move! Festival 2022

Kunst+Klima – Eine Paneldiskussion

Meinung von Klaus Dilger

Der Ankündigungstext zur Podiumsdiskussion „Kunst+Klima“*, am vergangenen Wochenende im Rahmen des Krefelder Tanzfestivals „move!“, hatte bereits viel Unschärfe und die Gefahr erkennen lassen, kaum relevante Antworten auf die Fragen zum Thema zu bekommen oder dies auch nur konstruktiv zu suchen. – So wurde einerseits im Programm formuliert, „Wie lässt sich das globale Kunstschaffen weiterhin rechtfertigen?“  und zum zweiten „Immer wieder (wird) formuliert, dass international tätige Künstler:innen durch Flugreisen und CO2 lastige Ökofussabdrücke im Sinne des Klimawandels nicht verantwortlich handeln.“

Gemeinsam wollte die Runde „den Ursachen und Möglichkeiten einer klimaneutralen und diversitätserhaltenden Internationalität in Kunst und Kultur und im Leben auf den Grund (gehen). Als Miteinander. Als Langstrecke. Als Perspektive.“ – Aha…! Aha…?

Kunst+Klima – Eine Paneldiskussion mit:

• Dr. Gabriele König (Kulturbeauftragte und Leiterin des Kulturbüros der Stadt Krefeld)

• Björna Althoff (Mitorganisatorin der Ortsgruppe Krefeld von Fridays forFuture, Mitglied bei KLUG   –Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V., parteilose Ratsfrau im Krefelder Stadtrat beratendes Mitglied im Klima-Ausschuss Krefeld)

• Christoph Winkler (freischaffender Choreograph, Berlin)

• Philipp Schaus (Dramaturg beim tanzhaus nrw, Düsseldorf, Mitglied der AG Nachhaltigkeit beim Bündnis internationaler Produktionshäuser)

Moderation: Melanie Suchy (Tanzjournalistin, Düsseldorf/Frankfurt am Main)

Tanz ist in jeder Hinsicht international. Schon immer gewesen und über die Jahrzehnte der Freien Szenen stetig gewachsen. Compagnien sind über die Erdplatten hinweg zu künstlerischen Familien zusammengekommen und Kultureinrichtungen basieren nicht selten auf der tragreichen Verwebung über Nationalgrenzen hinweg.

Kulturelle Vernetzung und das grenzüberschreitende Arbeiten sind eine Bereicherung – nicht nur für die Kunst- und Kulturschaffenden, sondern auch für das Publikum und unsere Gesellschaften.

Doch vor dem Hintergrund einer bewussten Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und dem Appell an die Welt, den Klimawandel mit seinen Folgen als Bedrohung ernst und wahr zu nehmen, kommt verstärkt die Frage auf: Wie lässt sich das globale Kunstschaffen weiterhin rechtfertigen? Immer wieder wird formuliert, dass international tätige Künstler:innen durch Flugreisen und CO2 lastige Ökofussabdrücke im Sinne des Klimawandels nicht verantwortlich handeln.

»MOVE!_extended« möchte das genauer wissen und formiert dazu eine Gesprächsrunde mit Akteur:innen der Kunst und Kultur sowie Klimaaktivist:innen. Gemeinsam gehen sie den Ursachen und Möglichkeiten einer klimaneutralen und diversitätserhaltenden Internationalität in Kunst und Kultur und im Leben auf den Grund. Als Miteinander. Als Langstrecke. Als Perspektive.

KunstKlima-Melanie-Suchy©TANZweb.org

KunstKlima-Melanie-Suchy©TANZweb.org

Dabei hätte es die Moderatorin Melanie Suchy, Kulturjournalistin aus Frankfurt|Düsseldorf, durch kluges Weglassen der Programmvorgabe und ebensolchen Fragen in der Hand gehabt, aus der Konstellation der Teilnehmenden klare und scharfe Positionen herausarbeiten zu lassen.

Schliesslich stand hier ein Künstler, stellvertretend für die In-Frage-Gestellten, Geldgebern und Veranstaltern gegenüber, von denen er per se abhängig sein könnte, um seine Kunst schaffen und zeigen zu können und einer Klimaaktivistin, die (zu Recht) von den Gesellschaften fordert, endlich alles zu tun, um das Leben auf diesem Planeten zu erhalten.

