus Dilger

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Die Werke von Leah Goldberg und Hanoch Levin sollten ursprünglich Inspirationsquellen für Reut Shemeshs jüngste Arbeit sein, die sie für das, in Salzburg beheimatete, Bodhi Project entwickelte.

Dort feierte die Produktion, die ursprünglich „Wildes Land“ heissen sollte, unter dem Titel »Tonky Lonky«, im Juni ihre Premiere. Das auch international renommierte Festivals „Szene Salzburg“ bot hierfür den hochkarätigen Rahmen.

Shemesh liess diesen Gedanken während der intensiven Vorbereitungen wieder fallen. Zu gross war der Respekt für die literarischen Werke und als Erkenntnis daraus die Enge, die entstehen würde, wenn sie nicht frei mit diesem Material arbeiten könnte. Geblieben ist deren einzigartiger, humorvoller Blick auf das Leben, wie auf den Tod.  Literarisch fündig wurde die selbst aus Israel stammende Choreografin dann in unzähligen Interviews, die sie im Internet entdeckte. Mit ihnen liess sich gestalten, verändern, komponieren.

Tonky-Lonky-Bodhi-Project©TANZweb_Klaus-Dilger

Tonky-Lonky-Bodhi-Project©TANZweb_Klaus-Dilger

In den Tänzerinnen und Tänzern Anastasis Karachanidis, Andrea Givanovitch, Dylan Brahim Labiod, Hyaejin Lee, Kassichana Okene-Jameson und Lucija Romanova, die die aktuelle Besetzung des Bodhi Projects darstellen, hatte sie geniale Partnerinnen und Partner, die nicht nur über eine exzellente Tanztechnik verfügen, sondern über eine hochgradige künstlerische Sensibilität, gepaart mit einer ungemein weiten Palette an performativen Ausdrucksmöglichkeiten und jugendlicher Kraft und Unbekümmertheit.

Shemesh erzählt keine Geschichte mit „Tonky Lonky“ oder zu viele individuelle, um sie als solche wahrzunehmen. Dabei greift sie auch auf Stilmittel zurück, die sie schon in früheren Arbeiten ausprobiert hatte, wie etwa Anleihen auf orthodoxe Zeremonien, die sie extatischen und weltlichen Zeremonien, bis hin zu Rave-Parties, gegenüber stellt und gleichzeitig auf die Spitze treibt, oder verfremdete Stimmen aus dem Off, die synchron von den Performern auf der Bühne „gesprochen“ werden. All diesen Gegensätzlichkeiten wohnt eine innere Logik zu Grunde, zumal in Zeiten von (Selbst)Isolation und (Selbst)Darstellung. Diese Logik führt auch zu Gewalt. Sinnlosigkeit zur Sinnsuche.

Shemesh choreografiert in „Tonky Lonky“ nicht, sie komponiert. Was entstanden ist, ist eine Tanzoper die nicht immer einfach auszuhalten ist, und das ist gut so.

Es sind die Töne und Stimmen und deren Frequenzen die irritieren, ja zutiefst zu beunruhigen vermögen, obwohl oder gerade weil wir in beunruhigenden Zeiten leben. Diese Tanzoper entwickelt zunehmend eine Sogwirkung und auch dies macht diesen Abend so beunruhigend, denn auch der Abgrund scheint hier verführerisch.

Dieses Bodhi Project, diese Tanzcompagnie aus Salzburg, die Susan Quinn in logischer Weiterentwicklung ihres Ausbildungsprojekt SEAD ins Leben gerufen hat, muss man und frau im Auge behalten, zumindest dann wenn ihre ganz erstaunlichen Tänzerinnen und Tänzer auf Choreografinnen treffen wie hier.

Festival “MOVE!” - Unsere Videoimpressionen TONKY LONKY

Choreographie, Regie: Reut Shemesh · Tanz: Anastasis Karachanidis, Andrea Givanovitch, Dylan Brahim Labiod, Hyaejin Lee, Kassichana Okene-Jameson und Lucija Romanova · Musikkomposition und -bearbeitung: Simon Bauer · – Light Concept: Ronni Shendar – Lichtdesign: Frank Lischka – Costumes: Celina Mayr