Unsere Video-Impressionen von Anna Konjetzkys

HOPEless

und ein

Kommentar zu den Videoimpressionen von Klaus Dilger

Der „Star“ des Abends ist ein Traversencarrée von etwa sechs mal sechs mal drei Metern auf Rollen unter den vier Stehersäulen (wie später erfahrbar wird). In der Höhe ist dieses mit einem Geflecht aus einer Art Slag-Lines, breiten elastischen Gummibändern, so verspannt, dass es den drei Tänzerinnen und einem Tänzer als zweite Ebene dienen kann, auf der sie sich, quasi über den Köpfen des Krefelder Publikums, langsam aber überraschend aus dem Halbdunkel herauslösen können. Sie sind Suchende nach Halt und Gleichgewicht, ehe sie sich erst Minuten später auf „die Erde“ herablassen werden oder von dort oben auf selbige mit einem dumpfen Plopp herunterplumpsen.

Dieses erste Bild lässt entfernt an Ohad Naharins „THE HOLE“ denken (HIER unsere Nachtkritik), eines der grandiosesten Werke des israelischen Meisterchoreografen. Vielleicht ist der Gedanke auch nur inspiriert vom ersten Teil des Titels? Ein Gedanke, der sich Minute für Minute schwerer abschütteln lässt, was vermutlich auch dem Titel geschuldet ist, denn das Geschehen und die Qualität dessen, was hier in dem Münchner Gastspiel von Anna Konjetzkys „HOPEless“ auf der Krefelder Bühne der Fabrik Heeder zu sehen ist, hat ansonsten nichts mehr mit Ohad Naharin zu tun.

Es gibt, vor diesem Vergleichshintergrund wohlgemerkt, sechzig Minuten lang keine choreografische Sprache, die sich des Themas adäquat annehmen oder dieses umsetzen würde, nichts wirklich Überraschendes, das die Erwartung übersteigen, nichts das anregen würde, sich mit der eigenen Existenz oder der von anderen auseinander zu setzen, eine Hoffnung (HOPE), die Bürgermeister Frank Meyer als eines der Wesensmerkmale der (Tanz)KUNST bei seiner Eröffnungsrede so wohltuend kraftvoll skizziert hatte…. und genau hier gelangen wir zu dem Punkt, der die Tanzkritiker_innen landauf und -ab beschäftigt oder dies zumindest sollte: Darf oder muss nach unterschiedlichen Kriterien betrachtet und rezensiert werden, was aus der eher schlecht geförderten sogenannten „freien“ Szene kommt und was von etablierten Häusern, Compagnien und Choreograf_innen kommt? Und in welchen Abstufungen und Unterscheidungen müsste die Tanzkritik darauf eingehen und schlüssig hinweisen? Oder gibt es nicht vielmehr nur EINE TanzKUNST?

Melanie Suchy hat es an gleicher Stelle, anlässlich der „Welturaufführung“ von „Liberté Cathédrale“ des neuen Intendanten des Tanztheater Wuppertal, Boris Charmatz, auf eben diesen Punkt aber mit umgekehrten Vorzeichen gebracht: „…Hat man ein offenes Auge für das, was so viele freie Choreographinnen und Choreographen und ihre prekären Ensembles in NRW seit Jahren auf die Bühnen bringen, ist diese Charmatz-Kreation nur tänzer- und zeitbudgetmäßig größer bestückt, aber nicht viel anders oder moderner oder einfallsreicher als das, was in der „Szene“ längst gezeigt wird….“

Mit diesem Thema dürfen sich die Besucherinnen und Besucher des spannenden Krefelder MOVE!-Festivals noch bis zum 3.November in zahlreichen Aufführungen aus NRW und anderen Städten auseinandersetzen. Ein tolles Beispiel, das die These von Melanie Suchy zu unterstreichen vermag, ist das Gastspiel der „Exzellenz-geförderten“ Compagnie „bodytalk“ aus Münster mit ihrem Gastspiel von „KOREALITY“ am 24.September in der Fabrik Heeder.

HOPEless_Konjetzky©TANZweb.org_Klaus Dilger

HOPEless_Konjetzky©TANZweb.org_Klaus Dilger