Fragen, die von der Moderatorin nie gestellt wurden, stattdessen: „welche Fragen würden Sie stellen und wie lauten die Antworten darauf?“

KunstKlima-Christoph-Winkler©TANZweb.org

KunstKlima-Christoph-Winkler©TANZweb.org

Mit Christoph Winkler saß einer der profiliertesten, politisch denkenden Künstler und Köpfe der Deutschen Tanzszene, als einziger Künstler auf dem Podium (Deutscher Tanzpreis 2022). Zudem einer, der in seinen Arbeiten immer wieder den digitalen Dialog mit seinen Künstler_innen erprobt und einen Grossteil seines Werks digitalisiert und online gestellt hat, ganz zu Schweigen von seiner interaktiven Plattform www.environmental-dance.com, die Wissen um die klimatischen Veränderungen der Erde mit traditionellen und zeitgenössischen Tänzen weltweit verknüpft, die den Menschen und sein Eingebunden-Sein in der Natur reflektieren.

Ziel von Environmental Dance ist es, den Wandel des Klimas auf unterschiedlichen Ebenen erfahrbar und sichtbar zu machen, und dazu Tanz, wissenschaftliche Daten und persönliche Zeugnisse aus zahlreichen Ländern der Welt gleichermaßen zu nutzen. Sein Projekt „Environmental Dances“ beschäftigt sich mit der Frage ob das spezifische Körperwissen von Tanzkulturen dazu benutzt werden kann einen weniger zerstörerischen Umgang des Menschen mit der Natur und der Ökosysteme zu erreichen.

Winkler versuchte im Verlauf des einstündigen Gesprächs immer wieder den Aspekt des Paradigmenwechsels einzubringen, ohne grossen Erfolg.

Es scheint auch in dieser Diskussion um das Klima ein fast ausschliesslicher Blickwinkel aus einer gemischteuropäischen Kultur „vorzuherrschen“.

Minimalkonsens der Runde vielleicht, wenigstens die Frage zu stellen, ob man | frau es den Künstler_innen denn auch noch zumuten will, sich in vorderster Front für den Klimawandel verantwortlich zeigen zu müssen?

KunstKlima-Gabriele-König©TANZweb.org

KunstKlima-Gabriele-König©TANZweb.org

Neben Winkler auf dem Podium Gabriele König, einst, wenn auch nur sehr kurz, die Kaufmännische Geschäftsführerin der Forsythe-Nachfolge-Compagnie, der Dresden Frankfurt Dance Company und nun Nachfolgerin von Jürgen Sauerland-Freer als Leiterin des Kulturbüros der Stadt Krefeld. Sie repräsentierte gleichzeitig die Veranstalterposition und die der öffentlichen Fördergeber. Von ihr blieb das „Argument“ im Gedächtnis, dass sich die Künstler_innen selbstverständlich daran messen lassen müssten, ob ihr ökologischer „Fussabdruck“ denn durch die Relevanz ihrer Arbeiten gerechtfertigt würde.

Björna Althoff, Ratsmitglied in Krefeld und Vertreterin der Ortsgruppe Fridays for Future in Krefeld brachte immer wieder Beispiele ins Gespräch, wie die Künstler_innen denn die Umweltbelastungen, die durch ihre Kunst entstehen, kompensieren könnten: etwa wie Fussballvereine, deren Stammpersonal ja durchaus Vorbildfunktion habe, vor die Fans treten können, die zu zigtausenden in die Stadien der Welt reisen, und diese auf den Umweltschutz aufmerksam machen könnten.

KunstKlima-Björna-Althoff©TANZweb.org

KunstKlima-Björna-Althoff©TANZweb.org

Und Philipp Schaus, als Vertreter der Internationalen Produktionshäuser, also derjenigen, die Produktionsmittel und Aufführungsorte und -Strukturen besitzen oder verwalten, komplettierte die Runde. Hier die Erkenntnis, dass die Aufführungsorte doch wesentlich Energie einsparen könnten, wenn sie ihre konventionellen Scheinwerfer gegen LED Scheinwerfer tauschen würden. Ein Erkenntnisgewinn auch für den Rezensenten, der doch tatsächlich geglaubt hatte, dies sei mit den hohen Fördergeldern für diesen Zweck in den letzten drei Jahren bereits eine Selbstverständlichkeit. Wie eindrucksvoll das Erlebnis gewesen sei, als eine Künstlerin in einer Performance des Tanzhaus NRW dem Publikum verdeutlichte, dass hier überall wertvolle Erden verbaut wurden, die oft aus der Ausbeutung ferner Kulturen stammen, fand die Moderatorin ein tolles Beispiel….

Wie bedauerlich es ist, wenn Kunst gelegentlich viel zu wenige Zuschauer findet, kann nicht oft genug beklagt und untersucht werden. Hier waren es einmal die viel zu wenigen Zuschauer dieser Veranstaltung, die zu bedauern waren, ob dieser Diskussion, die keine Fragen von den wenigen Gekommenen vorsah…

KunstKlima-Philipp-Schaus©TANZweb.org

KunstKlima-Philipp-Schaus©TANZweb.org